Bedford-Strohm: „Signal der Versöhnung und des Aufbruchs“

Am Montag haben die Feierlichkeiten für das 500-jährige Reformationsjubiläum begonnen. Der Festgottesdienst in Berlin stand im Zeichen der Ökumene. Beim anschließenden Festakt mahnte Bundespräsident Joachim Gauck zu mehr Gnade beim Umgang mit den Mitmenschen.
Von PRO
Die Liturgen des Festgottesdienstes: EKD-Ratsvorsitzender Bedford-Strohm, Metropolit Labardakis, Erzbischof Koch, Bischof Dröge, EKD-Botschafterin Käßmann, Pfarrer Hohberg und Ärztin Skarabis-Querfeld (v.l.n.r.) beim Einzug in die Kirche

Mit einem Festgottesdienst unter dem Thema „Gott ist meine Zuversicht!“ hat die Evangelische Kirche in Deutschland (EKD) am Montag die Feierlichkeiten für das 500-jährige Reformationsjubiläum in Berlin eröffnet. Vom Reformationstag an wird ein Jahr lang in Festgottesdiensten, auf Kirchentagen und in Veranstaltungen an den 500. Jahrestag des Thesenanschlags durch Martin Luther erinnert. Erstmals soll die Reformation dabei in ökumenischer Gemeinschaft gefeiert werden.
Bei dem Festgottesdienst in der Berliner Marienkirche hob der Ratsvorsitzende der EKD, Landesbischof Heinrich Bedford-Strohm, die Bedeutung der Versöhnung hervor. „Das Reformationsjubiläum ist ein Signal der Versöhnung und des Aufbruchs. Denn dort, wo Menschen sich wie Martin Luther von Christus begeistern lassen, beginnen sie, Versöhnung zu stiften, weil sie sich selbst versöhnt wissen“, sagte Bedford-Strohm. Menschen überwänden ihre Angst und fingen an, aus der Freiheit zu leben. „Sie vergeben, weil sie wissen, dass sie selbst nur aus der Vergebung leben können. Menschen trauen sich, neu zu lieben, weil sie in ihrem Herzen die Liebe spüren, die sie von Gott erfahren“, sagte der Ratsvorsitzende. Er würdigte den Stellenwert des Reformationsjubiläums für die ökumenische Bewegung: „Heute sehnen sich evangelische und katholische Christen nach der Gemeinschaft. Wir sind dankbar für viele Schritte aufeinander zu.“

Kardinal Lehmann mit Martin-Luther-Medaille geehrt

Während des Gottesdienstes wurde der Mainzer Bischof und langjährige Vorsitzende der katholischen Deutschen Bischofskonferenz, Kardinal Karl Lehmann, mit der Martin-Luther-Medaille der EKD ausgezeichnet. Die EKD würdigte so Lehmanns Verdienste um die Ökumene in Deutschland. „Sie haben sehr bald für das Reformationsjubiläum als ökumenische Chance geworben, zu einem Zeitpunkt, als die Zurückhaltung und Skepsis in Ihrer Kirche noch sehr stark war“, erklärte Bedford-Strohm in seiner Laudatio. „Wir sind froh, dass auf dem gemeinsamen Weg unserer beiden Kirchen viele Skeptiker zu Befürwortern wurden.“
Der Berliner evangelische Bischof Markus Dröge wies in seiner Predigt auf den Stellenwert des Jubiläumsjahres hin. „Reformation ist ein Rhythmus, der beflügelt, ein Herzschlag, der unser Leben bestimmt“, sagte er. Dröge nannte die Reformation eine „immer neue Kraft, die bewegt und verändert, die Menschen ermutigt, über das Bestehende hinaus zu fragen“. Dies gelte es im Jubiläumsjahr der Reformation zu feiern. Dröge erinnerte daran, dass der amerikanische Bürgerrechtler und spätere Friedensnobelpreisträger Martin Luther King 1964 in der St. Marienkirche gepredigt hatte. Dabei hatte der Baptistenpastor seine Gedanken zur Freiheit des Menschen ohne Grenzen und Mauern entfaltet. King war damals zunächst auf Einladung des regierenden Bürgermeisters und späteren Bundeskanzlers Willy Brandt nach West-Berlin gekommen und hatte dann abseits des offiziellen Programms zweimal im Ostteil der geteilten Stadt in überfüllten Kirchen gepredigt.

Gauck: „Ungeist der Gnadenlosigkeit“

Zum anschließenden Empfang der gemeinsamen Feierlichkeiten von Staat und Kirche am Reformationstag im Berliner Konzerthaus am Gendarmenmarkt kamen mehr als 1.000 Gäste aus Kultur und Kirche, Politik und Gesellschaft. Bundespräsident Joachim Gauck würdigte die Reformation als „außerordentlich wichtig für unser Gemeinwesen“. Mit dem Festakt würden die Sphären von Staat und Kirche nicht unzulässig vermischt. Vielmehr erkenne der Staat an, dass er durch die Wirkungsgeschichte der Reformation in vielfältiger Weise geprägt worden sei. „Die heutige Gestalt des Gemeinwesens ist ohne die christlichen Kirchen nicht denkbar“, sagte der Bundespräsident. „Sie ist nicht denkbar ohne die Reformation.“
Diese Feststellung komme heute ohne antikatholische Töne aus, bekräftigte der Bundespräsident. Die Freiheit des Glaubens und des Gewissens und damit unveräußerliche Grundrechte gäbe es schwerlich ohne „die Initialzündung“ der Reformation. „Das Christentum ist durch die drei Feuer der Reformation, der Aufklärung und der Religionskritik gegangen“, konstatierte Gauck. Die Alternative zu kritischem Glauben könne leicht zu Fundamentalismus führen, warnte der Bundespräsident. Die Reformation gehe alle an, weil sie weite Teile Europas und der Welt wesentlich gestimmt habe. Gauck zeichnete in seiner Rede die verschiedenen Akzentuierungen des Gedenkens an die Reformation über die Jahrhunderte nach. Er mahnte, den antisemitischen Aspekt von Luthers Wirken, der gerade in den vergangenen Jahren ausführlich untersucht worden sei, weder überzubewerten noch zu verschweigen.
Beim Gedenken an Luthers Werk sei selbstkritische Vorsicht geboten. „Wir müssen, wie die Generationen vor uns, fragen, was die Reformation für uns heute bedeutet“, sagte Gauck. Die tiefgreifende Wirkungsgeschichte der Reformation erreiche praktisch alle Lebensbereiche „bis in die persönliche Lebensführung von Millionen von Menschen“, ihre Art zu fühlen und zu denken, wie sie sprechen und wie sie glauben und ihrem Glauben Ausdruck verleihen. Den Reformatoren Luther, Calvin und Zwingli sei es vor allem „um das Heil der Seele, um das richtige Verhältnis zu Gott, um Himmel oder Hölle“ gegangen. Viele von uns würden das heute nicht mehr verstehen. Gauck erinnerte in seiner Rede an die zentrale Bedeutung des Begriffs „Gnade“ in der Theologie Martin Luthers. Er appellierte daran, gnädig mit den Mitmenschen umzugehen, „die eben fehlbare und unvollkommene Wesen sind wie wir selber“. Er bemängelte, dass sich in unserer Gesellschaft, in Internetforen bis hin zu politischen Debatten ein „Ungeist der Gnadenlosigkeit“ breitmache, ein Geist „des Niedermachens, der Selbstgerechtigkeit, der Verachtung“. Dieser Geist ist nach den Worten des Bundespräsidenten „für uns alle brandgefährlich“. Die Bürgerinnen und Bürger sollten im Geist der Reformation ihrem Gemeinwesen in beständiger Bereitschaft zur Erneuerung verbunden bleiben.
Zuvor hatten der Regierende Bürgermeister von Berlin, Michael Müller, und die Staatsministerin für Medien und Kultur, Monika Grütters, die Reformation in Grußworten gewürdigt. Grütters (CDU) nannte die Reformation ein „Kulturereignis von Weltrang“. Die Politikerin hofft, dass „die Reformation ein Volksfest der Verständigung über unsere Wurzeln und Werte wird“. Demokratie und kritische Bürgergesellschaft gelten nach den Worten Müllers als Beispiele für Lehren aus der Reformation. (pro)Protest gegen weichgespülten Luther (pro)

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