GEO-Titelgeschichte: Luther, der revolutionäre Reformator

H a m b u r g (PRO) - Die Thesen des Wittenberger Theologie-Professors Martin Luther sind mindestens ebenso bedeutend für die Weltgeschichte wie die Erkenntnisse bekannter moderner Forscher. Zu diesem Schluss kommt GEO-Autor Jörg-Uwe Albig in seinem Porträt des Reformators in der neuen Ausgabe des Hamburger Magazins.
Von PRO

„Wieso Martin Luther noch radikaler war, als wir denken“ lautet der Name der Titelgeschichte der November-Ausgabe von GEO. Der Autor Jörg-Uwe Albig legt darin dar, welche Bedeutung Luthers Thesen für die Welt hatten und noch haben. Dabei vergleicht er dessen Aussagen stets mit bedeutenden Theorien der Moderne, die ebenfalls ein Umdenken mit sich brachten.

Im Herbst 1517 stürzt Luther mit den 95 Thesen über den Ablasshandel die Welt des Klerus in Aufruhr. Er war damals 33 Jahre alt. Mit seiner „revolutionären Theologie, die sich allein auf die Gnade und auf das Wort Gottes gründet“, initiierte er eine Bewegung, „welche die Kirche für immer veränderte“, so Albig.

Zunächst beschreibt der Autor anschaulich, wie Luther 1510 auf einer Pilgerreise in Rom war und ihm beim Anblick der anderen Pilger Zweifel kamen: „Wer weiß, ob es wahr ist?“ Luthers revolutionäre Ansichten müssten vor allem vor dem Hintergrund der damaligen Weltanschauung betrachtet werden: „Er lebt noch tief in einer Welt aus Geistern, Elfen, Zauberern und Teufeln, die ihm so greifbar erscheinen wie Kakerlaken. (…) Nachts, weiß er zu berichten, ist der Versucher an seinem Bett erschienen, um ihm seine Sünden vorzuhalten: ‚Sage mir etwas Neues, Teufel‘, hat er dem Bösen da gelangweilt erwidert.“

Weiter schreibt GEO: „Man hat Martin Luther für vieles verantwortlich gemacht – für die Stärkung des Gewissens und der deutschen Sprache, für die Befreiung des Individuums und die Lockerung der Tischsitten, dann wieder für Obrigkeitsdenken, Nationalstaat und kapitalistische Arbeitsmoral. Doch nie taucht sein Name in den Chroniken der wissenschaftlichen Durchbrüche auf – in der Liste der Erfinder von Transistor und Laser, Elektronenmikroskop und Computer, unter den Entdeckern von Ödipuskomplex und Über-Ich. Dabei ist Luthers Denken von einer Radikalität, die nicht nur die Erkenntnisse der eigenen Zeit sprengt, sondern auch die noch kommender Epochen.“

Womöglich habe gerade dieser eher wissenschaftsferne „Banause“ bereits den Raum für das Denken des 20. Jahrhunderts geöffnet, „für Psychoanalyse und Quantenphysik“. Ähnlich wie bei der Quantenmechanik, die ja im Grunde „der Inbegriff des Zweifels“ sei und im 20. Jahrhundert Sicherheiten zerfallen ließ, so habe bereits Luther vor 400 Jahren die Grundfesten des Denkens ins Wanken gebracht. „Das von der Kirche errichtete Bild des Allmächtigen als einen strafenden, immerdar zu fürchtenden Gott: Luther zerstört es.“ Und in gewisser Weise habe Luther mit seinen Ansichten einen „Vorgriff auf Erkenntnisse der Psychoanalyse“ gemacht.

„Doch“, so konstatiert Albig, „kaum jemand liest Luther in diesen 400 Jahren.“ Erst im 20. Jahrhundert wurden die meisten von Luthers „bahnbrechenden Schriften“ wieder neu entdeckt. „Schon Luthers Erkenntnis, für den Kontakt des Menschen mit dem Schöpfer sei keinerlei Mittler nötig, kein Heiliger, Priester oder Papst, ist ja so unerhört wie die Entdeckung des Physiker an der Wende zum 20. Jahrhundert, dass das Licht kein Medium braucht, keinen ‚Äther‘, um sich im Raum fortzupflanzen.“

Albig zeichnet den Weg Luthers nach: vom Studenten, der vom Vater zum Jurastudium gedrängt wurde und 21-jährig aus Angst vor einem Blitzschlag 1505 Mönch wird, bis zum Professor der Theologie, der Zweifel daran hat, dass dieser Glaube und der Zwang, der in der katholischen Kirche praktiziert wird, nach Gottes Sinn ist. In Rom „pilgert er verbissen, als wolle er sich die Füße rund schleifen“, doch schließlich findet er seinen „gnädigen Gott“. Die „Drohung“ von einem gerechten Gott wird zur Verheißung: „Gottes Geschenk ist kein Verdienst, sondern ein Geschenk. Sie ist kein Urteil, sondern ein Freispruch. Es gibt keinen Grund, keine Ursache für Gottes Gnade – sie ist einfach da.“ Dadurch ist Luther „völlig neu geboren“, und die Folgen dieser Wiedergeburt strahlen auf die gesamte europäische Kirchengeschichte aus.

Helfen Sie PRO mit einer Spende
Bei PRO sind alle Artikel frei zugänglich und kostenlos - und das soll auch so bleiben. PRO finanziert sich durch freiwillige Spenden. Unterstützen Sie jetzt PRO mit Ihrer Spende.

Ihre Nachricht an die Redaktion

Sie haben Fragen, Kritik, Lob oder Anregungen? Dann schreiben Sie gerne eine Nachricht direkt an die PRO-Redaktion.

Offline, Inhalt evtl. nicht aktuell

PRO-App installieren
und nichts mehr verpassen

So geht's:

1.  Auf „Teilen“ tippen
2. „Zum Home-Bildschirm“ wählen