„Der Machermensch stößt an seine Grenzen“

Die Corona-Krise zeigt, wie verletzlich die Menschen trotz allen technischen und materiellen Möglichkeiten sind. Das betont der bayerische Landesbischof Heinrich Bedford-Strohm in einem Essay in der Frankfurter Allgemeinen Zeitung – und fordert, den Lebensstil an die „Grenzen des Planeten“ anzupassen.
Von Jonathan Steinert
Heinrich Bedford-Strohm hat in einem Essay über Auswirkungen der Corona-Krise auf die „Tiefenstrukturen“ der Gesellschaft nachgedacht

In Psalm 90 heißt es: „Lehre uns bedenken, dass wir sterben müssen, auf dass wir klug werden.“ Dieser Satz werde durch die Corona-Krise im Alltagsleben vieler Menschen greifbar, schreibt der bayerische Landesbischof und Ratsvorsitzende der Evangelischen Kirche in Deutschland (EKD), Heinrich Bedford-Strohm, am Montag in einem Essay in der Frankfurter Allgemeinen Zeitung. Diese Krise zwinge zu der Einsicht, „dass auch unser modernes Leben gefährdet und bedroht ist von Kräften, die stärker sind als all unsere medizinische Kompetenz und unser vieles Geld.“

Der „Machermensch, der doch alles kann und will und schafft, wird plötzlich wieder daran erinnert, wie gefährdet das Leben ist und wie schnell er an die Grenzen des Lebens stoßen kann.“ Auch der Glaube an Gott zeige diese Perspektive auf: Der Mensch sei ein Geschöpf mit endlichen Möglichkeiten. Die Kirche müsse auch nach der Krise dazu ermutigen, diese Grenzen zu sehen und die Frage nach Gott und dem Sinn des Lebens zu stellen.

Aufruf zu entschiedener Klimapolitik und gerechter Wirtschaft

Bedford-Strohm ruft außerdem zu Zuversicht und Gemeinsinn auf und dazu, den persönlichen und gesellschaftlichen Lebensstil zu überdenken. Der müsse sich an die „Grenzen des Planeten“ anpassen. „Der Raubbau an der Natur und das immer weitere Vordringen in die Lebensräume der Tiere befördert nicht nur den Klimawandel, sondern hat vermutlich auch sehr viel mit der Übertragung von tödlichen Krankheiten wie dem Coronavirus zu tun“, schreibt der Bischof. Aus der Corona-Krise müsse sich „beim Neustart eine Globalisierung der Verantwortung“ entwickeln. Das bedeutet für Bedford-Strohm unter anderem: eine noch entschiedenere gemeinsame Klimapolitik der Weltgemeinschaft und ein gerechtes Wirtschaftssystem. Die Kirche habe seit jeher aus dem Glauben die Aufgabe abgeleitet, den „globalen Zusammenhang der Menschheit und der Natur im Blick zu behalten und zu bewahren“.

Der EKD-Ratsvorsitzende verteidigte in dem Text auch, dass die Kirche die Coronamaßnahmen inklusive Einschränkungen bei Gottesdienstfeiern ohne Widerspruch hingenommen hatte. Freiheit bedeute für ihn, immer den Nächsten im Blick zu haben. Es könne dabei nicht um eigene Interessen gehen. „Freiheit geht im christlichen Verständnis immer einher mit Liebe und Verantwortung“, schreibt Bedford-Strohm und macht deutlich, dass deshalb für die Kirche die Frage zentral gewesen sei, wie das Gesundheitssystem angesichts einer tödlichen Epidemie vor dem Kollaps bewahrt werden kann; und wie Menschen in dieser Situation Hoffnung und Trost finden können.

Corona-Krise keine Strafe Gottes

Dass das Virus eine Strafe von Gott sein könnte, weist Bedford-Strohm zurück. Gott habe sich in Jesus Christus gezeigt – und der habe nicht getötet, sondern Menschen geheilt. Das Vertrauen darauf, dass Gott in der Krise da ist und dass man auch im Tod bei Gott geborgen sein kann, habe viele Menschen in der Corona-Krise getragen. Der Osterruf, dass Jesus auferstanden ist und der Tod nicht das letzte Wort habe, sei in dieser Zeit umso wichtiger gewesen.

Der Präsident der Evangelischen Kirche in Hessen und Nassau, Volker Jung, meldete sich am Montag mit einem Gastbeitrag in den Zeitungen der Verlagsgruppe Rhein Main zu Wort und betonte ebenfalls, dass die Corona-Krise keine Strafe Gottes sei. Er reagierte damit auf Kritik, die Kirchen würden zu einer geistlichen Deutung der Krise schweigen. Jung betonte, die „Geschichte des Jesus von Nazareth zeigt eindrücklich, dass Gott unmissverständlich an der Seite der leidenden Menschen und der leidenden Schöpfung bleibt“. Gott habe die „Chaosmächte“ nicht aus der Welt geschafft, aber er halte sie im Zaum. Die Spannung darin bleibe ein Geheimnis Gottes.

Die Krise sei ein Ruf zur Umkehr, schreibt Jung. „Es ist nicht gut, wenn Menschen sich in trügerischer Selbstsicherheit gebärden.“ Wichtig sei, nach den eigenen Grenzen zu fragen und danach, wie sich die Welt „zu einer guten Welt für alle machen lässt“.

Von: Jonathan Steinert

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