Brasilianischer Physiker erhält Templeton Prize

Der Theoretische Physiker und Astrophysiker Marcelo Gleiser wird mit dem Templeton Prize ausgezeichnet. Als erster Lateinamerikaner erhält der in Brasilien geborene Forscher den Preis für sein Eintreten für die Verbindung von Naturwissenschaft und Spiritualität.
Von Jörn Schumacher
Der mit dem Templeton Prize ausgezeichnete Physiker Marcelo Gleiser ist überzeugt: Atheismus ist auch Glaube

Der aus Brasilien stammende Physiker Marcelo Gleiser ist Professor für Naturphilosophie sowie für Physik und Astronomie am Dartmouth College in Hanover, New Hampshire. Er ist Autor zahlreicher Bücher, Essays und tritt in Fernsehdokumentationen auf. Er erhält den Templeton Prize nach Aussage der Jury dafür, dass er öffentlich dafür eintritt, Naturwissenschaft, Philosophie und Spiritualität könnten gemeinsame Ausdrucksformen des menschlichen Wunsches sein, das Ungeklärte aufzudecken.

Der 60-jährige Gleiser präsentiere Wissenschaft „als spirituelles Unterfangen, um den Ursprung des Universums und des Lebens auf der Erde zu verstehen“, teilte das Komitee mit. Seit 35 Jahren forscht Gleiser auf unterschiedlichen Gebieten, wie etwa Quantenfeldern, Elementarteilchen, die Entstehung des Universums, Astrobiologie und Informationswissenschaft. In seinem Heimatland sind viele seiner Bücher Bestseller und seine Fernsehsendungen sehr populär. Gleiser ist der erste Lateinamerikaner, der mit dem Templeton Prize ausgezeichnet wird.

Der Templeton Prize ist dotiert mit umgerechnet 1,2 Millionen Euro. Die Jury ehrt damit Menschen, die einen außerordentlichen Beitrag zur Erforschung der spirituellen Dimension des Lebens geleistet haben. Sei es durch besondere Erkenntnisse, Forschungsarbeit oder praktische Arbeiten. Bisherige Preisträger waren der Dalai Lama, Desmond Tutu und Mutter Teresa. Im vergangenen Jahr erhielt den Preis König Abdullah II. von Jordanien für sein Bemühen, einen friedlichen Austausch zwischen dem Islam und anderen Religionen zu fördern.

Die John Templeton Foundation hat ihren Sitz in West Conshohocken, Pennsylvania. Sie wurde 1972 vom Investor und Philantropen Sir John Templeton gegründet. Die Stiftung fördert nach eigener Aussage Menschen, die auf Gebieten wie Komplexität, Evolution, Vergebung und freier Wille forschen.

„Atheismus ist wissenschaftlich nicht konsistent“

In seiner Begründung für die Wahl von Gleiser erklärte Evan Thompson, Professor für Philosophie an der Universität von British Columbia, der Forscher habe ein Bild von der Menschheit, das niemanden ausschließe. Er bringe Menschen aus verschiedenen Kulturen und religiösen Hintergründen zusammen zu einem „globalen Austausch darüber, wie wichtig es ist, alte Stereotypen zu verlassen“.

Marcelo Gleiser wurde in Rio de Janeiro geboren und wuchs in einer jüdischen Gemeinschaft auf. Er studierte bis 1981 Physik an der katholischen Universität von Rio de Janeiro. Danach studierte er am King’s College in London. Im Alter von 32 wurde er Assistenzprofessor für Physik und Astronomie am Dartmouth College und im Alter von 39 ordentlicher Professor. Er selbst beschreibt sich als Agnostiker, aber auch als „Nicht-Atheisten“.

In seiner auf Video aufgezeichneten Dankesrede sagte Gleiser: „Beim wissenschaftlichen Verstehen und der wissenschaftlichen Erklärung geht es nicht nur um den materiellen Aspekt der Welt. Ich sehe meine Aufgabe darin, der Wissenschaft und den Menschen, die sich dafür interessieren, den geheimnisvollen Aspekt wieder zurückzubringen, damit die Menschen versehen, dass Wissenschaft nur ein Weg ist, das Geheimnis zu lösen, wer wir sind.“

Gleiser sagte vor einem Jahr in einem Interview des Magazins Scientific American: „Für mich ist Atheismus inkonsequent, was die wissenschaftliche Methode angeht, denn er ist sozusagen der Glaube an das Nichtglauben. Vielleicht glaubt jemand nicht an Gott, aber die Nichtexistenz Gottes mit Sicherheit zu behaupten, ist nicht wissenschaftlich konsistent.“ In einem Interview der französischen Nachrichtenagentur AFP sagte Gleiser: „Ich bewahre mir einen offenen Geist, denn ich weiß, dass der menschliche Geist beschränkt ist.“ Wenn es um die Entstehung des Universums geht, gerate man irgendwann an einen Punkt, an dem man in der Kausalkette nicht weiterkomme.

Angesprochen auf die Schöpfungsgeschichte der Bibel, nach der Gott die Welt in sechs Tagen erschaffen hat, sagt Gleiser: „Manche erklären die Wissenschaft zu ihrem Feind (…), weil sie sehr antiquiert über Wissenschaft und Religion denken. Sie vermuten, die Wissenschaftler wollen alle Gott töten.“ Gleiser kritisiert die so genannten „neuen Atheisten“ wie den Buchautor Richard Dawkins oder den verstorbenen Journalisten Christopher Hitchens, die so täten, als sei die Wissenschaft der Feind der Religion. Gleiser erklärte: „Wenn Sie etwas hören wie: Die Kosmologie hat den Ursprung des Universums erforscht, und wir bräuchten Gott nicht mehr, ist das kompletter Unsinn.“

Der Templeton Prize wird bei einer Zeremonie im Metropolitan Museum of Art in New York City am 29. Mai überreicht.

Von: Jörn Schumacher

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