Sie kommen, um zu helfen

Freiwillige Hilfseinsätze in Entwicklungsländern schaden mehr, als dass sie nutzen, meint zumindest eine Redakteurin der Frankfurter Allgemeinen Zeitung. Viele christliche Werke sehen das anders: Sie setzen auf nachhaltige Projekte.
Von PRO
Ein Hilfsprojekt der Liebenzeller Mission in Malawi: Viele Projekte christlicher Organisationen setzen auf Nachhaltigkeit

Für viele Abiturienten führt der Weg zum Studium über das Ausland. Lebenserfahrung sammeln, ist das Ziel. Für ein halbes Jahr oder Jahr fliegen sie in ein Entwicklungsland, unterrichten dort an Schulen, bauen Häuser oder Brunnen. Alles angegliedert an eine Organisation, die die Projekte dort leitet und Jahr für Jahr auf die tatkräftige Unterstützung zählen kann. Die Mischung aus Urlaubsreise und einem Freiwilligendienst nennt man Voluntourismus, nicht selten mit negativem Unterton. Und weil es eine Feel-Good-Stimmung hervorruft, posten die Helfer bei ihrem Auslandseinsatz gleich noch ein Foto von ihrem zweckmäßigen Tagwerk.

Die jungen Menschen kommen meist gerade aus der Schule, unterrichten auf einmal selbst Kinder an den Schulen dort. Eine pädagogische Ausbildung haben sie nicht. In Deutschland wäre das Modell nur schwer denkbar, aber in Afrika geht es. Ob das nachhaltig ist, fragt Bettina Wolff, Autorin der Frankfurter Allgemeinen Zeitung (FAZ) in ihrem Artikel. Wenn ein Einheimischer den Schulbau in seinem Dorf organisiere, könne er möglicherweise sogar noch seine Familie ernähren. Dazu kommt, dass die Helfer nach kurzer Zeit wieder abreisten. Emotionale Bindungen, die die einheimischen Kinder zu ihnen aufgebaut haben, sind schlagartig beendet. Schadet es nicht viel mehr, als dass es dem Menschen vor Ort hilft?

Seriöse Organisationen auswählen

Das Problem des Voluntourismus, wie es in der FAZ beschrieben ist, sei reell, sagte Silke Sauer von der international tätigen Organisation Wycliff gegenüber pro. Die meisten der christlichen Entwicklungsorganisationen beteiligten sich nicht an dieser Art von Voluntourismus. „Kurzzeiteinsätze für junge Leute sind meist in die lokale Gemeindearbeit vor Ort eingebunden und von erfahrenen Mitarbeitern begleitet, die in der dortigen Gesellschaft verwurzelt sind, die Sprache sprechen und die Kultur kennen.“

Auch Detlef Blöcher von der DMG interpersonal e.V. weiß um die Problematik und wünscht eine grundsätzlich differenziertere Sichtweise. Unterschieden werden müsse in der Art dieser Einsätze, betont er. Denn es gebe neben undurchsichtigen Mikroeinsätzen einiger Organisationen auch einwöchige Einsätze bis hin zu zwölfmonatigen Freiwilligendiensten oder eben auch sorgfältige und langfristig geplante Programme.

Genau in diesem Punkt unterschieden sich die seriösen von den nicht-seriösen Organisationen, sagte Christoph Kiess von der Liebenzeller Mission: „Wenn zum Beispiel von der Liebenzeller Mission ein neuer Einsatz in einem Land begonnen wird, dann ist das kein Geistesblitz eines Mitarbeiters in der Zentrale in Deutschland, sondern die Einladung eines einheimischen Partners“, erklärt er. „Nachhaltigkeit entsteht dann, wenn der Partner sich darauf verlassen kann, dass sein Gegenüber sich auch dann für ihn einsetzt, wenn nicht gleich alles rund läuft – und wenn er ein Interesse daran hat, dass die Einheimischen langfristig vom Projekt profitieren und es zu ‚ihrem‘ Projekt machen.“ Dazu gehöre gerade, dass die Projekte mit einheimischen Partnern gemeinsam entwickelt werden.

„Mal kurz die Welt retten?“

Doch genau darin sehen Kritiker ein Problem. In der FAZ sagt der Direktor des Instituts für Wirtschaftswissenschaften der Universität Heidelberg, Axel Dreher, dass das Konzept des Voluntourismus dem des Kolonialsystems gleiche, nämlich der Idee, dass die Menschen aus dem Westen immer alles besser wüssten. Die „Weißen“ erklären den Einheimischen, wie sie ein Haus bauen, wie sie einen Garten bewässern, wie sie lernen müssen. Sie leiten an, der Einheimische führt aus. Dreher sieht darin ein „Parallelsystem“, das nicht immer effizient sei. So könnten gut durchdachte Entwicklungsprogramme an Schulen beispielweise die zuständige Regierung behindern, selbst in das Bildungswesen.

Zwar seien die Folgen der Kolonialzeit dort noch immer zu spüren, erklärt hingegen Blöcher, doch kommen die Freiwilligen nicht als Besserwisser, Reiche, Überlebende, sondern bewusst als Lernende. In den meisten christlichen Organisationen durchlaufen diese nämlich eine sorgfältige Vorbereitung, die ihnen nicht nur landesspezifische Fakten näherbringt. Vielmehr erhalten sie dort auch erste Einblicke von geschultem Personal in die kulturellen Begebenheiten und die Lebensweise der Einheimischen. Um einen guten Austausch zwischen den Mitarbeitern der Organisationen und den Einheimischen zu fördern, bringt die DMG ihre Mitarbeiter unter anderem auch bei einheimischen Familien unter.

In der Vorbereitungszeit auf ihre Einsätze sollen die Helfer ein möglichst realistisches Bild der Situation vor Ort bekommen, auch zum eigenen Schutz. Denn Enttäuschungen bleiben nicht aus. „Mal kurz die Welt retten, geht mit einem Kurzeinsatz natürlich nicht“, resümiert Kiess von der Liebenzeller Mission. „Aber nachhaltig helfen kann man schon!“ (pro)

Von: ak

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