„German Days“: Glaube von Pluralismus bedroht

Um den Glauben in Deutschland ist es nicht so schlecht bestellt wie allgemein behauptet. Diese Meinung vertrat der Bundesgeschäftsführer des Evangelischen Arbeitskreises der CDU/CSU (EAK), Pastor Christian Meißner, bei den "German Days" des Lutherischen Concordia-Seminars in St. Louis. Gleichzeitig warnte der Pastor jedoch vor einer Aufweichung durch "Pluralismus und Multikulturalismus".
Von PRO

Meißner war Redner auf der Tagung „German Days“ des „Center for Lutheran Theology and Public Life“, die vom 24. bis zum 25. Oktober in St. Louis im US-Bundesstaat Missouri stattfand. Als er zum Thema „Was bleibt vom christlichen Erbe in Deutschland?“ sprach, betonte er, er wolle nicht „in den üblichen Schwanengesang der notorischen Beschwörer des Untergangs des so genannten ‚christlichen Abendlandes'“ mit einstimmen.

Die „German Days“ am Concordia-Seminar waren die zweite von insgesamt zehn Veranstaltungen, die bis zum 31. Oktober 2017 anlässlich der 500-Jahr-Feiern zur Reformation abgehalten werden sollen. Das Thema des diesjährigen Treffens lautete „Glaube und Politik im Lande Luthers – und hier“. Die Teilnehmer kamen von beiden Seiten des Atlantiks. Direktor des „Center for Lutheran Theology and Public Life“ ist der aus Leipzig stammende Journalist und Theologe Uwe Siemon-Netto. Das Zentrum wirbt für eine zeitgenössische Vermittlung lutherischer Glaubenslehren.

Es sei naiv anzunehmen, die grundlegende Situation der Christen in dieser Welt wäre in irgendeiner Epoche anders gewesen, so der EAK-Bundesgeschäftsführer. „Die Klage über den Rückgang der Gottesdienstbesucher ist so alt wie die Kirchengeschichte selbst. Der pauschale Abgesang schließlich auf unsere sogenannten ‚christlich-abendländischen‘ Werte und den Niedergang der kirchlichen Sitten, Gebräuche und Traditionen währt mittlerweile schon so viele Jahrhunderte, dass man sich ja wundern muss, dass es überhaupt noch Christinnen und Christen gibt.“ Der frühere Bundesminister und SPD-Politiker Hans Apel hatte sich auf der Tagung „vorsichtig-pessimistisch“ über den Einfluss des christlichen Glaubens auf das öffentliche Leben in Deutschland geäußert.

Versuche, die „Prägekraft des Christentums“ zu schwächen

„Ein großes Problem, nicht nur in Deutschland, sondern überall in der westlichen Welt, ist das Phänomen des Pluralismus und des so genannten ‚Multikulturalismus'“, sagte Meißner. Ersterer versuche, die Wahrheitsfrage zu relativieren. „Letzterer tritt, insbesondere in seiner mitteleuropäischen Variante, gerne und häufig auch mit einer dezidiert antikirchlichen bzw. christentumsfeindlichen Stoßrichtung in Erscheinung.“ In beiden Phänomenen drücke sich der Versuch aus, die „Prägekraft des Christentums“ und seiner Werte „zu leugnen, zu vergleichgültigen und in Frage zu stellen“.

Auch außerhalb Deutschlands seien die Folgen einer solchen Ideologie sichtbar, so Meißner. „Eine Stewardess bei British Airways darf keine Kette mehr mit einem Kreuz am Hals tragen, weil das angeblich die religiösen Gefühle Andersgläubiger verletzen könnte. Christbäume und Weihnachtsschmuck werden aus Schulen, Kindergärten und öffentlichen Räumen entfernt und statt ‚Merry Christmas‘ wünscht man sich nur noch political correct ‚Happy holidays‘.“

Es seien Warnsignale, etwa „wenn nicht mehr klar ist, dass der Gott Mohammeds eben nicht der Vater Jesu Christi ist“, oder wenn die Behinderung eines Fötus automatisch zu einem Todesurteil führe. Diese und andere Beispiele verdeutlichten: „Die Fundamente unseres Glaubens sind keine beliebig verfügbare Dispositionsmasse. (…) Vieles erfordert von uns Christinnen und Christen den aktiven politischen, geistlichen und zivilgesellschaftlichen Widerstand“, sagte Meißner laut Redemanuspkript.

Wachstum bei Evangelikalen

Meißner hob jedoch „die entscheidende Frohbotschaft“ hervor: „Es gibt uns eben doch, uns Christen, und zwar in Deutschland, Europa, den USA und auf der ganzen Welt. Und allein die äußere, zahlenmäßige Größe der Anhänger des christlichen Glaubens gibt weltweit derzeit keinesfalls Anlass zu der Befürchtung, dass das Christentum als solches vom Aussterben bedroht ist. Ganz im Gegenteil. Gerade im evangelikalen und pietistischen Bereich verzeichnen wir heutzutage ein unglaubliches Wachstum an Gemeinden.“

Ein „vorwiegend konservativer bis unverhohlen fundamentalistischer Islam“ werde zur neuen Herausforderung für die freiheitlich-demokratische Grundordnung in Deutschland, erklärte Meißner. „Während einerseits Kruzifixe aus den öffentlichen Räumen und Gebäuden zwangsweise und per Gerichtsbeschluss zum Verschwinden gebracht werden, fordert man auf der anderen Seite Toleranz für die muslimische Lehrerin mit Kopftuch.“

„Missionsfeld Deutschland“

Wer Deutschland besuche, erwarte im „Mutterland der Reformation“ viele Lutheraner, sagte Jobst Schöne, emeritierter Bischof der Selbständigen Evangelisch-Lutherischen Kirche (SELK). In Wirklichkeit zähle sich jedoch weniger als ein Drittel der Menschen zum Protestantismus, und fast ebenso viele (31 Prozent) gehörten gar keiner Kirche an. „Wir können von Deutschland als einem Missionsfeld sprechen“, sagte Schöne. Selbst die so genannten „Mainstream-Protestanten“, die mit dem lutherischen Erbe nicht mehr viel zu tun hätten, verträten „eine große Anzahl an verschiedenen Positionen und Überzeugungen“, die sich untereinander widersprächen.

Sogar Pastoren, die von der Tradition her lutherisch seien, zeichneten sich durch „eine Atmosphäre großer Toleranz, Offenheit und Gleichgültigkeit gegenüber der Lehre und dem Bekenntnis“ aus. Dies sei „die Folge eines modernen Individualismus“ und einer „Privatisierung des christlichen Glaubens“, so Schöne. Viele Christen im heutigen Deutschland kümmerten sich wenig um das Thema Sünde und Vergebung und hätten zudem einen Großteil ihres Einflusses verloren. „Wer in Deutschland Christ ist, ist nicht so sehr besorgt um seine persönliche Erlösung, sondern um soziale Themen und Probleme“, sagte der ehemalige Bischof. (PRO)

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