Die Stange in den Rippen: Henryk M. Broder erhält Börne-Preis

F r a n k f u r t (PRO) - Der Journalist und Schriftsteller Henryk M. Broder ist am Sonntag mit dem Ludwig-Börne-Preis geehrt worden. Sowohl Laudator Helmut Markwort, Herausgeber und Chefredakteur des "Focus", als auch Preisträger Broder kritisierten in ihren Reden in der Frankfurter Paulskirche den Islamismus und eine falsch verstandene Toleranz.
Von PRO

In vielen Fällen, die Broder gefunden hat und in seinen Texten wiedergibt, gelte: „Der Menschenverstand wurde außer Kraft gesetzt und durch drei Untugenden ersetzt: Äquidistanz, Relativismus und Toleranz“, so Broder in seiner Dankesrede.

„Aufgeklärt sein heißt heute, intolerant sein“

Broder weiter: „Wir werden täglich aufgerufen, für alle möglichen Fundamentalismen und Fanatismen Verständnis zu haben und Toleranz zu praktizieren, Vorleistungen zu erbringen, ohne zu erwarten. Ein deutscher Nobelpreisträger hat den Vorschlag gemacht, eine Kirche in eine Moschee umzuwidmen, als GoodwillGeste den Muslimen gegenüber. Bis jetzt warten wir vergeblich auf den Vorschlag eines islamischen Intellektuellen, eine Moschee in eine Kirche umzuwandeln, denn so eine Idee, öffentlich geäußert, könnte ihn sein Leben kosten. So wie es einen afghanischen Muslim fast das Leben kostete, als er zum Christentum konvertierte. (…) Wer heute die Werte der Aufklärung verteidigen will, der muss intolerant sein, der muss Grenzen ziehen und darauf bestehen, dass sie nicht überschritten werden. Der darf ‚Ehrenmorde‘ und andere Kleinigkeiten nicht mit dem ‚kulturellen Hintergrund‘ der Täter verklären und den Tugendterror religiöser Fanatiker, die Sechzehnjährige wegen unkeuschen Lebenswandels hängen, nicht zur Privatangelegenheit einer anderen Rechtskultur degradieren, die man respektieren müsse, weil es inzwischen als unfein gilt, die Tatsache anzusprechen, dass nicht alle Kulturen gleich und gleichwertig sind.“

Inzwischen könne man „auf jeder Tupperware-Party Punkte sammeln, wenn man nur erklärt, George Bush und Usama Bin Ladin seien aus demselben Holz geschnitzt, die Zahl der Menschen, die bei Terroranschlägen ums Leben kommen, sei viel kleiner als die Zahl der Verkehrstoten, und die christlichen Kreuzfahrer hätten viel mehr Blut vergossen als die islamischen Terroristen heute.“ Doch, so Broder, „so kann man sich aus der Wirklichkeit schleichen, aber man entkommt ihr nicht“.

Broder erklärte seine Motivation zu schreiben so: „Ich verspüre immer öfter ein leises Unbehagen, sobald ich mein Arbeitszimmer verlasse und mich in die Welt begebe, und sei es nur zum Zeitunglesen ins Café Einstein. Es ist kein Katzenjammer, der aus dem Überfluss resultiert, kein Weltschmerz, der sich sich selbst genügt, es ist das Gefühl: Bin ich verrückt, oder sind es die anderen?“ So sei es für ihn schwer verständlich, dass zwar eine geplante amerikanische Raketenabfanganlage den Menschen hierzulande Angst mache, ein Iran jedoch, der sich zur Atommacht erklärt hat, „wie ein unvermeidliches Naturereignis hingenommen“ werde.

Lieber islamophob als feige

Broder hat inzwischen 22 Bücher veröffentlicht. Darin schreibt er über die Deutschen, die Juden, Israel und islamischen Terrorismus. Sein jüngstes Buch „Hurra, wir kapitulieren! – Von der Lust am Einknicken“ stand wochenlang auf den Bestseller-Listen. „Leider sprechen viele Indizien dafür, dass der Islamismus der Totalitarismus des 21. Jahrhunderts werden kann“, sagte Markwort in seiner Laudatio. Broder habe sich bei den Themen Ehrenmorde, Zwangsehen und andere religiös motivierte Gewalt „das Maul verbrannt“. Er fügte hinzu: „Gott sei Dank. Lieber ist er islamophob als feige.“

Ludwig Börne und Henryk M. Broder hätten „viele Parallelen“ und eine „Denk- und Schreibverwandtschaft“, stellte Markwort fest. „Zu seinen Schreibzeiten hat er genauso polarisiert wie heute Henryk Broder.“ Börne, der als einziger Nur-Journalist „in die Reihen der Klassiker aufgenommen“ wurde, habe „Pamphlete“ geschrieben, die viel zitiert wurden, so wie die von den „Meistern des groben Tons und frecher Schreibe“ wie etwa Ulrich von Hutten, Martin Luther, Lessing, Lichtenberg, Schopenhauer und Tucholsky. Henryk Broder sei „der Nachfahre dieser Klassiker“.

Markwort sagte weiter: „Freuen wir uns, dass es ihn (Broder) gibt, freuen wir uns, dass er Tag für Tag den Mut aufbringt, in klarem verständlichen Deutsch Fakten zu benennen und zu bewerten.“ Dies tue er polemisch und „grobianissimo“ und erfülle damit eine Forderung Börnes. In einem Brief habe Börne aus dem Exil in Paris über die Gesellschaftskritik geschrieben: „Man muss den Deutschen alles übertreiben, sie haben eine Elefantenhaut, zarten Kitzel fühlen sie nicht, man muss ihnen eine Stange in die Rippen stoßen.“

Der „Focus“-Chef wies darauf hin, dass ausgerechnet in der Frankfurter Paulskirche die Nationalversammlung 1848 festgesetzt habe:“‚Jeder Deutsche ist unbeschränkt in der gemeinsamen häuslichen und öffentlichen Übung seiner Religion. Verbrechen und Vergehen, welche bei Ausübung dieser Freiheit begangen werden, sind nach dem Gesetz zu bestrafen.“ Markwort fügte hinzu: „Es ist wünschenswert, dass Religionen sich gegenseitig tolerieren, aber einseitige Toleranz ist für uns hochgefährlich.“

Broder schrieb für Zeitungen und Zeitschriften wie „Pardon“, „Die Zeit“, die „Weltwoche“ oder die „Süddeutsche Zeitung“. Heute schreibt er hauptsächlich für das Magazin „Der Spiegel“. Er lebt in Jerusalem und Berlin.

Der Ludwig-Börne-Preis wird seit 1994 vergeben. Er ist nach dem jüdischen Schriftsteller benannt, der als Wegbereiter des politischen Feuilletons gilt. Börne wurde als Löb Baruch 1786 in Frankfurt am Main geboren und starb 1837 im Pariser Exil. Die Auszeichnung, die mit 20.000 Euro dotiert ist, wird jährlich an deutschsprachige Autoren von Essays, Kritiken und Reportagen vergeben. Zu den bisherigen Trägern gehören der Literaturkritiker Marcel Reich-Ranicki, der frühere „Spiegel“-Herausgeber Rudolf Augstein und der Schriftsteller Hans Magnus Enzensberger. Reich-Ranicki trug bei der Feierstunde am Sonntag Texte von Börne und Heinrich Heine vor.

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