Gericht: Auch religiöse Kinder müssen auf Klassenfahrt
Dürfen Kinder aus Glaubensgründen einer Klassenfahrt fernbleiben? Das Oberverwaltungsgericht Bremen hat am Dienstag entschieden, dass sie nur in Ausnahmefällen von schulischen Pflichtveranstaltungen befreit werden.
Aus religiösen Gründen dürfen Schüler nur in Ausnahmefälle einer Klassenfahrt fernbleiben
In einem aktuellen Fall hatte ein Vater geklagt, der seine drei Kinder von einer Klassenfahrt befreien lassen wollte. Während des mehrtägigen Ausflugs sei deren „christliche Betreuung“ durch ihn in Form von gemeinsamen Gebeten und Bibellesen nicht gewährleistet, begründete der Mann seine Forderung. Zudem greife die Unterbringung der Kinder außerhalb des Elternhauses in die grundrechtlich geschützte christlich geprägte Erziehung der Kinder ein. Die Familie sei Mitglied der Freien Christengemeinde in Bremerhaven, hieß es in einer Pressemitteilung des Gerichts. Das Gericht erschied, dass eine Teilnahme an der Klassenfahrt rechtens ist.
Das an den Vater gerichtete Angebot der Schule, seine Kinder, die damals die 5., 6. und 7. Klasse besuchten, abends vom 35 km von Bremerhaven entfernten Klassenfahrtsziel abzuholen und sie morgens wieder zurückzubringen, hatte der Vater abgelehnt.
Kann ein Kind nicht außerhalb des Elternhauses Bibel lesen?
Frank Spatz, der Geschäftsführer der Alpha Buchhandlungen, kommentierte das Urteil gegenüber pro: „Als Vater zweier Kinder kann ich den Wunsch der klagenden Eltern verstehen, ihre Kinder so behütet und christlich wie möglich aufwachsen zu lassen. Dennoch halte ich das Urteil des OLG für absolut richtig.“ Spatz sagte weiter: „Die schulische Erziehung muss auch Gemeinschaftserlebnisse wie eine Klassenfahrt mit einschließen. Davon sollte kein Kind ausgenommen sein.“
Die Argumentation des Vaters erscheine ihm schwach: „Kann ein Kind außerhalb des Elternhauses nicht ebenfalls in der Bibel lesen und beten? Und selbst, wenn dies für ein paar Tage nicht in der gleichen Intensität geschieht wie zu Hause, wäre dann gleich ihr Glaube in Gefahr? Ich denke, mit einer derart übertriebenen Besorgnis oder gar Gesetzlichkeit tut man den Kindern nichts Gutes – trotz bester Absichten.“
Schule hat Integrationsfunktion in religiös vielseitiger Gesellschaft
Das Oberverwaltungsgericht in Bremen schloss sich Urteilen des Bundesverwaltungsgerichts an, die besagten, dass Kinder und Jugendliche von schulischen Pflichtveranstaltungen nur in Ausnahmefällen befreit würden, bei der Sorge, dass religiöse Erziehungsvorstellungen beeintächtigt würden. Zwar seien der staatliche Bildungs- und Erziehungsauftrag auf der einen und das religiöse Erziehungsrecht und die Glaubensfreiheit auf der anderen Seite gleichrangig. Die Schule habe aber die Aufgabe, allen Schülern ihren Fähigkeiten entsprechende Bildungsmöglichkeiten zu gewährleisten und einen Grundstein für ihre selbstbestimmte Teilhabe am gesellschaftlichen Leben zu legen. Eine Unterrichtsgestaltung, die von sämtlichen Glaubensstandpunkten aus akzeptabel erscheine, sei nicht möglich. In einer religiös vielseitigen Gesellschaft nehme die Schule eine wichtige Integrationsfunktion wahr.
Einzelfall entscheidet
Eine zulässige Befreiung in Ausnahmefällen setze voraus, dass sich dem Befreiungsantrag der behauptete Glaubens- und Gewissenskonflikt objektiv nachvollziehbar entnehmen lasse, teilte das Gericht mit. Dann müsse ein Kompromiss gesucht werden, ohne den staatlichen Bildungsauftrag zu gefährden. Schlägt diesen ein Beteiligter aus, habe er keinen Rechtsvorteil mehr. Scheide ein Kompromiss aus, komme eine Befreiung nur dann in Betracht, wenn die befürchtete Beeinträchtigung besonders gravierend sei. Auch in diesem Fall müsse der Einzelfall abgewägt werden.
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