„Gerechtigkeit erhöht ein Volk“

Es gibt zwei Arten von Gerechtigkeit: eine menschliche, die vor Gericht erstritten wird, und eine göttliche, die nur Gott durch seinen Sohn Jesus Christus schenken kann. Diese Meinung vertrat der Präsident der Rechtsanwaltskammer Frankfurt im Main beim Kongress der Initiative "Christ und Jurist", der an diesem Wochenende in Frankfurt stattfindet.
Von PRO

Der 1997 gegründete Verein "Christ und Jurist" bemüht sich, den christlichen Glauben und die juristische Arbeit nach eigener Aussage so zu verbinden, "dass der Einsatz für das Recht zum Dienst am  Menschen wird". In Frankfurt am Main veranstaltet er von Freitag bis Sonntag einen Kongress zum Thema "Gerechtigkeit", zu dem rund 180 Teilnehmer gekommen sind.

Der Begriff Gerechtigkeit sei zwar "schon unzählige Male interpretiert und neu definiert" worden, doch es sei "unabdingbar", dass sich Juristen immer wieder über dessen Bedeutung klar werden, teilte Patrick Menges, Vorsitzender der Initiative, vorab mit. "Rechtsfindung ohne Gerechtigkeit schafft kein Recht", ist sich der Münchner Jurist sicher. In Vorträgen und Workshops soll das Thema aus juristischer und theologischer Sicht behandelt werden.

Der hessische Justizminister Jörg-Uwe Hahn erklärte in seinem Grußwort, die Verwirklichung von Gerechtigkeit sei ein "immerwährender Prozess, der dadurch erschwert wird, dass ihr Gegenstand oft nicht leicht und eindeutig zu bestimmen ist". Umso wichtiger sei es, sich dieses Jahrtausende alten Themas immer wieder anzunehmen. Er freue sich über die Einbringung "fest gegründeter Wertvorstellungen in den beruflichen Alltag" durch den Verein "Christ und Jurist" und über die "tägliche Umsetzung der christlichen Werte".

"Gerechtigkeit ist Liebe, Liebe ist Gerechtigkeit"

Schirmherr der Veranstaltung ist Lutz Simon, Präsident der Anwaltskammer Frankfurt. Der Vize-Präsident des Verbandes der Europäischen Rechtsanwaltskammern ging in seinem Vortrag auf die unterschiedlichen Gerechtigkeitsbegriffe von Theologen in der Geschichte ein. Schon die griechischen Philosophen hätten Gerechtigkeit immer in Bezug auf die Götter gesehen. Der Kirchenvater Augustinus habe in ihr eine der vier Kardinalstugenden gesehen und betont, dass sie eine Gnade Gottes sei, die sich der Mensch nicht verdienen könne. In den Briefen des Paulus komme der Begriff Gerechtigkeit 58-mal vor, so Simon. Dabei sei er untrennbar mit dem Glauben an Jesus Christus verbunden, durch den der Mensch letztlich und endgültig Gerechtigkeit erlebe. "Der Gerechte wird aus Glauben leben", sei ein zentraler Satz bei Paulus. Die Werke seien letztlich wertlos, wenn sie nicht aus dem glauben an Jesus getan werden, so Simon.

Auch Martin Luther habe in seinem "Sermon über die dreifache Gerechtigkeit" unterschieden zwischen einer menschlichen Gerechtigkeit und einer göttlichen: Letztere erlange man ausschließlich durch den Glauben an den gerechten Christus, der sich opferte. So werde "seine Gerechtigkeit zu unserer Gerechtigkeit", die "in uns eingegossen wird". Gute Werke fänden laut Luther ihren Zweck darin, den eigenen Leib, den "alten Adam", zu töten und stattdessen den Nächsten zu lieben. Die Gebote des Alten Testamentes dienten der "Erziehung von Gottes auserwähltem Volk Israel", das kulminiere in dem einen Gebot: "Du sollst Gott Jahweh lieben mit all deinen Kräften". Simon betonte, dass viele Gleichnisse Jesu unserem Gerechtigkeits-Verständnis zu widersprechen scheinen – etwa die Erzählung vom verlorenen Sohn oder von den Arbeitern im Weinberg. "Verbrechern reichte bei Jesus schon ein Wort der Reue; den Hohenpriestern aber wurde mit der Hölle gedroht", so Simon. Während das Alte Testament vom Bund Gottes zu seinem Volk Israel berichte, stehe im Neuen Testament die Liebe Jesu zu allen Menschen im Mittelpunkt. "Gerechtigkeit kommt nur von Gott und geht zu jenen, welche diese Liebe annehmen und aufnehmen", schloss Simon. "Gerechtigkeit ist Liebe, Liebe ist Gerechtigkeit."

Ungerechtigkeit trennt von Gott

Der Richter am Bundesverfassungsgericht Herbert Landau sagte in seinem Vortrag "Rechtsstaat und Recht",  das Menschenrecht entspringe aus dem Begriff der Würde des Menschen, und dieser sei wiederum fest verankert in der Schöpfungsgeschichte der Bibel. "Die Menschenwürde ist keine Erfindung des Grundgesetzes", so Landau. Als erstes sei im frühen Judentum "Ehre und Hoheit des Menschen als Ebenbild Gottes" relevant geworden. Der Staat müsse die "Bahnen und Grenzen seiner Wirkung selbst bestimmen", betonte Landau. Das Gesetz sei "nicht Ziel und Inhalt des Staates, sondern gebe den Rahmen, sich selbst zu verwirklichen".

Pater Klaus Vechtel SJ ging in der Andacht am Samstagmorgen, die im Frankfurter Dom abgehalten wurde, auf das Thema des Kongresses ein. Der Professor für Dogmatik an der Philosophisch-Theologischen Hochschule Sankt Georgen erklärte, im Buch Jesaja werde der Grund für die Vertreibung des Volkes Israel durch die Babylonier beschrieben: "Der Prophet sagt, was das Problem war, nämlich dass Israel ein Problem mit der Gerechtigkeit im Land hatte." Wenn ein Volk unzureichend auf Gerechtigkeit achte, werde das ein Problem für Gott, so Vechtel.

Gerechtigkeit als Beziehung

Der evangelische Theologe Hans-Joachim Eckstein sprach in seinem Vortrag "Gerechtigkeit erhöht ein Volk" (Sprüche 14,34) von Gerechtigkeit als Begriff einer Beziehung. Der Satz aus dem Buch der Sprüche zeige, dass Gerechtigkeit immer im Kontext einer Beziehung zu sehen sei. Man sei immer "gerecht jemandem gegenüber" – etwa dem Gesetz oder Gott, so wie man nur "in jemanden verliebt" sein könne, so Eckstein, der Professor für Neues Testament an der Evangelisch-theologischen Fakultät der Universität Tübingen ist. Die Gebote des Alten Testamentes bezeugten dies, wenn Gott auf die Ausschließlichkeit seiner Person Betonung lege. "Ungerechtigkeit ist dann nicht nur ein konkretes unmoralisches Verhalten, sondern im Kern eine Verletzung der persönlichen Beziehung", sagte Eckstein. Eine Rechtfertigung im Sinne eines "Freispruches zum Leben durch Gott" könne nicht aufgrund eines richterlichen Urteils erfolgen, "sondern ausschließlich als Begnadigung" durch den Opfertod Jesu.

Es helfe nicht, eine gerechte Gesellschaft gestalten zu wollen, "ohne eine klaren Bezug dazu zu haben, wer denn Gerechtigkeit definiert", schrieb Hartmut Steeb, Generalsekretär der Deutschen Evangelischen Allianz, in seinem Grußwort an die Kongressteilnehmer. Seiner Meinung nach stehe dahinter die Frage nach dem Menschenbild: "Wenn wir Menschen nur durch Zufall in diese Welt gekommen sind, wenn da keinerlei Plan dahinter steht, wenn sich die Gesellschaft nur nach eigenem Gutdünken oder gar ausschließlich nach Mehrheitsbeschlüssen einrichtet und organisiert, dann bleibt die biblisch begründete Menschenwürde auf der Strecke. Und damit bleibt auch die Gerechtigkeit auf der Strecke."

Der Sprecher für Menschenrechte der Weltweiten Evangelischen Allianz, Thomas Schirrmacher, erklärte in seinem Grußwort, das "weltweite Menschenrechtsgeflecht" werde stetig ausgebaut, "oft sinnvoll – wie etwa das neueste Menschenrecht auf UN-Ebene, das Recht auf Trinkwasser –, manchmal aber auch fragwürdig – wie meines Erachtens die Forderung eines Rechtes auf Abtreibung, ohne dagegen die Menschenrechte des Ungeborenen zumindest dagegen abzuwägen". Es sei wichtig, sich für Menschenrechte, Religionsfreiheit und Gerechtigkeit in Alltag und Politik einzusetzen, so Schirrmacher. (pro)

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