Margot Käßmann: „Im Vertrauen auf Gottes Hilfe“

Margot Käßmann ist die neue Ratsvorsitzende der Evangelischen Kirche in Deutschland (EKD). Die Synode wählte die 51-Jährige am Mittwoch an die Spitze der knapp 25 Millionen evangelischen Christen in Deutschland. Die hannoversche Landesbischöfin ist damit die erste Frau in diesem Amt.
Von PRO

Käßmann erhielt bei der Wahl 132 von 142 Stimmen. Fünf Synodale stimmten gegen sie, vier enthielten sich, eine Stimme war ungültig. Ihr Amtsvorgänger Bischof Wolfgang Huber hatte aus Altersgründen nicht mehr kandidiert. "Im Vertrauen auf Gottes Hilfe nehme ich die Wahl an", sagte Käßmann nach der Wahl durch die EKD-Synode.

Käßmann machte ihr Abitur in Marburg/Lahn und studierte anschließend in Tübingen, Edinburgh, Göttingen und Marburg Theologie. 1985 erfolgte ihre Ordination als Pfarrerin. Nach der Promotion an der Ruhr-Universität Bochum war sie Beauftragte für den Kirchlichen Entwicklungsdienst in der Landeskirche Kurhessen-Waldeck, Studienleiterin der Evangelischen Akademie Hofgeismar und Generalsekretärin des Deutschen Evangelischen Kirchentages. 1999 wurde sie als erste Frau an die Spitze der Evangelisch-Lutherischen Landeskirche Hannover gewählt. 2006 erkrankte sie an Brustkrebs, 2007 ließ sie sich nach 26 Ehejahren von ihrem Mann scheiden und sorgte damit für bundesweite Schlagzeilen.

"Kinder und Erwachsene sollen wieder mehr beten"

Die Theologin tritt für eine größere Betonung des Christentums in der evangelischen Kirche ein. Immer wieder plädiert sie für ein klares geistliches Profil kirchlicher Einrichtungen: "Kinder und Erwachsene sollten wieder mehr beten und Kirchen sollten wie Kirchen aussehen und nicht wie unverbindliche Gemeindezentren." In der Vergangenheit kritisierte sie zudem bestimmte sexualethische Positionen der katholischen Kirche, forderte die Zulassung von Frauen zum Priesteramt und die Aufhebung des Zölibats. Käßmann engagierte sich auch im Kampf gegen den Rechtsextremismus und trat für ein NPD-Verbot ein.

Die Fußstapfen als Nachfolgerin Hubers sind trotz des Schrumpfungsprozesses der Kirche für Käßmann groß. Der 67-Jährige hatte begonnen, "Landeskirchen zusammenzuführen, Gemeinden neu aufzustellen, unterschiedliche Frömmigkeitsströmungen zu berücksichtigen und Mission zu betreiben gegen den ständigen Schwund an Mitgliedern", attestierte ihm der "Spiegel". Huber prägte in seinem Amt die evangelische Kirche wie kaum ein zweiter. Vor allem durch seine mediale Präsenz hat er die EKD gesellschaftspolitisch gestärkt.

Doch die Voraussetzungen, ihr Amt auszufüllen, bringt Käßmann nach Ansicht von Beobachtern durchaus mit. Sie ist nicht nur medientauglich, sondern auch unentwegt an der Kirchenbasis unterwegs. Ihre besondere Stärke sei, dass sie jene Nähe und Wärme ausstrahlen kann, "die dem professoralen Huber mitunter fehlte", heißt es im "Spiegel" weiter.

Huber: Klare Meinung in ethischen Fragen

Huber  wurde 2001 vom Bundeskabinett zum Mitglied des Nationalen Ethikrates berufen. Mit der Wahl zum Vorsitzenden des EKD-Rates 2003 trat er jedoch von diesem Amt zurück. Außerdem engagiert er sich als Kuratoriumsmitglied von ProChrist/JesusHouse, in dem sich Landes- und Freikirchen mit dem Ziel der Verkündigung des Evangeliums in Deutschland und Europa zusammengeschlossen haben.

Huber war und ist ein engagierter Gegner der Embryonenforschung. "Das Menschsein ist  nicht abhängig von der biologischen Entwicklung, sondern grundsätzlich gegeben durch die Gottesebenbildlichkeit", schreibt er in seinem Buch "Der gemachte Mensch". Huber befürwortete in Berlin ähnlich wie sein katholischer Amtskollege Kardinal Georg Sterzinsky einen Wahlpflichtfachbereich "Ethik/Religion", wonach beide Fächer als wählbare Alternativen gleichrangig und gleichzeitig im Stundenplan verankert wären.

"Keine multireligiöse Schummelei"

Der Theologe hatte in der Vergangenheit immer wieder kritisch zum christlich-islamischen Dialog Stellung bezogen. Für Aufsehen sorgte im Dezember 2001 seine viel zitierte Rede über eine "multireligiöse Schummelei". Darin hatte Huber einen seiner Meinung nach allzu konsensorientierten Dialog mit Muslimen angeprangert. Ein Vorwurf, den er mehrfach wiederholte. Huber sprach sich allerdings auch gegen eine Dämonisierung und für eine differenzierte Betrachtung des Islam aus. Selbst bei einem Spitzentreffen von EKD- und Islamvertretern im Mai 2007 konnten die Kontroversen nicht beseitigt werden.

Huber sprach sich immer wieder für einen "kritischen Dialog" mit den Vertretern des deutschen Islam aus, "wozu auch die Eigenschaft gehöre in Fairness und Respekt miteinander zu streiten". In diesem Zusammenhang müsse auch das Thema "Religionsfreiheit in islamischen Ländern" diskutiert werden. In einem Interview in der Berliner Zeitschrift "Cicero" warnte er vor einer "Islamisierung Europas" und kritisierte die häufig wiederholten "Christen-Club"- Äußerungen des türkischen Ministerpräsidenten Recep Tayyip Erdogan in Bezug auf die EU. Hier wird die neue Ratsvorsitzende neue Akzente setzen müssen.

Mit Käßmann folgt Huber nun eine Kirchenfrau, die ihre Thesen besonders konkret und zugespitzt vermitteln kann. Immer wieder nahm sie in der Vergangenheit auch Stellung zu Themen, die nicht originär kirchlich sind – aber dennoch gesellschaftliche Relevanz haben. So appellierte Käßmann etwa an Medienmacher, Kindern ein positives Menschenbild zu vermitteln und mahnte einen respektvollen Umgang auch im Zeitalter der elektronischen Kommunikation an. Anfang August startete sie sogar eine eigene Fernsehreihe.

Sie sei "eine erfrischend untypische Vertreterin des Christentums – und darum unter Gläubigen wie Ungläubigen äußerst beliebt", heißt es in einer ARD-Mitteilung über die neue "oberste Protestantin". Charmant, klug "und durchaus streitbar" mache sie seit Jahren von sich reden. Das wird nun auch so bleiben. (pro)

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