Evolutionsbiologe Kutschera: Interesse am Kreationismus wächst

H a m b u r g (PRO) - Der Evolutionsbiologe Ulrich Kutschera hat kritisiert, dass die Evolutionsbiologie zu wenig in Schulen und Universitäten beachtet werde. Stattdessen stelle er ein immer größer werdendes Interesse am Kreationismus in Deutschland fest, sagte Kutschera gegenüber dem Magazin GEO.de.
Von PRO

Kutschera, den GEO.de als „Wortführer des Widerstands gegen die wachsende Zahl an Kreationisten in Deutschland“ bezeichnet, beobachtet die kreationistische Strömung in Deutschland nach eigener Aussage seit 20 Jahren. „Und ich muss mit großer Enttäuschung feststellen, dass die kreationistische Bewegung (…) immer mehr Zulauf hat. (…) Alle Umfragen der letzten Jahre zeigen, dass die Zahl der Evolutionsgegner in Deutschland von rund 20 auf bis zu 30 Prozent angestiegen ist.“ Kutschera zufolge lehnten deren Vertreter „das gesamte Methodenarsenal der modernen Biologie“ ab, verdrehten Fakten und ignorierten Erkenntnisse.

„Schockiert“ sei Kutschera gewesen, als „die führende deutsche Lehrerzeitschrift“ im Jahr 2000 ein Buch der „Studiengemeinschaft Wort und Wissen“ bewarb und eine Lehrerfortbildung zur Evolutionskritik anbot. Biologen, die Ansichten des Kreationismus vertreten, setzt der Wissenschaftler gleich mit „Homöopathen, Astrologen und Wünschelrutengängern“.

Der Kreationismus in Deutschland sei „ein florierendes Business“, so der Evolutionsbiologe. „Der Berliner Filmemacher Fritz Poppenberg zum Beispiel verdient mit kreationistischen Filmen wie ‚Hat die Bibel doch Recht?‘, ‚Der Evolutionstheorie fehlen die Beweise‘ und ihren Fortsetzungen sein Geld.“ In der Schweiz gebe es die Wissenschaftsgemeinschaft „Pro Genesis“, ähnlich dem deutschen „Professorenforum“, bei dem christliche Hochschullehrer die Hypothesen des „Intelligent-Design“ erklärten. Aus der Schweiz komme auch das christliche Wissenschaftsmagazin „Faktum“, das laut Kutschera nicht nur wie die säkulare Zeitschrift „Spektrum der Wissenschaft“ aussehe, sondern „teilweise hervorragende Beiträge über molekulare Genetik, von Wissenschaftlern geschrieben“, enthalte. Auch „Faktum“ stelle die Ansichten der Evolutionskritiker regelmäßig dar.

Kutschera: Zu wenig Evolutionstheorie in Internet und Schulbüchern

Im Internet sei das Thema Kreationismus sogar schätzungsweise zu zwei Dritteln häufiger vertreten als die Evolution. Wer Schlüsselbegriffe zur Evolution in eine Suchmaschine eingebe, lande zuerst auf Seiten von Kreationisten, so der Biologe. Ein Beispiel sei die neue Internetseite von „Wort und Wissen“, www.genesisnet.info.

An den Hochschulen werde das Thema Evolution nur sehr wenig gelehrt, stellt Kutschera fest. „Wenn Sie an einer deutschen Universität Biologie studieren, dann ist die Wahrscheinlichkeit recht hoch, dass Sie zum Thema Evolution sehr wenig oder gar nichts Aktuelles gelehrt bekommen.“ An vielen Hochschulen könne man Biologie-Lehrer werden, „ohne je einen einzigen Kurs zum Thema Evolution besucht zu haben“. Er fordert, dass das Fach Evolutionsbiologie an den Universitäten etabliert werden müsse. Auch im schulischen Bereich müssten Lehrer auf dem Gebiet der Evolutionsbiologie „vernünftig ausgebildet sein“.

Eine öffentliche Diskussion mit Vertretern des Kreationismus lehnt Kutschera weiter beharrlich ab: „Die führenden Köpfe unter den Evolutionsgegnern sind exzellent geschulte Missionare. Sie sind didaktisch-rhetorisch vermutlich jedem Fachwissenschaftler überlegen. Außerdem werden, wenn irgendwo eine solche Diskussion ansteht, erst mal die Zeugen Jehovas und die Evangelikalen rekrutiert. Da stehen Sie dann vor 500 Leuten, von denen wahrscheinlich 450 überzeugte Kreationisten sind. Das ist völlig sinnlos.“

Das ganze Interview lesen Sie hier.

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