Ekkehart Vetter: Der Neue

Der neue Vorsitzende der Deutschen Evangelischen Allianz, Ekkehart Vetter, steht vor der Aufgabe, das evangelikale Netzwerk zu einen, dessen verschiedene Flügel sich zuletzt wegen theologischer Fragen überwarfen. Dabei träumt er vor allen Dingen von einer Kirche der Einheit. Am Dienstag wird er offiziell in sein Amt eingeführt.
Von Anna Lutz
Ekkehart Vetter ist seit Januar Vorsitzender der Deutschen Evangelischen Allianz

Ekkehart Vetter ist in vielen Dingen so etwas wie der Antitypus seines Vorgängers. Michael Diener, groß und schlaksig, zuspitzend und zutiefst politisch, schied Ende des Jahres aus dem Amt des Vorsitzenden der Deutschen Evangelischen Allianz aus. Seit dem 1. Januar hat Vetter übernommen, breitkreuzig und untersetzt, zurückhaltend und vorsichtig vor allem im Politischen. Letzteres mag daher rühren, dass es seinem Charakter entspricht.

Wahrscheinlicher aber ist, dass Vetter, der in den vergangenen Jahren unauffällig als Dieners Stellvertreter fungiert hat, aufmerksam war und die Fehler seines Vorgängers nicht wiederholen will. Diener kritisierte offen den Umgang der Evangelikalen mit Flüchtlingen, Andersdenken und Homosexuellen – und nahm am Ende seinen Hut. Offiziell zwar nicht wegen der daraus enstandenen Verstimmungen, inoffiziell aber ist klar: Ein Happy End gibt es vorerst nicht in der Beziehung Evangelische Allianz – Michael Diener.

In jeder Kritik einen Funken Wahrheit sehen

Wir treffen Ekkehart Vetter drei Wochen nach seiner Amtsübernahme in Berlin. Der Tag ist eisig, trotzdem nimmt er sich Zeit, im Tiergarten, vor dem Brandenburger Tor und dem Bundestag für Fotos zu posieren. Unkompliziert ist er, dieser neue Chef der Evangelikalen in Deutschland. Freundlich und offen ebenfalls, wie sich im späteren Interview zeigt. Wenn man Ekkehart Vetter etwas vorwerfen kann, dann, dass er noch nicht ganz angekommen ist im Geschäft mit der Öffentlichkeit. „Frontsituationen“, wie er es nennt, machen ihn noch nervös. Er spricht schnell, kommt ins Reden, rudert an manchen Stellen zurück und bittet um Augenmaß bei der Berichterstattung.

Fragt man ihn, wo die Allianz politisch hin will, hält er sich zurück. Gespräche mit dem Generalsekretär Hartmut Steeb zur künftigen Linie stünden noch aus, sagt er. Schon in den ersten Wochen seiner Tätigkeit hat er sich einen minderschweren Ausrutscher geleistet. In einem Interview des evangelischen Nachrichtenmagazins ideaSpektrum sagte er, ein Christ könne „unmöglich rechts sein“. Seine Klientel empörte sich in Leserbriefen, Vetter musste einlenken. Er habe den Begriff „rechts“ unklar verwendet, erklärte er. „Ich bin entspannt“, sagt er zu pro. Er habe sich vorgenommen, in jeder Kritik das Fünkchen Wahrheit zu sehen, auch wenn sie undifferenziert sei und in harschem Ton vorgetragen werde. Und dennoch versichert er uns und möglicherweise auch sich selbst: „Der evangelikalen Basis begegnet man auf Veranstaltungen, nicht in Leserbriefen.“

Unverständnis für US-Evangelikale

Was ist das, die evangelikale Basis? „Ein bunter Haufen“, antwortet er und ist selbst ein gutes Beispiel dafür. Vetter ist Vorsitzender des Mülheimer Verbandes und damit der erste charismatisch geprägte Christ an der Spitze der Evangelischen Allianz. Vetter verwahrt sich gegen jegliches Schubladendenken. Das gelte im Übrigen auch für die Frommen in Übersee, wo jüngst US-Präsident Donald Trump vereidigt wurde. Dennoch stellt Vetter klar, dass ihn vor allem sexistische und fremdenfeindliche Äußerungen des mächtigsten Mannes der Welt irritieren. „Wie kann das dort von Evangelikalen geschluckt werden?“, fragt er.

Das passt zu dem Umstand, dass Vetter vor allem die „radikale Zuwendung von Christen gegenüber Flüchtlingen“ ein Herzensanliegen ist. Es ist dieses eine politische Thema, über das er gerne und engagiert spricht: „Wir dürfen nicht die Islamisierung des Abendlandes heraufbeschwören.“ Flüchtlinge seien Chance statt Bedrohung. „Es bedrückt mich, bei diesem Thema immer wieder auch harsche Töne von Frommen zu hören“, sagt er, der selbst immer wieder die Begegnung mit dem Fremden sucht. Im Vorjahr reiste er mit seiner Frau drei Wochen in den Iran und schwärmt noch heute von der Gastfreundlichkeit der Menschen dort. In seinem Stadtteil in Mülheim leben Vetter zufolge Menschen aus 96 Nationen zusammen. In seiner Freizeit zieht er das türkische oder äthiopische Restaurant dem deutschen Wirtshaus vor.

Kein Sex für Singles und Homosexuelle

So sehr diese biografischen Daten auch zu einem linksintellektuellen Globetrotter passen würden, so konservativ zeigt sich Vetter, Vater von sechs Kindern, wenn es um theologische Dinge geht. In der Frage um die Anerkennung homosexueller Lebensgemeinschaften will er „die Menschen zur Bibel zurückrufen“. Und die enthält für ihn „keine positive Wertung von Homosexualität“. Gott habe in seiner Schöpfungsordnung „Mann und Frau in eine lebenslange Treuegemeinschaft” gerufen, Singles und Homosexuelle hingegen seien zur Enthaltsamkeit aufgefordert. Bei diesem Thema sei er sich uneins gewesen mit seinem Vorgänger Diener, der sich in dieser Frage zwar selbst als konservativ bezeichnete, aber beharrlich dafür warb, auch andere Lehrmeinungen innerhalb der Allianz zuzulassen.

Einig sind sich die ungleichen Männer dann wieder bei einem christlichen Prinzip, das für Vetter wesentlich wichtiger ist als Gender- und Sexfragen: „Das Gebot der Nächstenliebe und der Gottesliebe steht über allem.“ Christen dürften niemanden verurteilen, auch wenn sie manche ethischen Überzeugungen anderer nicht teilten.

Bunt soll die Kirche sein

Passend dazu beschreibt Vetter in seinem Buch „Ruhrfeuer“ aus dem Jahr 2004 seinen Traum von Kirche: „Da sind alt und jung, Handwerker und Akademiker, Freaks und Etablierte, Schon-ewig-Fromme und Glaubens-Skeptiker, Kinderlose und Kinderreiche, Greise mit Stock und Babys an Mutters Brust […] [D]ieses bunte Allerlei macht Gemeinde interessant und spannend. Nichts ist langweiliger als ein uniformiertes Grau-in-Grau, äußerlich und – schlimmer noch – innerlich.”

Wird es ihm auch möglich sein, dieser Vorstellung entsprechend die Deutsche Evangelische Allianz zu einen? Der Pfarrer und Evangelist Ulrich Parzany gründete zuletzt aus deren Mitte heraus das alternative Netzwerk „Bibel und Bekenntnis“, eine konservative Antwort auch auf die Haltung Dieners. „Wir würden beide unsere Namen unter die Glaubensbasis der Allianz setzen“, das ist für Vetter sicher. „Die Deutsche Evangelische Allianz lebt“, sagt er.

Am Dienstag wird er in Schwäbisch Gmünd offiziell in sein Amt eingeführt und sein Vorgänger Michael Diener verabschiedet. (pro)

Von: al/nob

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