Forscher spielen in den Medien eher Baumeister als Gott

Dass Forscher „Gott spielen“, wenn sie ins Erbgut von Zellen eingreifen oder diese künstlich herstellen – dieser Vorwurf ist oft zu hören. Doch in der Berichterstattung darüber sind religiöse Metaphern seltener als andere. Zu diesem Ergebnis kommt eine neue Studie. Wenn Journalisten solche Bilder verwenden, drücken sie damit vor allem Ängste aus.
Von PRO
Die synthetische Biologie wird gern mit religiösen Metaphern belegt – allerdings sind andere Vergleiche häufiger

Die synthetische Biologie ist einer der kühnsten – und umstrittensten – Forschungsbereiche der gesamten Naturwissenschaft. Dabei geht es darum, biologische Systeme künstlich zu herzustellen, DNA-Stränge etwa, Moleküle oder ganze Zellen. Entsprechend kontrovers wird das Thema in den Medien behandelt. Dort fallen religiös konnotierte Wendungen wie „Gott spielen“ allerdings nicht so häufig, wie mancher wohl vermuten würde.

Zumindest waren der Theologe Peter Dabrock und sein Team über dieses Ergebnis ihrer Studie überrascht: Sie untersuchten, welche Wendungen und Sprachbilder die Medien verwenden, um den Bereich der synthetischen Biologie zu beschreiben, und welche Funktion sie haben. Die religiöse Sprache spiele dabei eine überraschend geringe Rolle, befinden sie.

Von Interesse ist für die Untersuchung weniger die Biologie an sich, sondern vor allem, inwiefern sie in der öffentlichen Wahrnehmung mit theologischen und weltanschaulichen Fragen verknüpft ist. Die Sprache forme die öffentliche Meinung und beeinflusse entscheidend, was die Gesellschaft über synthetische Biologie denke. Eine Metapher sei nicht allein ein Sprachbild, sondern ein „Sprechakt“, der neben dem offenkundigen Vergleich auch unterschwellig eine Bedeutung vermittle. Insofern sei die Studie auch für Biologen selbst und deren Arbeit relevant.

Religiöse Metaphern oft emotional aufgeladen

Dabrock lehrt systematische Theologie mit Schwerpunkt Ethik an der Universität Erlangen-Nürnberg und ist Vorsitzender des Deutschen Ethikrats. Ein besonderes Interesse hat er an der Bioethik. Er und sein Team untersuchten knapp 12.000 Artikel zum Thema aus verschiedenen deutsch- wie englischsprachigen Medien daraufhin, wie viele und welche Metaphern sie enthalten. Die Texte stammen aus dem Zeitraum von 2004 bis 2015. Der Studie zufolge drehen sich die gefundenen Sprachbilder in erster Linie um die Neuheit der biologischen Innovationen und erst danach um deren Bedeutung für das eigene Weltbild, also etwa die Sorge, die Wissenschaft könne in die Schöpfung Gottes eingreifen.

Das zeige sich schon daran, dass am häufigsten neutrale Metaphern aus dem Bau- und Ingenieurswesen verwendet worden seien, wenn zum Beispiel vom „Gerüst“ der DNA oder von einer Zelle als „aus Bausteinen konstruiert“ gesprochen werde. Von „Leben erschaffen“ sei dagegen deutlich seltener die Rede. Wann immer solche religiösen Bilder vorkämen, deute dies möglicherweise darauf hin, dass Menschen durch die neuen Technologien in ihrem Weltbild erschüttert werden. Dabei brächen altbekannte Unterscheidungen, etwa zwischen „echt“ und „künstlich“ oder „lebendig“ und „synthetisch“, auf.

Entsprechend seien diese Bilder oft emotional aufgeladen und von Ängsten gekennzeichnet. Besonders gravierend sei dies im Fall der so genannten „Frankenstein-Szenarien“. Wann immer die Medien Biologen mit Frankenstein vergleichen, sei anzunehmen, dass die Angst davor besonders groß sei, die Forscher könnten gewisse natur- oder gottgegebene Grenzen übertreten. Frankenstein ist der namensgebende Protagonist eines Romans der Engländerin Mary Shelley von 1818, in dem der Wissenschaftler Leben erschaffen will und ein Monster kreiert.

Mehr religiöse Metaphern im Deutschen

Die religiösen Metaphern „Gott spielen“, „der Mensch als Schöpfer“ und vor allem „Leben schaffen“ oder „Leben kreieren“ kommen der Studie zufolge am häufigsten in der Berichterstattung über synthetische Biologie vor. Letztere sei in den deutschsprachigen Medien noch um einiges häufiger zu finden als in den englischen.

Diese Tendenz treffe auch insgesamt zu: Während rund 20 Prozent der deutschsprachigen Artikel zum Thema religiöse Sprachbilder verwenden, sind es unter den englischen lediglich etwa fünf Prozent. Das zeige, wie unterschiedlich die synthetische Biologie in den beiden Sprachräumen wahrgenommen werde. Demnach betone der deutschsprachige Raum stärker das Veränderungspotential, das die synthetische Biologie mit sich bringe – zum Positiven wie zum Negativen.

So steige die Verwendung religiöser Metaphern noch einmal deutlich an, wenn es in der Wissenschaft bahnbrechende Ereignisse gebe. Als es etwa im Jahr 2010 dem amerikanischen Biochemiker Craig Venter und seinem Team erstmals gelang, ein künstliches lebensfähiges Bakterium zu schaffen, verdreifachte sich das Aufkommen der Metaphern beinahe.

Metaphern relativieren und drücken Ängste aus

Religiöse Metaphern haben laut der Studie in diesem Zusammenhang drei Funktionen. Erstens dienten sie dazu, Ängste und Unbehagen angesichts des Fortschritts der synthetischen Biologie auszudrücken, wie etwa im „Frankenstein-Szenario“. Die Metaphern griffen dabei in religiöser Sprache potentielle Gefahren und ethische Bedenken auf. Allerdings stehe hinter der theologischen Sprache kein eigentlich theologischer Inhalt mehr. Spreche ein Text etwa von „Gott spielen“, stecke in den meisten Fällen kein schöpfungstheologischer Standpunkt des Autors dahinter, dem ein solches „Spielen“ entgegenstehe. Vielmehr seien solche Bilder schlicht Teil des kulturellen Wortschatzes, ein Bewusstsein über ihre Bedeutung jedoch nur teilweise vorhanden.

Zweitens würden die Metaphern verwendet, um die Erfolge der synthetischen Biologie zu relativieren und diese in kritischer Distanz zu betrachten. Dazu dienten vor allem Ausdrücke wie „Gott spielen“. In solchen Zusammenhängen werde auch oft von „Nachahmungen“ echten Lebens gesprochen.

Drittens sei die religiöse Sprache auch einfach gut geeignet, um Aufmerksamkeit zu erregen und den Leser in den Text zu ziehen. So titelte etwa die Financial Times Deutschland, als Craig Venter sein Bakterium erschuf: „Und Craig sah, dass es gut war“.

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