Sozialforscher: Wie Meinungsmacher Frauen lenken

Deutschland leidet weiter unter niedrigen Geburtenzahlen. Ein Grund, warum sich immer mehr Frauen für den Beruf und gegen Familie entscheiden, sehen Wissenschaftler in den Forderungen der Frauenbewegung. Der Sozialforscher Neil Gilbert hat die "feministische Ideologie" nun scharf kritisiert und behauptet, dass sie die Interessen und Bedürfnisse der meisten Frauen ignoriere.
Von PRO

Vor zwei Wochen hatte Familienministerin Ursula von der Leyen (CDU) den Anstieg der Geburtenrate in Deutschland verkündigt. Bei der Vorstellung des Familienberichts sprach sie von einer Steigerung der Rate von 1,33 Kindern im Jahre 2004 bis auf 1,37 Kinder im Jahr 2007.  Von der Leyen sagte laut Medienberichten, dass sie in den steigenden Zahlen zwar „keinen Grund zur Euphorie“, jedoch „einen Grund zur Zuversicht“ sehe. Um den Bevölkerungsschwund in Deutschland aufzuhalten, wäre laut Bevölkerungswissenschaftlern allerdings eine Rate von etwa 1,6 Kindern notwendig – ein Ziel, das noch immer in weiter Ferne liegt.

Für Verwirrung sorgte dabei ein Bericht von „Spiegel Online“ vom Wochenende. Das Magazin berichtete, dass im Oktober 2008 die Anzahl an Neugeburten in Deutschland gegenüber dem Oktober 2007 um rund 11.000 Geburten zurückgegangen sei. Auf der Internetseite des Hamburger Magazins war von einer „Trendwende“ die Rede. Dem widerspricht das Familienministerium. Auf Anfrage der Deutschen Presseagentur teilte es mit, dass von den ersten zehn Monaten des Jahres 2008 sechs Monate eine Steigerung der Geburtenzahlen im Vergleich zum Vorjahr aufwiesen. Die Zahlen im Oktober seien „nur eine Momentaufnahme in der Jahresstatistik“.

„Ein großes Missverständnis“

Passend zu der Diskussion veröffentlichte „Die Zeit“ vergangene Woche ein Interview mit dem Sozialforscher Neil Gilbert. Dieser vertritt in seinem Buch “ A Mother’s Work“ („Die Arbeit einer Mutter“) die Ansicht, dass die niedrigen Geburtenraten in westlichen Ländern Folge der Frauenbewegung seien und kritisiert diese scharf. Gilbert verweist darauf, dass der Feminismus die öffentliche Meinung, bis hin zur Gesetzgebung, entscheidend geprägt hat – obwohl er nur von einer kleinen Gruppe der Frauen vertreten wurde. „Sie waren die Meinungsmacher. Sie schrieben in Zeitungen, Magazinen, Büchern und beeinflussten die öffentliche Meinung (…) Sie sagten sich und uns: So muss man es machen.“ Andere Stimmen seien dabei meist überhört worden. „Niemand sagte, Kinder zu haben sei ein grandioses, transzendentales Erlebnis, das man auf keinen Fall missen sollte. Niemand.“

Gilbert behauptet, dass sich in der Folge eine große Zahl der Frauen für den Beruf und gegen Kinder entschieden hätte – und dies später bedauerten: „Viele wachten eines Tages auf und fragten sich: Was ist geschehen?“ Dabei spielt er auf Aussagen von Feministinnen wie Germaine Greer an, die sich im Alter von 48 Jahren beklagte, nie Kinder bekommen zu haben.

Der Sozialforscher bedauert zudem, dass Frauen in Folge der „feministische Ideologie“ vor allem über ihr Einkommen definiert wurden, andere Leistungen dagegen kaum geschätzt wurden: „Morgens in einem Restaurant Frühstück für Fremde zu bereiten war ein Job, der bezahlt wurde und zum Bruttosozialprodukt beitrug, Frühstück für die Kinder zu machen hatte dieses Preisschild nicht.“

In der Meinung vieler Feministinnen, dass Erwerbsarbeit das wichtigste Kriterium für Frauen sein sollte, sieht Gilbert entsprechend ein großes Missverständnis. „Sie können für viel Geld zwar auf eine Insel fahren, aber mit Kindern kuscheln und spielen ist auch das gute Leben.“

„Wirtschaftliche Unabhängigkeit nicht gleich Selbstständigkeit“

Auch die Behauptung, dass Selbstständigkeit vor allem durch wirtschaftliche Unabhängigkeit zu  erreichen sei, sieht Gilbert kritisch. Denn auch Erwerbsarbeit bringe wiederum Abhängigkeiten mit sich, etwa „vom Gehorsam gegenüber der Macht von Vorgesetzten, von der Unterwerfung unter Terminzwänge und der Disziplin des Jobs“.

Nicht zuletzt kritisiert er eine Vielzahl politischer Maßnahmen, die versuchen, für Frauen Beruf und Familie zur gleichen Zeit zu ermöglichen. Auch von der Leyen befürwortet eine solche Politik und macht sich stark für einen Ausbau des Krippenangebots oder der Ganztagsschulen. „Das typische Paket von familienfreundlichen Maßnahmen wertet die Mutterschaft weiter ab“, ist Gilbert sich sicher. Zudem werde hierdurch die „die psychologische und soziale Befriedigung durch Arbeit“ überbewertet.

Stattdessen fordert er, den „ökonomische Wert von Mutterschaft“ anzuerkennen. Außerdem sollten „echte Wahlalternativen“ für die Frauen bereitgestellt werden, statt den einseitigen Forderungen des Feminismus zu folgen. Er sieht dies etwa darin umgesetzt, Müttern eine spätere Rückkehr in den Arbeitsmarkt zu erleichtern. „Und Mütter, die sich entschieden haben, zu Hause für ihre Kinder zu sorgen, sollten besser vor den erhöhten finanziellen Risiken geschützt werden.“

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