Luther-Fan-Club gegen Beichtgemeinde

Luther-Nudeln, Luther-Socken, Luther-Einkaufswagenchips – an Fanartikeln zum Reformator mangelt es derzeit nicht. Die Selbständige Evangelisch-Lutherische Kirche mahnt an, über dem Luther-Hype nicht das zu vergessen, worum es dem Kirchenmann eigentlich ging: das Evangelium, Buße und Umkehr.
Von PRO
Kekse mit Luthers Konterfei – die Marketingmaschinerie um das Reformationsjubiläum macht es möglich. Einige Kirchenvertreter rufen dazu auf, über den Feierlichkeiten nicht den Kern von Luthers Lehre zu vergessen.

Jubiläen bringen es mit sich, dass die Öffentlichkeit der großen Taten des Jubilars gedenkt. So ergeht es auch Martin Luther. Die Veröffentlichung seiner 95 Thesen am 31. Oktober 1517 jährt sich nächstes Jahr zum 500. Mal. Mit dem Eröffnungsgottesdienst im schwedischen Lund mit Papst Franziskus sowie einem Festakt in Berlin hat am Montag das Jubeljahr der Reformation begonnen und mit ihm ein Reigen an Veranstaltungen und Feierlichkeiten. Aber worin liegt der Grund zum Jubeln?

Eigentliche Reformationsthemen: Vergebung und Rechtfertigung

Der Bischof der Selbständigen Evangelisch-Lutherischen Kirche (SELK), Hans-Jörg Voigt, findet ihn weder in der Person Luthers, noch im Ereignis des Thesenanschlags, sondern in der ersten der 95 Thesen: „Als unser Herr und Meister Jesus Christus sagte: ‚Tut Buße, denn das Himmelreich ist nahe herbeigekommen‘, wollte er, dass das ganze Leben der Glaubenden Buße sei.“ Hier nimmt, Voigts Meinung nach, die Reformation ihren Ausgangspunkt. Vergebung und Rechtfertigung seien die eigentlichen Themen der Reformation und damit die zentralen Anliegen der lutherischen Bekenntnisschriften, auf denen das Selbstverständnis der SELK beruhe.
Aus diesem Grund veranstaltet sie im nächsten Jahr ein Festwochenende mit einem Gottesdienst unter dem Motto „Freude in Christus“ mit Sündenbekenntnis und Absolution. Wie passt das in die Feierstimmung im Land? Luther setzte mit seiner Frage nach dem gnädigen Gott an „bei der mittelalterlichen Beicht- und Bußpraxis“, erklärt Voigt. Er hält es daher für „angemessen, wenn eine lutherische Kirche in ihrem Reformationsgedenken daran anknüpft“. Die Vergebung, die Gott in Christus „allein aus Gnaden“ schenkt, sei es, die gefeiert werden soll. Dabei dürfe die Beichte nicht verstanden werden als etwas, das Menschen klein machen will, sagt Voigt, „sondern wir machen uns jeden Tag selbst klein, indem wir schuldig werden – vor Gott und gegenüber den Mitmenschen. Das, was uns an Schuld geschieht, was wir tun, das macht uns klein. Die Beichte hingegen macht uns groß, indem sie sagt: ,Dir sind deine Sünden vergeben.“ Wenn schon eine Jubelfeier, dann im Sinne eines Jubels über die Vergebung durch Christus.

Reformationsgedenken statt Lutherfeier

In diesem Sinne plädiert auch Werner Klän, Professor für systematische Theologie an der Lutherischen Theologischen Hochschule Oberursel (LThH) der SELK, dafür, ein „Reformations-,Gedenken‘ zu begehen“, anstatt einer Feier. „Damit wäre zumindest angedeutet, dass die fortdauernde Spaltung der abendländischen Christenheit kein Anlass zum Jubel ist“, sagt er auf Anfrage von pro. Klän richtet den Blick auf einen anderen Akzent: Das Jahr 2017 gelte es, ökumenisch zu gestalten. Dazu äußerte er sich zusammen mit Burkhard Neumann, dem Direktor am katholischen Johann-Adam-Möhler-Institut für Ökumenik. Er findet es „wichtig und richtig, gerade in den gemeinsamen Texten und Gottesdiensten den Aspekt der Buße und der Umkehr so deutlich zu markieren, und zwar von beiden Seiten“. Die Katholische Kirche solle „ihre Dankbarkeit ausdrücken für all das, was auch ihr durch die Reformation bewusst geworden ist und sie von ihr gelernt hat“. Am Ende wäre es dann unwichtig, „ob wir über Feiern reden oder nicht, wenn wir den Glauben an den einen Gott und das, was er in Christus für uns getan hat, in den Mittelpunkt stellen“, sagt Neumann. Gelingt dieses Vorhaben, liegt auch hier ein Grund zum Jubeln.

„Hochaktuelle“ Thesen Luthers

Diese Ansicht teilt zudem Claas Cordemann, Referent für theologische Grundsatzfragen im Amt der Vereinigten Evangelisch-Lutherischen Kirche Deutschlands (VELKD). Ebenso wie Klän betont er die ökumenische Perspektive dessen, worum es im Reformationsgedenken gehen sollte. Der Eröffnungsgottesdienst in Lund von Lutherischem Weltbund und Römisch-Katholischer Kirche zusammen mit Papst Franziskus „ist hier ein großes Zeichen“, eine „ökumenische Geste, die kaum zu überschätzen“ sei, sagt Cordemann gegenüber pro. Und auch er kommt wieder an den Kern der Erkenntnisse Luthers zurück: „Rechtfertigung allein aus Glauben um Christi Willen.“ Luthers Frage „Wie bekomme ich einen gnädigen Gott“, könne modern gewendet werden: „Woher bekommt der Mensch seinen Wert? Wie erhält er Anerkennung? Aus seinen Werken und Taten? Aus seiner gesellschaftlichen Leistung? Nein, Gott spricht dem Menschen seinen Wert und sein Anerkanntsein zu.“ Damit seien Luthers Einsichten „hochaktuell“.
Jan Carsten Schnurr, Dozent für historische Theologie an der Freien Theologischen Hochschule in Gießen (FTH) richtet den Blick etwas stärker auf die Person Luthers und dessen persönliches Erleben. Seine Erkenntnis, den gnädigen Gott nicht aus eigener Kraft „bekommen“ zu können, sondern ihn schon zu haben, „weil Jesus Christus am Kreuz an unsere Stelle getreten war und dass das schlichte Vertrauen auf Christus deshalb ausreicht“, habe er „zeitlebens als unglaublich befreiend empfunden“, sagt Schnurr gegenüber pro. Von hier aus sei es dann auch legitim, „an politische, gesellschaftliche und kulturelle Folgen seines Wirkens zu erinnern“. Und an Luther, als „komplexe, faszinierende Gestalt – wahrscheinlich sind, von Jesus abgesehen, über keinen anderen Menschen so viele Biographien geschrieben worden“. Auch Schnurr betont aber – bei allem Jubeln – den Kern dessen, worum es Luther ging, im Blick zu behalten: „das Evangelium von dem für uns gekreuzigten Jesus Christus“.

Der Grund zum Jubel

Der theologische Inhalt der Reformation, der Grund des Gedenkens und des Jubelns lässt sich anhand dieser Stimmen nicht in all den Neuerungen und Umwälzungen finden, die Luther am 31. Oktober 1517 ins Rollen brachte. Er liegt auch nicht in der mutigen, rebellischen oder genialen Person Luther, der vor bald 500 Jahren mit einem Hammer 95 Thesen in das Holz einer Kirchentür einprägte und dessen Konterfei heute als Ausstechform in Plätzchenteig geprägt werden kann.
Keiner wäre wohl mehr einverstanden damit, wenn die Verantwortlichen nicht seine Person in den Mittelpunkt des Feierns rückten als Luther selber, sagt Bischof Voigt: „Luther war nämlich ein Sünder und er selbst hat dies, wie kaum ein anderer, zutiefst geglaubt.“ Er reihte sich selbst mit ein in die Riege der „Erschreckten“ und „Blöden“, von denen der Reformator in seiner Auslegung des Lukas-Evangeliums im Jahr 1544 sprach: „Das Evangelium und Christus ist je nicht geordnet und gegen, zu schrecken, noch zu verdammen, sondern die, so erschreckt und blöde sind, zu trösten und aufzurichten“. (pro)Papst: Nicht mit Spaltung und Entfremdung abfinden (pro)
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