Vikare klagen Menschenrechtsverletzungen in China an

Vikare des Predigerseminars Wittenberg kritisieren in einem offenen Brief einen Besuch des Vizestaatspräsidenten der Volksrepublik China in der Schlosskirche der Stadt. Dass Politik und Kirche zu Menschenrechtsverletzungen in dem Land schwiegen, finden sie unbedacht.
Von Norbert Schäfer
Die Tür der Wittenberger Schlosskirche. Hier hat Martin Luther der Überlieferung nach 1517 seine 95 Thesen angeschlagen.

Vikare des Predigerseminars Wittenberg kritisieren in einem offenen Brief einen Besuch des Vizestaatspräsidenten der Volksrepublik China, Wang Qishan, in der Wittenberger Schlosskirche. Dass Repräsentanten von Kirche und Politik bei dem Besuch zu den Menschenrechtsverletzungen in dem asiatischen Land geschwiegen hätten, halten die Vikare für „unverantwortlich“.

Die Vikare bemängeln auch, dass bei dem Empfang des chinesischen Gastes „nicht die christlichen Werte“ ausreichend vertreten worden seien, darunter das Recht auf freie Meinungsäußerung. „Gerade in Ostdeutschland sollte Kirche sensibel gegenüber Vereinnahmung und Machtausübung durch autoritäre Regime sein“, schreiben die Vikare in dem offenen Brief, den die mitteldeutsche Kirchenzeitung Glaube und Heimat am Dienstag veröffentlicht hat.

Der Hintergrund

Die angehenden Pfarrer sind darüber verärgert, dass bei dem Besuch am 1. Juni der Platz vor der historischen Schlosskirche abgesperrt und währenddessen die Kirche weder für Gebete noch für Besichtigungen zugänglich gewesen sei. Die Vikare zeigten sich „empört“ darüber, dass ein Banner, das die Verfolgung von Christen in dem Land anmahnte, von der Polizei beschlagnahmt wurde. Auf dem Transparent war eigenen Angaben zufolge zu lesen: „Stop persecuting our Brothers and Sisters!“ („Beenden Sie die Verfolgung unserer Brüder und Schwestern!“). Die Vikare erkennen darin eine Beschneidung ihres Rechts auf freie Meinungsäußerung.

Nun wollen die Vikare in dem offenen Brief von der Evangelischen Kirche in Deutschland (EKD), dem Bundesland Sachsen-Anhalt, der Lutherstadt Wittenberg und der Schlosskirchengemeinde wissen, wie es sein könne, „dass unser Grundrecht auf freie Meinungsäußerung nur so lange gilt, bis ein Repräsentant eines autoritären Regimes zugegen ist“, und ob die „Polizei sich rechtmäßig Zutritt zum Evangelischen Predigerseminar Wittenberg verschafft hat“.

Die EKD, seit dem Reformationsjahr 2017 Eigentümerin der Schlosskirche, teilte auf Anfrage mit, dass sie „zu offenen Briefen generell nicht öffentlich Stellung“ nehme. Der stellvertretende Regierungssprecher der Staatskanzlei Sachsen-Anhalts, Gerhard Gunkel, erklärte auf Anfrage von pro, dass die Beflaggung vom Protokoll vorgeschrieben werde. Vizestaatspräsident Wang Qishan sei auf Einladung von Außenminister Heiko Maas als Gast der Bundesregierung in Deutschland gewesen, unter anderem zu Gesprächen mit der Kanzlerin und dem Bundespräsidenten. Entsprechend habe sich die Staatskanzlei an die protokollarischen Ehren für hochrangige ausländische Politiker zu halten.

Die 15 unterzeichnenden Vikare stoßen sich in dem offenen Brief auch daran, dass zu dem Besuch Nationalflaggen vor der Kirche aufgezogen wurden. „Staatsflaggen gehören nicht vor die Kirchentür! Wir lehnen die Vereinnahmung kirchlichen Raums als Kulisse politischer Inszenierung strikt ab“, stellen die angehenden Pfarrer fest. Auch, dass für den chinesischen Staatsmann, der bei einem „Privatbesuch“ in der Stadt geweilt habe, ein roter Teppich bis in die Kirche ausgerollt wurde, stört sie. Sie schreiben: „In einem Gotteshaus ist jede und jeder willkommen. Keinem Menschen gebührt es, dafür extra einen roten Teppich ausgerollt zu bekommen!“

Von: Norbert Schäfer

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