Klima und Nachhaltigkeit: Jugendliche fühlen sich von Politikern ungehört

Die Klimakrise und globales Engagement für das Klima beschäftigt Jugendliche derzeit besonders. Das zeigt die Sinus-Jugendstudie 2020. Außerdem ist die junge Generation ernsthafter geworden und fühlt sich von der Politik oft nicht genügend gehört.
Von PRO
Themen rund um den Klimaschutz haben Jugendliche in letzter Zeit besonders bewegt. Das zeigen unter anderem die „Fridays for Future“-Demos.

Jugendliche fühlen sich in der Gesellschaft und von der Politik zu wenig gehört und ernst genommen. Das ist ein zentrales Ergebnis der Sinus-Jugendstudie 2020 „Wie ticken Jugendliche?“. Besonders im Hinblick auf die Klimakrise, die nahezu alle Jugendlichen bewegt, hätten sie das Gefühl, vielen Erwachsenen seien „Plastikteppiche im Pazifik egal“, sagte Mark Calmbach, Studienleiter des Sinus-Instituts in Berlin, bei der Vorstellung der Erhebung. Bei den 14- bis 17-Jährigen herrsche außerdem das Empfinden vor, Klimawandel werde von den Politikern nicht ernst genommen, sagte er.

Gesundheit und ein globales Engagement für das Klima hielten fast alle Jugendlichen für wichtig, zeigt die Studie. In politischen Entscheidungsprozessen beklagten Jugendliche außerdem zu wenig Teilhabe und fühlten sich nicht repräsentiert. Den typischen Politiker stellten sich junge Menschen als „älteren, weißen Mann“ vor, sagte Calmbach. Sie wünschten sich, dass Politik moderner und auch ästhetisch ansprechender wird, zum Beispiel durch ein modernes Design, buntere Farben oder modernere Kleidung.

Umwelt- und Klimaschutz steht bei Jugendlichen hoch im Kurs Foto: Bundeszentrale für politische Bildung (bpb)
Umwelt- und Klimaschutz steht bei Jugendlichen hoch im Kurs

Die zunehmende Bedeutung von Klimaschutz und Nachhaltigkeit im Leben der Jugendlichen sei eine große Veränderung zu den Sinus-Studien der Vorjahre, sagte der Studienleiter. Beides gelte mittlerweile als soziale Norm. „Wir sollten nicht glauben, dass Bewegungen wie Fridays for Future jugendliche, politische Eintagsfliegen sind, die die ältere Generation ignorieren oder gar blockieren kann“, ergänzte Thomas Krüger, Präsident der Bundeszentrale für politsche Bildung.

Soziale Werte wichtiger als Materielles

Grundsätzlich seien die Jugendlichen ernster und besorgter geworden, sagte Calmbach. Das zeige sich zum Beispiel an der Corona-Krise. In den Befragungen zeigten sich die jungen Menschen solidarisch mit Älteren und Risikogruppen. Sie seien zwar genervt von den Einschränkungen, hielten diese jedoch für notwendig und fänden es wichtig, sich mit der Situation zu arrangieren. Mit den Schulschließungen oder auch dem Maskentragen hätten die meisten Jugendlichen kein Problem. Dabei müsse jedoch beachtet werden, dass die Befragung Ende April stattgefunden habe, also relativ zu Beginn der Corona-Pandemie.

Auch Werte sind den Jugendlichen wichtig. Vor allem zählen soziale Werte wie Familie, Freunde, Ehrlichkeit, Vertrauen, Toleranz und Empathie. Materielle Werte wie Besitz und Status seien vor allem für Gruppen mit niedrigerem Bildungsstatus wichtig, spielten in der Gesamtbetrachtung aber nicht die bedeutendste Rolle. Die zunehmende Wichtigkeit sozialer Werte habe zum Beispiel mit der Flüchtlingskrise vor einigen Jahren zu tun, sagte Calmbach. In der vorangegangenen Studie aus dem Jahr 2016 hätten diese Werte noch nicht diesen hohen Stellenwert gehabt. Als Lebensziel gäben viele Jugendliche aktuell an, dass sie sich ein bürgerliches Leben wünschen. „Sie wollen in der Mitte der Gesellschaft ankommen“, sagte Calmbach. Das bedeute, einen guten Schulabschluss zu machen, eine Famile zu gründen, ein Eigenheim zu besitzen und finanziell abgesichert zu sein. Karriere und finanzieller Erfolg sei vielen nicht so wichtig. Bedeutender sei es hingegen, genügend Zeit zu haben. Durch einen stressigen Schulalltag fühlten sich viele Jugendliche zum Beispiel auch nicht in der Lage, sich politisch oder gesellschaftlich zu engagieren.

Diese Werte prägen die Lebenswelt von Jugendlichen Foto: Bundeszentrale für politische Bildung (bpb)
Diese Werte prägen die Lebenswelt von Jugendlichen

In Bezug auf Jobs wurde die Kirche als Arbeitgeber speziell untersucht. Die Jugendlichen schätzten daran, dass man etwas Sinnvolles tun könne und wahrscheinlich mehr in der Gemeinschaft arbeiten könne als in anderen Berufen. Das gehe mit dem grundsätzlichen Wunsch einher, in einem positiven Arbeitsumfeld tätig zu sein, Freude an der Arbeit zu haben und eine gute Work-Life-Balance zu erzielen.

Offenheit für gesellschaftliches Engagement

„In der Studie wird deutlich: Freude an der Arbeit sowie ein positives Arbeitsumfeld haben bei jungen Menschen eine hohe Priorität. Außerdem wollen sie genug Zeit für Freund*innen und Familie haben. In der Kirche müssen wir uns darum kümmern, dass die Vielfalt der Berufe besser bei jungen Menschen ankommt“, sagte Bianca Mohr, Leiterin der Arbeitsstelle für Jugendseelsorge der Deutschen Bischofskonferenz, bei der Vorstellung der Studie. Die Kirche als Arbeitsplatz sei mehr als Priestertum. Gerade im sozialen Bereich habe die Kirche viel zu bieten.

Die Bundesvorsitzende des Bundes der Deutschen Katholischen Jugend, Lisi Maier, sagte, junge Menschen sähen viele Barrieren für ihr persönliches globales Engagement. Sie glaubten, selbst wenig bewirken zu können. „Gleichzeitig zeigen sie sich aber offen dafür, sich bestehenden Bewegungen anzuschließen und Angebote globalen Engagements zu nutzen: Austauschprogramme oder internationale Freiwilligendienste sind eine Möglichkeit, um jungen Menschen konkrete Formen globalen Engagements näherzubringen.“ Diese Angebote müssten bekannter und leichter zugänglich gemacht werden, vor allem für bildungsschwächere Jugendliche.

Das Ziel der Sinustudie ist, die Lebenswelten der Jugendlichen in Deutschland herauszuarbeiten. Dazu wurden qualitativ-empirisch 72 Jugendliche aus unterschiedlichen sozialen Milieus im Alter von 14 bis 17 Jahren über anderthalb Jahre in Einzelinterviews befragt und unter anderem auch gebeten, Skizzen oder Collagen zu bestimmten Themen zu erstellen. Die Sinus-Jugendstudie wird alle vier Jahre von Sinus-Institut durchgeführt. In Auftrag gegeben wird sie von der Bundeszentrale für politische Bildung, der Arbeitsstelle für Jugendseelsorge der Deutschen Bischofskonferenz, der Barmer, dem Bund der Deutschen Katholischen Jugend, dem Deutschen Fußball-Bund, der Deutschen Kinder- und Jugendstiftung, der Deutschen Sportjugend und der DFL Stiftung.

Von: Swanhild Zacharias

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