Soziologin sieht „politische Orientierungskrise“

Politiker könnten ihre Orientierung verlieren, wenn sie allein auf vermeintlich eindeutige moralische Positionen setzen. Das sagte die Soziologin Cornelia Koppetsch im Interview der Frankfurter Allgemeinen Zeitung (FAZ). Deshalb würden einzelne Personen zu Helden stilisiert.
Von Jörn Schumacher
Orientierungslos? Die Soziologin Cornelia Koppetsch spricht im Interivew der FAZ über Enttäuschungen von Ansprüchen

Zorn auf gesellschaftliche Eliten wie Politiker sei oftmals das letzte Glied einer langen Kette von Emotionen, die sich über Ressentiments Bahn brechen. Das erklärte die Soziologin Cornelia Koppetsch der Frankfurter Allgemeinen Zeitung. Koppetsch lehrt als ordentliche Professorin an der Technischen Universität Darmstadt. Man könne das „auf die Enttäuschung von Ansprüchen zurückführen, die zwar stimuliert, aber nicht erfüllt“ würden. Die Enttäuschung werde dann auf die Politik übertragen.

Koppetsch macht zudem eine „politische Orientierungskrise“ aus, die entstehe, „wenn ich ernsthaft über die Konsequenzen vermeintlich eindeutiger moralischer Haltungen nachdenke und dabei auf unüberwindbare Widersprüche stoße“. Das verdeutlichte sie anhand der Fluchtproblematik im Mittelmeer: „Aus politischen und humanitären Gründen wäre Europa eigentlich zum Eingreifen verpflichtet. Das Mindeste wäre, für menschenwürdige Bedingungen in den Lagern zu sorgen. Stattdessen wird der Konflikt entweder totgeschwiegen oder auf einzelne Rettungsaktionen und Personen wie die Kapitänin Carola Rackete reduziert.“ Das lenke davon ab, dass man eine Antwort auf die grundsätzliche Frage brauche, wie Europa mit Migration und Asyl umgeht.

Auf der richtigen Seite stehen

Die Lösung dieses Konfliktes könne nicht in der Rettung von einzelnen Personen bestehen. „In Wirklichkeit wollen ja Hunderte Millionen nach Europa. So viele Menschen wollen die Liberalen natürlich auch nicht aufnehmen, können das aber nicht offen sagen, ohne inkonsequent zu wirken.“

Aus dem Wunsch heraus, auf der moralisch richtigen Seite zu stehen, schaffe man sich emotional aufgeladene Heldenfiguren. „Das können auch oder gerade fragile Gestalten wie Greta Thunberg sein, die nicht dem Leitbild des makellosen unternehmerischen Selbst entsprechen. Man könnte den Wandel auch an Robert Habeck festmachen, der sich ja nicht als neoliberaler Strahlemann, sondern als nahbarer Mensch präsentiert.“

Von: Jörn Schumacher

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