„Überarbeitung der Luther-Bibel hatte falschen Ansatz“

Die Bibelübersetzung Martin Luthers erreichte zu dessen Zeit zwölf bis 15 Millionen Menschen. Diese Zahl bezeichnet der Sprach- und Literaturwissenschaftler Karl-Heinz Göttert gegenüber dem Deutschlandfunk als gigantisch. In seinem neuen Buch „Luthers Bibel – Geschichte einer feindlichen Übernahme“ setzt er sich philologisch mit dem Reformator auseinander.
Von Johannes Blöcher-Weil
Der Sprach- und Literaturwissenschafler Karl-Heinz Göttert hat Martin Luther aus philologischer Sicht analysiert

Der Reformator Martin Luther hat mit seinen Bibelübersetzungen die deutsche Sprache massiv beeinflusst. Wissenschaftler gehen davon aus, dass es damals eine halbe Million Bibeln gab, die zwölf bis 15 Millionen Menschen erreichten. Diese Zahlen auf heute übertragen, bezeichnet der Mediävist Karl-Heinz Göttert im Gespräch mit dem Deutschlandfunk als gigantisch. In seinem neuen Buch „Luthers Bibel – Geschichte einer feindlichen Übernahme“ analysiert der emeritierte Mediävistikprofessor Karl-Heinz Göttert Luther philologisch.

Luthers Sprache sei philologisch nicht sauber, aber trotzdem ein wichtiges Erbe: „Für viele war die Bibel das einzige Buch, das sie kannten, beziehungsweise besaßen“, verdeutlicht er. Die Lutherbibel hält Göttert für ein Identitätssymbol. Menschen kennen „einzelne Bibelsprüche und Psalmen im ,Luthersound‘: Die Luthersprache ist so stark ins Deutsche eingegangen, dass man sehr ungern auf sie verzichten will.“

Luther hat häufig interpretiert

In der Kirchengeschichte hätten sich die Machthaber vor Übersetzungen gefürchtet, weil dadurch Häresien entstehen konnten: „Genau dieses Argument kam auch bei Luther. Das ist gar nicht die Bibel, sondern das ist seine Bibel, womit die Katholiken damals übrigens recht hatten.“ Luther habe häufig stark interpretiert.

Für die deutsche Sprache in Wort und Schrift habe Luther eine ungeheure Bedeutung. Dies hätten mehrere Generationen von Wissenschaftlern herausgearbeitet. Luther zum Schöpfer der deutschen Sprache zu stilisieren, hält er für übertrieben. Luther habe eine bestimmte Theologie entwickelt und diese wolle er beweisen. „Dafür musste Luther die Bibel so übersetzen, dass die Interpretation rauskommt.“ Manchmal habe Luther eindeutige Übersetzungen theologischer Begriffe vermieden. „Iustitia dei“ etwa habe er nicht etwa als „die Gerechtigkeit Gottes“ übersetzt, sondern als „die Gerechtigkeit, die vor Gott gilt“: „Das kann man genial nennen und man kann es falsch nennen. Auf jeden Fall bietet es nicht eine philologisch saubere Übersetzung der Bibel.“

„Eine recht willkürliche Geschichte“

Die Überarbeitung der Luther-Bibel habe den falschen Ansatz gehabt, findet Göttert. Die Experten hätten gezeigt, wo und was man bei Luther alles korrigieren könnte. „Wenn wir die Bibel philologisch sauber gegenüber setzen, dann ist von Luther nichts mehr zu hören.“ Es sei die Frage, ob man Luthers Sprache erhalten oder philologisch sauber arbeiten solle. Indem man sich für die philologische Richtung entschieden habe, sei es eine „recht willkürliche Geschichte“ gewesen.

Göttert beobachtet, dass Bibelkenntnis insgesamt zurückgeht: „Andererseits ist unsere Kultur sehr stark davon geprägt. Vieles weise Bezüge zur Bibel oder der Mythologie auf: Also, es ist sehr schwer, in unserer Kultur zurecht zu kommen, wenn man keine Bibelkenntnis hat“, bilanziert Göttert. (pro)

Von: jw

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Eine Antwort

  1. Luther war ein Augustinermönch und hatte seine religiöse Kultur bei den Augustinern bekommen und gefestigt. Er übersetzte so wie alle christlichen übersetzer, egal in welcher Sprache. Hätte zu Luthers Zeit ein hebräischer (jüdischer) Übersetzer die Bibel ins Deutsche übersetzt, sähe diese ganz anders aus. Luthers Verständnis war zu sehr von der Katholischen Lehre der immerwährenden Gnade und Barmherzigkeit beeinflusst und somit war seine Übersetzung von Anfang an orientiert. Er hat den Galaterbrief sicherlich nicht aus dem griechischen Text übersetzt. Wäre es doch so gewesen, würde ich es wagen von mutwilliger fälschung seitens Luthers zu sprechen. Die heutigen Kirchen kennen die griechischen Texte, erkennen die Fehlübersetzungen, lassen diese aber stehen ohne sie zu korrigieren.

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