„GEO Epoche“ widmet sich der Bibel-Epoche

Die am Mittwoch erschienene Geschichtszeitschrift "GEO Epoche" mit dem Titel "Das Heilige Land" beschäftigt sich ausführlich mit dem Zeitalter der Bibel. "Die Ausgabe spiegelt vielfach einen Forschungsstand wider, der in der präsentierten Form längst überholt ist", kritisiert Walter Hilbrands, Dozent für Altes Testament an der FTH Gießen, das Heft.
Von PRO

Auf 172 Seiten ergründet die neue Ausgabe die Geschichte hinter der
biblischen Geschichte und begibt sich auf Spurensuche ins alte
Palästina.
"Wir wollen mit unseren Heften transparent machen, wie wenig
wir über bestimmte geschichtliche Sachverhalte wissen", erläutert
Chefredakteur Michael Schaper gegenüber pro das Konzept von "Geo
Epoche". "Dazu haben wir Autoren ausgewählt, die Themen spannend
erzählen, aber nicht trivial darstellen."



Der große Mythos Mose


Die
aktuelle Ausgabe der Geschichtszeitschrift ist chronologisch aufgebaut.
Der erste Artikel widmet sich der biblischen Figur Mose, die von Autor
Cay Rademacher so eingeführt wird: "Er ist ein Findelkind, ein
Totschläger, ein schlechter Redner. Dennoch gelingt es Moses, die
Israeliten vom ägyptischen Joch zu befreien, im Glauben an Gott hinter
sich zu vereinen und ins Gelobte Land zu führen. So zumindest erzählen
es die Fünf Bücher Mose, mit denen die Bibel beginnt. Doch was geschah
wirklich?"


Nach einem kurzen geschichtlichen Abriss erklärt der Autor, dass sich die Verfasser des Alten Testaments als gewissenhafte Chronisten erwiesen hätten, aber die biblischen Angaben vielfach trotzdem nicht der historischen Realität entsprächen. Historische Personen wie der Philister-König Abimelech, von dem die Bibel berichtet, seien etwa erst ein Jahrhundert später ins Land gekommen.



Rademacher bilanziert: "Aus den Erinnerungen der Überlebenden, immer wieder forterzählt, wird über Jahrhunderte schließlich der große Mythos von Mose, vom Auszug aus Ägypten, von den Zehn Geboten am Berg Sinai und der kriegerischen Einnahme des Heiligen Landes." Zu einem ähnlichen Ergebnis kommt GEO-Redakteur Johannes Strempel bei König Salomo. Nach einem kurzen biblischen Bericht fasst er zusammen, dass die wissenschaftlichen Erkenntnisse mit den biblischen Berichten nicht übereinstimmen und viele der überlieferten Salomo-Geschichten mit Sicherheit nicht "authentisch" sind. "Es war uns wichtig, dass wir unsere biblischen durch andere antike Quellen ergänzen und sich so ein gutes Gesamtbild ergibt", begründet Chefredakteur Schaper die Vorgehensweise seiner Autoren.

Von den biblischen Personen des Neuen Testaments werden König Herodes, Jesus und die Evangelisten genauer portraitiert. Herodes ist, laut "GEO Epoche", nicht der verkannte Tyrann, wie er in der Bibel dargestellt wird. Aus Sicht des Autoren Mathias Mesenhöller, deutet viele darauf hin, dass er nicht der "Dämon und Feind Gottes war, als den ihn die Überlieferung gebrandmarkt hat".



"Der Mensch ist nicht zu fassen"



Der Artikel über Jesus beginnt mit den Worten: "Dieser Mensch ist nicht zu fassen." Im Artikel werden ihm Sätze zugeschrieben wie: "Er liebt nicht das Eindeutige, sondern das Paradox: Er lehrt Demut – aber lässt sich mit duftenden Salben einreiben, die ein Vermögen kosten." und "Schon seine Geburt ist eine einzige Verwirrung." Autor Jörg-Uwe Albig schreibt: "Und so blieb jahrhundertelang auch die Biografie des Menschensohns eine reine Frage des Glaubens. Die Person Jesu reduzierte sich auf ein Objekt des Reliquienkults, wurde zum bloßen Kristallisationspunkt für theologische Dispute – etwa über die göttliche und/oder menschliche Natur des Erlösers."



Erst im 18. Jahrhundert seien durch den Theologen und Freidenker Hermann Samuel Reimarus Versuche unternommen worden, das Leben Jesu von Mythen zu befreien, mit denen er "atheistische Angriffe" verteidigen wollte. Bei diesen Forschungen sei er auf immer neue Widersprüche und Unwahrscheinlichkeiten gestoßen. "Sein Verdacht, den er zu Lebzeiten nicht öffentlich zu äußern wagte: Die christliche Botschaft sei gar nicht die Lehre Jesu, sondern das Werk der Apostel", heißt es in dem GEO-Artikel. FTH-Dozent Hilbrands weist gegenüber pro darauf hin, dass Reimarus als Vertreter der Aufklärung zu den Wegbereitern der Bibelkritik zählt und seine Aussagen vor diesem Hintergrund zu bewerten sind.

Kreuzigung Jesu infrage gestellt



Auch in der Zusammenfassung findet der GEO-Artikel eindeutige Worte über Jesus: "Dass Jesus gelebt hat, ist nicht mehr umstritten. Wer genau er war, schon." Anhand der kargen Quellenlage gebe es mittlerweile auch Theologen, wie den Schweden Gunnar Samuelson, die eine Kreuzigung Jesu infrage stellten. Das Heft endet mit der Zerstörung des Tempels und einer Charakterisierung der Evangelisten. Derjenigen Männer, die die Frohe Botschaft aufgeschrieben haben, die noch heute Bestand hat.



Walter Hilbrands, Dozent für Altes Testament an der FTH Gießen, hat sich das Heft für pro genauer angeschaut: "Die Ausgabespiegelt vielfach einen Forschungsstand wider, der in der präsentierten Form längst überholt ist. Dies betrifft die klassisch gewordene Zwei-Quellen-Theorie der Synoptiker oder die Behauptung, dass am Anfang mehrere apokryphe Evangelien konkurrierten, bis sie von der Kirche verworfen wurden. aber man vertritt die Sichtweise der sog. Minimalisten, die alles Biblische bezweifeln, wenn es nicht durch die Archäologie bewiesen wird."



Dass Kamele zur Zeit Abrahams noch nicht domestiziert waren, ist aus Sicht des Gießener Theologen widerlegt. Die Aussage, dass die biblischen Jahresangabefür den Exodus nicht stimmen könnten, basiere auf der Spätdatierung des Exodus im 13. Jahrhundert zur Zeit des Ramses, was aber nach konservativen Forschern erst die Widersprüche entstehen lasse. Bedauerlich an der Ausgabe sei, dass man bei den Bildern weitgehend auf die viel spätere christliche Kunstgeschichte zurückgegriffen habe, statt Fotos der Landschaften und der entdeckten Artefakte zu verwenden. Das unterstreiche den Eindruck, bei den meisten biblischen Geschichten handele es sich nur um überlieferte Legenden.

"Dennoch ist das Heft insgesamt ordentlich recherchiert und nicht so hyperkritisch wie etwa die Spiegel-Hefte zur Weihnachts- oder Osterzeit. In weiten Strecken wird zwar der biblische Bericht zur Darstellung gebracht, jedoch immer wieder kritisch hinterfragt. Ich würde das Heft nur Lesern empfehlen, die bereits gewisse  theologische Vorkenntnisse haben und die Thesen der Autoren einzuordnen wissen."

"GEO Epoche" liegt eine DVD mit einer vierteiligen Dokumentation bei, in der die den sogenannten Minimalisten zählenden Forschern Israel Finkelstein und Neil A. Silberman das Alte Testament mittels archäologischer Funde überprüfen und – laut eigener Pressemitteilung – "zu erstaunlichen Ergebnissen gelangen". Das Heft kostet 9 Euro, inklusive DVD 15,90 Euro. "GEO Epoche" erscheint in einer Auflage von 150.000 Stück. (pro)

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