Genug Stoff für einen Comedy-Film – „Religulous“ startet

Seien wir ehrlich. Wenn ein helles Köpfchen wie der amerikanische Komödiant Bill Maher einen Film über die abstrusen Auswüchse von Religionen macht, muss fast jeder irgendwo schmunzeln. Selbst ein Gläubiger. Spätestens dann, wenn es um die Religion geht, die er selbst am lächerlichsten findet. Mahers Film "Religulous", der am Donnerstag in Deutschland anläuft, will vor allem eins: Religionen lächerlich machen. Was er dabei jedoch nicht schafft, ist, ihnen wirklich Schwierigkeiten zu bereiten.
Von PRO

Ein alter Filmausschnitt. Ein Bibel-Film von anno dazumal zeigt den biblischen Abraham, der von Gott aus dem Himmel den Auftrag erhält, seinen Sohn Isaak zu opfern. Er gehorcht. Eine grausame Vorstellung, die in biblischer Zeit von einem starken Glauben zeugte, in unserer Zeit jedoch direkt in die Psychiatrie führen würde. Dann: Ausschnitte aus einer (echten) Nachrichtensendung. Eine Gerichtsverhandlung im Amerika der 80er Jahre, eine Frau sitzt auf der Anklagebank, weil sie ihre Söhne umgebracht hat. Gott habe es ihr befohlen, sagt sie. Wenn Eltern ihre Kinder opfern, soll uns der Zusammenschnitt sagen, ist meistens Religion im Spiel. Wir sind mitten drin in „Religulous“, dem Film, in dem der halb jüdische, halb katholische Comedian Bill Maher seinen Frust über die Religion entlädt.

Wer glaubt, Gott könne einem Menschen Befehle geben, ist wirr. Wer glaubt, Schlangen könnten sprechen, wie im Alten Testament beschrieben, oder ein Kind könnte von einer Jungfrau geboren werden, ist verdächtig. Maher befragt einen Vertreter der noch recht jungen Wissenschaft „Neurotheologie“ (eine Mischung aus Hirnforschung und Theologie) namens Andrew Newberg und bekommt die Antwort, die er haben möchte: „Wie wir bestimmen, was in den Religionen verrückt ist und was nicht, hängt davon ab, wie wir das Wort ‚verrückt‘ definieren. Wenn man es als mental krank bezeichnet, dass jemand Stimmen hört, dann ist jeder verrückt, der die Stimme Gottes zu vernehmen meint.“

Maher fühlt sich bestätigt: „Das ist es, was ich immer sage. Religionen sind eine neurologische Erkrankung.“ Damit lässt sich dann alles als krank bezeichnen, was auch nur entfernt mit Religion zu hat. Und das ist viel. Der Mensch ist nun einmal ein religiöses Wesen, zumindest kann man sich nicht vorstellen, dass die Psychiater alle Menschen dieser Erde heilen wollen, die an etwas Höheres glauben. Es wäre auf jeden Fall die große Mehrheit der 6,5 Milliarden ihrer Bewohner.

Der 53-jährige Bill Maher präsentiert in seinem 2008 erschienen Film ein Kuriositätenkabinett aus den wichtigsten Religionen dieser Welt. Das Wort „Religulous“ setzt sich zusammen aus den englischen Begriffen für „religiös“ („religious“) und „lächerlich“ („ridiculous“). Während die Produktion lediglich 2,5 Millionen Dollar gekostet hat, spielte der Kinofilm in den USA bislang bereits 13 Millionen Dollar in die Kassen. Damit steht sie auf der Liste der erfolgreichsten Dokumentarfilme auf Platz 7. Auf Platz 1 steht übrigens „Fahrenheit 9/11“, der 2004 wie „Religulous“ bei „Lionsgate“ erschien, der kommerziell erfolgreichsten Produktionsfirma für Independentfilme in Nordamerika. Der Film knüpfte sich George W. Bush satirisch vor, und 120 Millionen eingespielte Dollar machten den einstigen „Underdog“ Michael Moore endgültig zum Multimillionär.

Oft ist der Ärger Mahers über die religiösen Vertreter verständlich und nachvollziehbar. Dabei pickt er sich nur die harmlosesten Religionen heraus. Es ist wahrlich zum Lachen, wenn „ausgestiegene“ Mormonen berichten, dass ihre im 19. Jahrhundert gegründete Religion Gott als eine Person aus Fleisch und Blut ansieht, die auf einem Planeten namens Kolab lebt und mit Maria ein Kind zeugte; oder wenn ein Puertorikaner in seiner großen Gemeinde in Miami predigt, selbst die Reinkarnation Jesu Christi zu sein; oder wenn Imame immer wieder betonen, dass Islam Frieden heißt, gleichzeitig aber weltweit die schlimmsten Verbrechen im Namen des Korans begangen werden; oder wenn Juden und Moslems seit Jahrzehnten das selbe Stückchen Land beanspruchen, sich bis auf’s Blut bekämpfen und sich dabei auf ein uraltes Buch beziehen; oder wenn orthodoxe Juden eine komplizierte Kaffeemaschine bauen, die von selbst an- und wieder ausgeht und meinen, so vor einem Verstoß gegen das Sabbatgebot geschützt zu sein. Ganz zu schweigen von den Lehren Scientologys. Religion bietet genug Stoff für einen Comedy-Film.

Gut gecuttet ist halb gewonnen

Maher interviewt den schwarzen Prediger Jeremiah Cummings. Der war einst Mitglied der Pop-Band „Harold Melvin & the Blue Notes“, dessen größter Hit 1972 „If You Don’t Know Me By Now“ war. Er war Moslem, wurde dann aber Christ und predigt seitdem besonders unter Moslems die Frohe Botschaft. So versucht er nur anhand des Korans dazulegen, dass Jesus der Messias ist. Wer seinen Auftritt in „Religulous“ sieht, muss allerdings glauben, dass Cummings ein Scharlatan ist, der es vor allem auf das Geld seiner Gemeindemitglieder und auf ein luxuriöses Leben abgesehen hat. „Nennen Sie mich Doktor“, beginnt Cummings augenscheinlich das Interview mit dem Comedian. Und sein bekannter Song, sagt er – gar nicht bescheiden -, habe Platin erhalten. In feinem Anzug, in teuren Schuhen und mit Goldkette provoziert er die Frage danach, ob ihm Wohlstand eigentlich wichtig sei. „Jesus war gut gekleidet“, antwortet der und schiebt als Erklärung nach: „Als er geboren wurde, bekam er Gold. Er war nicht arm.“ Cummings wehrte sich später gegen die Darstellung seiner Person im Film. Den Satz „Nennen Sie mich Doktor “ etwa habe er so nie gesagt. Und tatsächlich ist sein Mund in diesem Moment nicht zu sehen. Den Anzug, auf den Maher anspielt, habe er Jahre zuvor in einem Second Hand-Geschäft gekauft und habe 200 Dollar gekostet. Sollte der Filmemacher seinen Interviewpartnern etwa Sätze in den Mund gelegt, sie belogen und ausgetrickst haben? Wer „Religulous“ aufmerksam anschaut, entdeckt jedenfalls eine Vielzahl von Tricksereien.

Eins steht fest: Der Fragesteller in diesem Film, Bill Maher, will keine Antworten. Von seinen Interviewpartnern will er lediglich Statements, die er am Computer durch den Fleischwolf namens Schnittprogramm drehen kann. Einzelne kurze Clips werden so geschickt wieder neu aneinandergereiht, dass die Personen genau das sagen und so reagieren, wie Maher es will. Die Interviewten werden so zu Handpuppen, von denen sogar einzelne Wörter an die richtige beziehungsweise falsche Stelle gesetzt wurden. Von Michael Moore weiß man, wie gekonnt die Antworten auf Band später völlig anderen Fragen zugeordnet werden können, so dass es später wie eine echte Konversation aussieht. Maher geht teilweise noch einen Schritt weiter: Manche Aussagen wurden offensichtlich nachträglich neu eingesprochen und Geräusche hinzugefügt. Ein Rabbi in Jerusalem, der sich in seinen Stuhl setzt, bekommt dann schon mal ein lautes Quietschen verpasst, damit die Szene ein wenig an Lächerlichkeit gewinnt, ein anderer orthodoxer Jude, der durchs Bild läuft, scheint Maher zuzubrummeln: „Schmock!“ – was er aber in Wirklichkeit offenbar gar nicht getan hat.

Echte Antworten unerwünscht

Das ist nicht nur nah an der Grenze der Legalität, sondern auch enttäuschend. Einem Mann wie Francis Collins etwa, Autor des Buches „Gott und die Gene“, Chef des Human Genome Projects und vom Atheismus zum Christentum bekehrter Wissenschaftler, könnte man sicherlich hunderte interessante Fragen zum Glauben stellen, und man bekäme keine dummen Antworten. Collins kommt bei Maher insgesamt gerademal 30 Sekunden zu Wort. Antworten auf brennende Fragen zum Christentum? Unerwünscht.

„Die Evidenz dafür, dass Jesus gelebt hat, ist überwältigend“, darf Collins noch sagen, bis Maher ihm wie gewohnt dazwischenfährt: „Nein, Jesu Existenz ist nicht bewiesen. Alles, was wir haben, sind die Evangelien-Schreiber. Die sind aber nicht historisch. Die Schreiber der Evangelien haben Jesus niemals getroffen, auch Paulus nicht. Niemand, der über Jesus geschrieben hat, hat ihn jemals getroffen.“ Einen Juden, der an Jesus glaubt, fragt Maher, ob er von einem Wunder erzählen könne, das er erlebt habe – und macht sich gleich darauf genau darüber wieder lustig. Als Maher ansetzt: „Wenn Du an den Weihnachtsmann glauben würdest…“, wirft sein Gegenüber berechtigterweise ein, dass er keineswegs an den Weihnachtsmann glaube. Daraufhin macht sich Maher darüber lustig, wie lächerlich es sei, an den Weihnachtsmann zu glauben und listet genüsslich alle Gründe auf, die dagegen sprechen. Was soll das beweisen?

Die Enttäuschung, die nach solch unfairen Interviewversuchen nahezu jedes Mal in die Gesichter der Befragten geschrieben ist, wird gnadenlos in Großaufnahme gezeigt. Soll sagen: die armen Gläubigen, wenn sie auf Bill Maher stoßen, sind auch sie schon bald mit ihrem Latein am Ende. In Wirklichkeit drückt ihr trauriges Gesicht wohl lediglich aus: „Wie schade, dass sich dieser Mann nicht wirklich auf ein ernstes Gespräch über den Glauben einlässt.“

Wenn seine bissigen Fragen oder seine gleich mitgelieferten Antworten im Interview nicht ausreichen, seinen eigenen Standpunkt klarzustellen, interviewt sich Maher anschließend während der Fahrt im Team-Bus einfach noch selbst. Im Interview vergessenen Spott liefert er so nach. Und wenn auch das nicht reicht, blendet er einfach nachträglich zynische Kommentare in Form von Untertiteln ein. Gegen die sich der Interviewte natürlich nicht wehren kann.

Ehemals katholisch-jüdisch, jetzt glühender Agnostiker

Bill Maher ist einer der Großen im amerikanischen Fernsehen. Neun Jahre war er Gastgeber der Talkshow „Politically Incorrect“ auf „Comedy Central“ und ABC. Derzeit leitet der Berufszyniker die Sendung „Real Time with Bill Maher“ auf HBO. Der 53-Jährige gilt als einer der scharfzüngigsten Kommentatoren, die regelmäßig über Hollywood, rechte Politik und Religion lästern.

Er war nicht immer gegen Religion, sagt er. Seine Mutter ist Jüdin, sein Vater war Katholik. Als er 13 war, ging seine Familie jedoch nicht mehr in die Kirche. Wenn er seine eigene Familie vor die Kamera setzt und sie und seine eigene Glaubensgeschichte in den Film mit einbringt, ist das durchaus sympathisch. Maher legt die Karten auf den Tisch. Seine Mutter und seine Schwester interviewt er in der katholischen Kirche, in die sie einst gemeinsam gingen. Nun lautet Mahers Credo jedoch: „Mein Evangelium ist: Ich kann es nicht wissen!“ Ein Agnostiker, kein Atheist also, der jedoch so viel Wut gegen Religionen hat, dass er keine Lust mehr hat, wirklich zuzuhören oder weiterzusuchen. Zur Motivation, seinen Film zu machen, sagt er: „Ich stelle Gott nicht in Frage. Ich mache mich nur lustig über die Religionsausüber.“ (PRO)

Den vollständigen Beitrag lesen Sie in der neuen Ausgabe des Christlichen Medienmagazins pro, die am 24. April 2009 erscheint.

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