Köhler: Christliches Menschenbild führt zu menschlicher Politik

B e r l i n (PRO) - Immer mehr Menschen wird bewusst, dass sich Glück und Erfüllung nicht allein auf materiellem Erfolg gründen lassen und viele haben daher verstärkt Neugier nach Religion. Diese Einschätzung machte Bundespräsident Horst Köhler in einem Interview mit dem Evangelischen Pressedienst (epd).
Von PRO

Auf die Frage, ob er eine „Rückkehr der Religionen“ und eine Rückbesinnung der Politik auf christliche Werte erkennen könne, sagte Köhler: „Die Frage nach der Wertegrundlage der Politik wird nach meinem Empfinden heute wieder neu und ernsthafter gestellt.“ Der Bundespräsident verwies etwa auf die Diskussion um einen Gottesbezug im Verfassungsvertrag der Europäischen Union.

„In meinen Begegnungen stelle ich immer wieder fest, dass sich die Menschen zunehmend die Frage nach dem Sinn des Lebens in umfassender Form stellen. Anscheinend wächst das Bewusstsein, dass Erfüllung, Glück und Wohlbefinden sich nicht allein auf rein materiellen Fortschritt gründen lassen“, so Köhler. „Aus dem Gefühl heraus, dass es mehr geben sollte als materielle Wohlstandssteigerung, stellt sich auch die Frage nach der Religion neu. Ich finde, darin liegt eine Chance, die man ergreifen sollte.“

„Glaube an Gott gibt Halt und Orientierung“

Köhler erklärte, was er in seiner Antrittsrede am 1. Juli 2004 im Deutschen Bundestag meinte, als er sagte, sein Kompass sei das christliche Menschenbild: „Bei allem, was ich zu entscheiden habe, führe ich mir vor Augen: Es geht um Menschen. Menschliche Politik, das heißt für mich, den einzelnen Menschen in seinen Stärken und Schwächen zu sehen, in seinen Wünschen, Hoffnungen und Unsicherheiten. Das ist für mich der Ausgangspunkt. Christliche Orientierung heißt für mich, dass ich in letzten Sinnfragen für mich erkannt habe: Es gibt etwas, das über mir steht und das ich mit meinem eigenen Geist nicht voll durchdringen kann. Das ist Gott, und der Glaube an ihn gibt mir Halt und Orientierung.“

Dabei sei das eigene christliche Menschenbild wichtig im Dialog mit Muslimen, so Köhler. „Das Gegenbild anderer Religionen hilft uns doch bei der Antwort auf die Frage: Was ist eigentlich mein eigenes Bild von mir und meiner Religion? Selbstvergewisserung in der Frage, wo ist meine eigene christliche Position im Gespräch mit Muslimen, halte ich für eine Grundvoraussetzung für einen gehaltvollen und ehrlichen Dialog.“ Gleichzeitig sehe er in religiösen Fragen „Symptome von Gleichgültigkeit“. „Auch weil viele Menschen sich von den eigenen christlichen Wurzeln entfernt haben.“

Köhler wird am 9. Juni den Deutschen Evangelischen Kirchentag in Köln besuchen. „Für mich ist es eine schöne Gelegenheit, Menschen meines Glaubens zu begegnen. Die Fröhlichkeit und die Vielfalt der Diskussionspartner haben mir bisher bei Kirchentagen immer gefallen.“ Er wolle in einem Forum über Armutsbekämpfung diskutieren. In Bezug auf den bevorstehenden G-8-Gipfel in Heiligendamm sagte Köhler: „Wir beobachten weltweit, dass sich eine Schere auftut zwischen den Einkommen der abhängig Beschäftigten und derjenigen, die Vermögenseinkommen haben. Dies muss ein Anlass sein, auch über Gerechtigkeit wieder neu zu diskutieren. (…) Ein Eintreten für weltweite Gerechtigkeit bedeutet konkret, dass wir unsere Zusagen zur Verwirklichung der Entwicklungsziele der Vereinten Nationen einhalten und uns dem Fleiß und der Kreativität der armen Völker im internationalen Wettbewerb nicht entgegenstellen.“

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