„Volle Hütte“ beim Gottesdienst

In die Matthäus-Gemeinde in Bremen strömen die Menschen sonntags gleich zweimal in die Gottesdienste. Der konservative Pastor Andreas Schröder setzt bei der Verkündigung auf Innovation. Die Wochenzeitung Die Zeit fragt danach, ob diese Gemeinde ein Modell für die gesamte Kirche sein kann, der andernorts die Mitglieder und Besucher weglaufen.
Von Norbert Schäfer
Die St. Matthäus-Kirche in Bremen-Huchting bietet sonntags zwei Gottesdienste an

In Deutschland gehen nach Angaben der Wochenzeitung Die Zeit nur rund drei Prozent der Christen, die einer evangelischen Landeskirchen angehören, in einen Gottesdienst. Das Gros der Protestanten bleibe sonntags daheim. Im Bremer Stadtteil Huchting sei das anders, berichtet die Wochenzeitung am Mittwoch auf ihrer Homepage. In Bremen-Huchting gehe etwa jeder vierte der rund 2.000 Gemeindemitglieder in einen Gottesdienst der evangelischen Matthäus-Gemeinde. Sie habe sonntags „die Hütte voll“. Ein Grund für die Wochenzeitung, die Kirchengemeinde, ihren Pastor und die Gottesdienste in einem Beitrag einmal genauer unter die Lupe zu nehmen. Wie die Zeit berichtet, gelingt der Kirchengemeinde, was anderenorts nur an den christlichen Feiertagen möglich ist.

Damit der Gottesdienst attraktiv bleibe, sei der Pastor der Gemeinde, Andreas Schröder, bereit, Kompromisse einzugehen. Wenn es allein nach dem Pastor ginge – er ist dem Bericht zufolge Ostfriese und teilt „nicht so viel Emotion“ –, bräuchte es beispielsweise die Lautstärke im Gottesdienst nicht, auch nicht das Aufheben der Hände. Schröder sei aber klar, dass er irgendwann vor einer halbleeren Kirche stehe, wenn er nur nach sich schaue.

Ideen sammeln, Grenzen erkennen

Anregungen zur Modernisierung des Gottesdienstes holten sich die Pfarrer und der Kirchenvorstand, indem sie andere Gemeinden besuchten und schauten, wie die es machen. Sie kamen zu dem Schluss, „dass sie individueller und moderner werden müssten, wenn sie die Jungen halten wollten“.

Die Verantwortlichen hätten gelernt, dass nicht nur die Botschaft wichtig sei, sondern auch die Verpackung. „Es sind manchmal sehr irdische Dinge, die eine Kirche für ihre Gläubigen attraktiv machen können, auch beim traditionellen Gottesdienst mit Orgel und Talar“, schreibt Zeit-Redakteurin Nadine Ahr in dem Bericht.

Heute gibt es sonntags zwei Gottesdienste in der Gemeinde, die jeweils unterschiedliche Alters- und Zielgruppen in den Blick nehmen. Schröder nennt als Grund die „sich immer stärker individualisierende Gesellschaft“, die auch die Kirche zu verschiedenen Angeboten zwinge. Ein Gottesdienst – klassischerweise um 10 Uhr mit nach eigenen Worten „erprobter Liturgie“ samt Orgelbegleitung und einer „tiefgehenden Predigt mit Jesus im Fokus“ – richtet sich an die „Traditionellen“. Wer stattdessen „moderne Musik mit Band, viel Abwechslung“ nebst „Tiefe in Predigt, Gebet und Anbetung“ bervorzugt, findet seinen Gottesdienst um 12 Uhr. Für Schröder hat die Modernisierung des Gottesdienstes auch Grenzen. „Ich meine, ich predige jetzt schon völlig selbstverständlich mit Headset – was kommt als Nächstes? Dass wir Helene Fischer von der Decke schweben lassen?!“, erklärt er gegenüber der Zeitung.

Neue Wege der Finanzierung

Pastor Schröder kam 1998 in die Matthäus-Gemeinde. Sein Kollege, Lothar Bublitz, wurde schon damals aus Spenden der Gemeinde finanziert, denn für eine zweite Pastorenstelle seitens der Landeskirche war sie zu klein. Daran hat sich bis heute nichts geändert. Neben Bublitz finanziert die Gemeinde noch einen Jugendpastor aus der eigenen Tasche, und einen Pädagogen für ein Sozialprojekt. 18.000 Euro müssen deshalb jeden Monat durch Spenden herbei.

Als weiteren Grund, warum Pastor Schröder sonntags nicht vor leeren Kirchenbänken predige, nennt Zeit-Redakteurin Nadine Ahr in dem Beitrag „Oh Gott, ist das voll!“ den Umstand, dass Schröder die Bibel „sehr wörtlich“ auslege. Zudem drehten sich die Predigten nicht um „die großen Probleme der Welt“ wie die Bewahrung der Schöpfung oder den Weltfrieden, sondern es gehe „um den Einzelnen“ und „sein Leben“.

„Zwitter“ mit Modellcharakter

Ahr sieht in der Matthäus-Gemeinde eine Art Zwitter zwischen Landes- und Freikirche, die versuche, „die beiden Welten zu vereinen“. Einmal, weil sich die Gemeinde im Stil einer Freikirche zu einem großen Teil selber finanziere. Aber auch, weil in der Kirchengemeinde „die persönliche Beziehung zu Jesus Christus besonders wichtig“ sei.

Abschließend geht die Zeit-Redakteurin der Frage nach, ob die Matthäus-Gemeinde als Modell für die Kirche insgesamt dienen kann. „Man könnte auf diese Fragen antworten, dass eine Kirche, die Homosexuelle nicht traut, nicht mehr zeitgemäß ist, dass diese Moral geradezu unmoralisch intolerant ist und dass die Predigten, die Pastor Schröder hält, in einer Zeit, in der es politisch um alles geht, nicht politisch genug sind, dass die Botschaften zu simpel sind“, schreibt die Journalistin. Und dass ein Gottesdienst, der so sehr auf Emotion setzte statt auf Verstand, zu einer Aufführung werde. „Man könnte aber auch sagen, dass diese Kirche Menschen einen Raum für Innerlichkeit bietet, für Selbstreflexion, für Gemeinschaft über den Gottesdienst hinaus“, schreibt Ahr, und weiter: „Und dass Innerlichkeit, Selbstreflexion und Gemeinschaftssinn in einer Zeit, in der es um alles und vor allem wahnsinnig schnell und immer schneller geht, nicht schaden können.“

Von: Norbert Schäfer

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