Tag der Menschenrechte: Kein Anlass zum Feiern

Vor 62 Jahren verabschiedeten die UN die Allgemeine Erklärung der Menschenrechte. Ist der 10. Dezember also ein Tag zum Feiern? Nein, meinen vor allem Experten für Religionsfreiheit. Noch immer leiden Millionen, weil eines der grundlegendsten Menschenrechte keine Beachtung findet.

Von PRO

Deutschland versinkt unter einer weißen Schneedecke, in den Kaufhäusern wimmelt es von Menschen, straßauf und straßab blinken und glitzern Häuserdekorationen – Weihnachten ist nicht mehr weit. Doch während der eine oder andere hierzulande sich noch an die behagliche verträumte Feier des vergangenen Jahres erinnert, birgt der Rückblick auf das Fest der Liebe für ägyptische Christen vor allem blanken Horror. Im Januar hatten Attentäter im Ort Nag Hamadi aus einem Auto in eine Menge koptischer Christen geschossen, die auf dem Weg zum für sie traditionellen Weihnachtsgottesdienst am 7. Januar waren. Acht Menschen starben, weitere wurden verletzt.

Das Verbrechen könnte ein Racheakt gewesen sein. Bereits im November – nach der mutmaßlichen Vergewaltigung eines zwölfjährigen muslimischen Mädchens durch einen Kopten – hatten muslimische Bewohner von Nag Hamadi und benachbarten Ortschaften Medienberichten zufolge fünf Tage lang randaliert und christliches Eigentum zerstört. Doch unabhängig vom Motiv gehört die Angst vor Gewalt zum täglichen Leben der Kopten in Ägypten. Immer wieder kommt es zu Übergriffen. Der koptische Bischof Anba Damian erklärte in einem Interview der Hilfsorganisation "Kirche in Not": "Wir sind eine Kirche von Märtyrern", und weiter: "Wir werden aufgrund unserer Religion in Ägypten verfolgt." Die Unterdrückung gehe nicht nur von radikalen Kräften aus, sondern werde auch vom Staat betrieben: "In Ägypten ist es beinahe schon kriminell, wenn man in einer privaten Wohnung beten will. Wer als Christ eine Wohnung oder ein Haus kaufen will, muss unterschreiben, dass er diese Immobilie niemals als Gebetsraum nutzen wird. So weit sind wir in Ägypten!", sagte der Bischof.

Religionsfreiheit zeigt, wie es um ein Land steht

Am Freitag begeht die Welt den Jahrestag der Allgemeinen Erklärung der Menschenrechte, die am 10. Dezember 1948 von der UN-Vollversammlung angenommen wurde. Gerade Christen dürfte an diesem Tag wenig zum Feiern zu Mute sein. "Amnesty International" geht davon aus, dass einem Drittel der Weltbevölkerung das Recht auf freie Meinungsäußerung und der ungehinderte Zugang zu Informationen verwehrt werden. 100 Millionen Christen, das schätzt das Hilfswerk "Open Doors", werden weltweit aufgrund ihres Glaubens verfolgt. "Religionsfreiheit ist ein kostbares Gut und ein Prüfstein für die Verwirklichung aller Menschenrechte in einem Staat", findet Daniel Ottenberg, Leiter des Referats Menschenrechte beim deutschen Zweig von "Open Doors". "Wenn man weiß, wie es in einem Land um die Religionsfreiheit steht, kann gut abgeleitet werden, wie es um die Menschenrechte im Allgemeinen bestellt ist."

Im vergangenen Jahr hat das Thema Christenverfolgung mehr denn je Beachtung in der deutschen Presse und Politik gefunden. Der Fall der pakistanischen Christin Asia Bibi rief sogar "Amnesty International" auf den Plan. Die 38-Jährige ist in ihrem Heimatland Pakistan entsprechend dem dort gültigen Blasphemiegesetz zum Tode verurteilt worden. Sie soll "Spiegel"-Informationen zufolge vor einer Menschenmenge bekannt haben: "Unser Christus ist der wahre Prophet Gottes, nicht euer Mohammed." Damit hat sie laut pakistanischem Gesetz die Staatsreligion beleidigt. Presseberichten zufolge erwägt die pakistanische Regierung nach internationalen Protesten gegen das Urteil, Bibi zu begnadigen. Ein muslimischer Vorbeter hat nach Informationen der "Deutschen Presse-Agentur" (dpa) nun ein Kopfgeld auf Bibi ausgesetzt. Demjenigen, der sie tötet, will er 500.000 Rupien, umgerechnet 4.342 Euro, zahlen.

"Gnadenloser Kampf gegen Christen"

Auch das Schicksal der Christen im Irak fand Beachtung. So berichtete etwa die "Welt" über den "gnadenlosen Kampf gegen die Christen" nach dem Sturz Sadam Husseins. Radikale Islamisten und Kriminellenbanden hätten dafür gesorgt, dass mittlerweile nur noch rund 200.000 Christen im Irak angesiedelt seien. Bald, so heißt es in einem von vielen Artikeln, werde das Christentum nur noch in historischem Sinne zum Irak gehören. Ende Oktober folgten Nachrichten eines Anschlages auf Christen in Bagdad. Während einer Abendmesse sollen fünf Terroristen in die syrisch-katholische Kirche "Sajjidat-al-Nadscha" eingedrungen sein. Medienberichten zufolge erschossen sie einen Priester und nahmen die Gottesdienstbesucher als Geiseln. Als die irakische Polizei die Kirche stürmen wollte, zündeten die Geiselnehmer ihre Sprengstoffgürtel. Dabei kamen mehr als 50 Menschen ums Leben und 70 wurden verletzt. Laut der Katholischen Nachrichten-Agentur (KNA) ist erst in der Nacht zum Montag erneut ein tödlicher Anschlag auf Christen verübt worden. Ein christliches Ehepaar soll in seinem Haus in der Hauptstadt Bagdad erstochen worden sein.

Die Christenverfolgung im Nahen Osten ist auch für Walter Flick, Referent für Religionsfreiheit bei der "Internationalen Gesellschaft für Menschenrechte" (IGFM), eines der drängendsten Probleme. In den vergangenen Jahren habe die Vertreibung von Christen deutlich zugenommen, manche islamisch-extremistischen Gruppierungen wollten sogar christenfreie Zonen einrichten. "Das Thema Christenverfolgung hat im vergangenen Jahr eindeutig mehr Aufmerksamkeit von Medien und Politik bekommen", sagt er gegenüber pro. Ein Bereich jedoch komme in der Öffentlichkeit zu kurz: "Die Christenverfolgung in Eritrea, Nordkorea oder China darf nicht in Vergessenheit geraten", erklärt er. "Dort sitzen tausende Christen in Gefängnissen, mehr als in irgendeinem islamischen Land."

Politik und Medien werden aufmerksam

Besonders das Leid verfolgter Christen in der Türkei rückte im vergangenen Jahr auf die Agenda der Bundesregierung. Sowohl der deutsche Innenminister Thomas de Maizière als auch der Unions-Fraktionsvorsitzende Volker Kauder reisten in das Land am Bosporus, um vor Ort mit bedrängten Gläubigen zu sprechen und sich für deren Rechte stark zu machen. Auch Außenminister Guido Westerwelle plädierte vor dem Menschenrechtsrat der Vereinten Nationen und dem Bundestag dafür, die Religionsfreiheit weltweit zu schützen. "Das friedliche Zusammenleben innerhalb einer Gesellschaft und der Völker untereinander wird nur gelingen, wenn wir die Religionsfreiheit und den Glauben als untrennbaren Teil unserer Identität anerkennen", sagte der Vizekanzler im März.

Max-Peter Stüssi, redaktioneller Mitarbeiter der Organisation "Christian Solidarity International" in der Schweiz, wünscht sich dennoch mehr mediale Beachtung des Themas Christenverfolgung. "Die größeren Zeitungen berichten zu wenig", erklärt er gegenüber pro, "und selbst wenn sie etwas bringen, geht es meist um die ethnischen Aspekte des Konflikts und nicht um das eigentliche Problem: die mangelnde Religionsfreiheit." Er fordert mehr ziviles Engagement: Christen sind noch immer die am meisten verfolgte Personengruppe auf der Welt. Dagegen müssen die Menschen Protestieren – mit Briefen und Appellen an Politiker und Regierungen. (pro)

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