Unis schließen Christen aus

Das Klima an Deutschlands Universitäten wird religionsfeindlicher. Die Studentenmission in Deutschland (SMD) hat dutzende Fälle dokumentiert, in denen Studentenverwaltungen frommen Organisationen die Zusammenarbeit aufgekündigt haben. Oft mit dem Argument, Glaube habe an der Hochschule nichts verloren.
Von Anna Lutz
Verdrängung des Religiösen: Deutsche Universitäten schließen Gebetsräume und christliche Gruppen dürfen nicht mehr für sich werben

Sie heißen Campus für Christus, Studentenmission in Deutschland (SMD) oder Evangelische Studierendengemeinde (ESG) und haben eigentlich nichts Schlimmes im Sinn: Flyer für eigene Veranstaltungen verteilen, im Winter warmen Kaffee an die Studenten ausschenken und mit dem ein oder anderen über den Glauben ins Gespräch kommen – die Arbeit der verschiedenen christlichen Studentengruppen sieht ähnlich aus. Doch an immer mehr Universitäten in Deutschland werden den jungen Menschen Aktivitäten auf dem Campus oder die Anmietung von Räumen verwehrt.

So erlebte es Elisa Fuchs. Die 24-Jährige studiert Interkulturelle Kommunikation an der TU Chemnitz und leitete zeitweise eine SMD-Gruppe an ihrer Hochschule. „Der Name SMD ist kaum gefallen, da gab es schon Einwände“, berichtet sie aus einer Sitzung des Studentenrats im März. In regelmäßigen Abständen müssen sich Studentengruppen, die an Universitäten aktiv sein wollen, ihr Engagement neu genehmigen lassen, der Vorgang nennt sich Akkreditierung. Die Entscheidung darüber, ob die Akkreditierung gewährt wird oder nicht, obliegt den studentischen Selbstverwaltungen, also Studentenrat, kurz Stura, oder Allegemeinem Studierendenausschuss, kurz Asta. In Chemnitz entschied der Stura schließlich: Es soll kein offizieller Platz mehr sein für die SMD. Laut Fuchs wurden zwei Gründe genannt. Religion habe keinen Raum an der Hochschule. Auch die Frage nach dem Umgang mit Homosexualität sei gestellt worden. Offenbar ging der Stura davon aus, dass die Christen dem Thema kritisch gegenüberstehen.

„Bei uns wurde noch nie jemand ausgeschlossen“, erklärt Fuchs im Gespräch mit pro. Das habe sie auch damals geantwortet, akkreditiert wurde die SMD dennoch nicht. Das Flyern ist den Christen seit diesem Tag auf dem Campus untersagt. In der darauffolgenden Sitzung des Stura ereilte die ESG dasselbe Schicksal. Wer den Stura nach seinen Gründen für die Ablehnung fragt, steht vor verschlossenen Türen. Einsicht in das Protokoll der Sitzung sei eingeschriebenen Studenten vorbehalten, eine mündliche Wiedergabe des Sitzungsverlaufs werde den Beteiligten nicht gerecht, erklärt die Studentenvertretung auf Anfrage von pro schriftlich. Ein Telefonat zur Sache lehnt der Stura ab, verwahrt sich aber gegen den Vorwurf der Religionsfeindlichkeit. Die Universität selbst erklärt, sie bekenne sich ausdrücklich zum Grundsatz der Religionsfreiheit. An der TU Chemnitz gibt es derzeit keine akkreditierte evangelische Hochschulgruppe.

30 Fälle dokumentiert

Chemnitz ist kein Einzelfall. Fabian Mederacke ist seit vier Jahren als Referent für die Arbeit der SMD in Anhalt, Sachsen und Thüringen zuständig. Deutschlandweit hat er in dieser Zeit 30 Fälle von Nichtakkreditierung an Universitäten dokumentiert. Die Liste reicht von Berlin über Darmstadt bis nach Regensburg. Laut SMD äußern die Studentenvertretungen die immer gleichen Vorwürfe: Religion oder Mission soll keinen Platz im wissenschaftlichen Raum der Hochschule haben, erst recht keine konservative Orientierung. Tatsächlich gibt es in den Landeshochschulgesetzen keine klaren Regelungen hinsichtlich der Zulassung. Wer offiziell akkreditiert wird, liegt vor allem im Ermessen von Stura oder Asta.

Verbote treffen nicht nur Christen. In Berlin schloss die Technische Universität im März 2016 alle Gebetsräume. Auslöser war ein Freitagsgebet muslimischer Studenten, das derart viele Gäste anzog, dass die Uni-Leitung sich gezwungen sah, die Aktivität zu unterbinden. Mit Verweis auf das grundgesetzliche Neutralitätsgebot des Staates teilte TU-Präsident Christian Thomsen damals mit: „Eine staatliche Universität ist ein weltanschaulich neutraler und unparteiischer Ort, an dem der wissenschaftliche Diskurs im Mittelpunkt steht. Er ist kein Ort für die Religionsausübung.“

Der evangelische Landesbischof Markus Dröge reagierte darauf mit einem offenen Brief, in dem er der Hochschule eine Einschränkung der Religionsfreiheit vorwarf. Öffentliche Gebetsräume seien in Berlin völlig normal. „Die Kapelle im Olympiastadion zum Beispiel erfreut sich großer Beliebtheit. Fast jedes Krankenhaus verfügt über Gebetsräume. Und der Flughafen BER ist zwar noch nicht eröffnet, verfügt aber bereits jetzt über eine funktionstüchtige Kapelle. Alles öffentliche Räume, in denen die freie Religionsausübung selbstverständlich ihren Platz hat“, konterte Dröge. Die Gebetsräume blieben dennoch geschlossen – für Muslime greift das Verbot ebenso wie für Christen. In einem Interview von pro beklagt auch der Leiter von „Campus für Christus“ in Deutschland, Clemens Schweiger: „An den Universitäten ist die Atmosphäre deutlich antichristlicher geworden. Wir bekommen als christliche Organisation kaum noch Räume.“ Häufig heiße es, wer Christen einen Raum biete, müsse auch Muslimen und Islamisten einen geben. „Der christliche Glaube wird ins Private gedrängt“, warnt Schweiger.

„An den Universitäten ist die Atmosphäre deutlich antichristlicher geworden.“

Diese Gefahr sieht auch Birgit Bergmann, CDU-Abgeordnete in Bremen. An der dortigen Universität wurde 2015 die christliche Gruppe „Navigatoren“ nicht akkreditiert. Laut Sitzungsprotokoll begründet der Asta die Entscheidung mit deren Verbindung zur Deutschen Evangelischen Allianz, unter deren Dach sich evangelikale Gemeinden und Gruppen treffen. „Die Evangelische Allianz ist ein bundesweites Netzwerk, das maßgeblich an dem homophoben und antifeministischen ‚Marsch für das Leben‘ beteiligt ist und Demonstrationen der ‚Besorgten Eltern‘ unterstützt, die sich gegen Sexuelle Vielfalt aussprechen“, heißt es im Protokoll, das pro vorliegt. Die Ablehnung erfolgte einstimmig.

Bergmann kritisiert im Gespräch mit pro eine aggressive Grundhaltung der Studentenvertretungen gegenüber Christen. Sie würden unter Generalverdacht gestellt und im konkreten Fall werde einer demokratiekonformen Gruppe der Zugang verwehrt: „Bunt heißt an der Uni von kommunistisch nach grün – alles andere wird pauschal als rechts diffamiert.“ Die Hochschulleitungen hielten sich aus der Sache raus und ließen gläubige Menschen deshalb alleine. Sie sehe, dass religiöse Studenten oft gar keinen Kontakt mehr zu Unigrupppen aufbauten und ihren Glauben stattdessen alleine zu Hause lebten. „Das ist eine Verdrängung der Religion aus der Öffentlichkeit“, ist sie überzeugt und wünscht sich von den Hochschulen eine Selbstverpflichtung zur Zulassung all jener Gruppen, die sich den Menschenrechten und der Demokratie verpflichteten. „Wir brauchen eine bunte Vielfalt und nicht einseitige Dominanz“, sagt sie.

SMD-Referent Fabian Mederacke hat derweil ein Strategiepapier für den Umgang mit Ablehnungen durch Hochschulgremien erstellt. Darin erklärt er, das Zurückdrängen der Studentengruppen sei nicht mit der grundgesetzlichen Religionsfreiheit vereinbar. Statt Organisationen nicht zu akkreditieren, sollten die Universitäten von allen eine Selbstverpflichtung zum respektvollen Umgang und ein Bekenntnis zur Verfassung und zur Demokratie einfordern. Außerdem sieht er die Kultusministerkonferenz in der Pflicht, sich des Themas anzunehmen. Denn Mederacke ist sich sicher: „Religion und deren Wertevermittlung sind Bestandteil des Bildungsauftrages von Hochschulen. Daher sollten religiöse Gruppen sich im öffentlichen Campusleben präsentieren.“

Dieser Artikel stammt aus der aktuellen Ausgabe 6/2017 des Christlichen Medienmagazins pro. Bestellen Sie pro kostenlos und unverbindlich unter Telefon 06441-915-151, per E-Mail an info@kep.de oder online.

Von: Anna Lutz

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Eine Antwort

  1. Ich bin auch dafür, dass eine religiöse Neutralität eingehalten wird. Das ist aber nicht möglich weil es ja überall Frauen mit Kopftuch gibt die den Islam repräsentieren, wohingegen es dem christlichen Studenten dann nicht möglich ist mit Kreuzen gegen zu rüsten. Der christliche Glaube ist das Wort nicht die Symbolik. Jemanden das Wort zu verbieten ist unchristlich. Wenn man sich an christliche Regel hält liebe Gott über alles und deinen Nächsten wie dich selbst , dann dürfte doch niemand sich der Liebe verschließen. Man könnte vielleicht auf eigene Räume verzichten und sich einen mobilen Wagen aufstellen und der Universität versichern , dass keine Ausgrenzung oder Deformierung zu bestimmen Gruppen erfolgt. Auf jeden Fall sollten Christen nicht stumm geschaltet werden durch Ausgrenzung.

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