Generation Medien: Kaum mehr ohne

Heutige amerikanische Jugendliche verbringen mehr Zeit mit Medien als mit irgendeiner anderen Tätigkeit – außer dem Schlafen vielleicht. Das ist das Ergebnis einer umfassenden Studie amerikanischer Forscher. Während diese vor fünf Jahren bereits dachten, mehr Mediennutzung an einem Tag ginge gar nicht, hat sie die neue Studie eines Besseren belehrt.
Von PRO
Kinder und Jugendliche in Amerika verbringen täglich mehr als siebeneinhalb Stunden mit Medien. Vor fünf Jahren waren es noch sechseinhalb Stunden. Die Zeit, die junge Menschen heutzutage mit Unterhaltungsmedien verbringen, sei "dramatisch angestiegen", verkünden die Autoren einer Studie über das Medienverhalten von Jugendlichen im Alter zwischen 8 und 18 Jahren. Die "Kaiser Family Foundation" hat die Ergebnisse der Untersuchung nun veröffentlicht, die Daten von drei Studien aus den Jahren 1999, 2004 und 2009 umfasst und nach eigener Aussage die "größte und ausführlichste öffentlich zugängliche Quelle von Informationen über die Mediennutzung amerikanischer Jugendlicher" ist.

"Die Fernseh-Shows, die Videospiele, Lieder, Bücher und Webseiten, die sich Jugendliche ansehen, sind ein enorm wichtiger Teil ihres Lebens, sie stellen einen konstanten Strom von Botschaften über Familien, Gleichaltrige, Beziehungen, Geschlechterrollen, Sex, Gewalt, Essen, Werte, Kleidung und zahlreiche andere Themen dar, die Liste ist lang", heißt es in dem Bericht.

Jugendliche in Amerika verbringen demnach im Durchschnitt 7 Stunden und 38 Minuten mit elektronischen Medien. Das sind mehr als 53 Stunden in der Woche. Dabei schenken viele Jugendliche oft gleich mehreren Medien gleichzeitig ihre Aufmerksamkeit. Würde man die Benutzung der Medien einzeln betrachten, ergäbe sich sogar eine Zeit von 10 Stunden und 45 Minuten am Tag, so die Forscher. "Das ist eine riesige Überraschung", sagte Donald F. Roberts, emeritierter Professor für Kommunikationswissenschaft an der Universität Stanford, und Mitautor des Berichtes, gegenüber der "New York Times". Bei der letzten Studie im Jahr 2004 sei er davon ausgegangen, dass die Mediennutzung eine obere Grenze erreicht hätte, "denn mehr Stunden gibt ein normaler Tag einfach nicht her, als dass die Kinder noch mehr Zeit mit den Medien verbringen könnten. Und jetzt ist es wieder eine Stunde mehr", so Roberts. Die "New York Times" überschrieb ihren Bericht über die Studie mit den Worten: "Wenn Ihr Kind wach ist, ist es wahrscheinlich online."

Handy am Morgen, Handy am Abend

Unangefochten an der Spitze der Mediennutzung steht wie bisher das Fernsehen. Die Zeit, die Jugendliche mit Fernsehen verbringen, stieg von 3 Stunden 47 Minuten im Jahr 1999 auf viereinhalb Stunden. An zweiter Stelle steht die Musik, dann kommt der Computer. Mit Videospielen verbringen die Jugendlichen täglich durchschnittlich eine Stunde und 34 Minuten. Vor elf Jahren waren es gerade einmal 26 Minuten.

Die Zeit, die die Jugendlichen mit dem Lesen von Magazinen verbringen, sank in den vergangenen fünf Jahren von 14 auf 9 Minuten täglich. Die Tageszeitung lesen sie heutzutage im Durchschnitt 3 Minuten, anstatt wie noch vor fünf Jahren 6 Minuten. Bücher sind so im Laufe der vergangenen zehn Jahren wichtiger geworden: Jugendliche widmen ihnen mittlerweile 25 Minuten am Tag anstatt 21 Minuten wie damals.

Ein Grund für den Zuwachs an Mediennutzung in den vergangenen Jahren sehen die Forscher in der starken Verbreitung von Mobilfunkgeräten. "Wecken Sie einen Teenager am Morgen, und die Wahrscheinlichkeit ist groß, dass Sie ein Handy unter seinem Kopfkissen finden. Es ist das Letzte, das sie vor dem Einschlafen benutzen und das erste, was sie nach dem Aufwachen  ergreifen."
20 Prozent der Mediennutzung laufe heutzutage bei Jugendlichen über mobile Geräte: Handy, mp3-Spieler oder tragbare Spielekonsolen.

Während vor fünf Jahren von den 8- bis 18-Jährigen gerade einmal 39 Prozent ein eigens Handy besaßen, sind es heute 66 Prozent. Mp3-Spieler haben heute 76 Prozent, damals nur 18 Prozent. Breitbandanschlüsse hätten es mit sich gebracht, dass Jugendliche heutzutage Videos und Filme online schauten anstatt über den Fernseher. Heutige Jugendliche benutzten den Computer eine Stunde und 29 Minuten außerhalb der Schulaufgaben. Das ist fast eine halbe Stunde mehr als noch vor fünf Jahren. 71 Prozent der Kinder besitzt einen eigenen Fernseher. Jeder Zweite hat Kabel- oder Satellitenfernsehprogramm im eigenen Zimmer. Vor zehn Jahren waren es nur rund 30 Prozent.

Die Forscher hatten zwischen Oktober 2008 und Mai 2009 über 2.000 Jugendliche befragt. Zusätzlich führten 700 Schüler ein freiwilliges Tagebuch über ihre Mediennutzung. Die Jugendlichen im Alter zwischen 8 und 18 Jahren sollten ihre Nutzung von Medien wie Fernsehen, Computer, Videospiele, Musik, Print, Handys und Filme angeben.

Wie viel schadet der Seele?


Die Autoren weisen darauf hin, dass Jugendliche deutlich weniger Medien nutzten, wenn deren Eltern weniger Medien im Hause angeschaltet hatten, beim Mittagessen etwa den Fernseher ausschalteten, den Fernsehkonsum einschränkten oder den Kindern keinen Fernseher ins Kinderzimmer stellten. Weiter schreiben sie: "Jugendliche mit großem Medienkonsum sagen eher, dass sie in Schwierigkeiten sind, trauriger sind oder dass sie öfter gelangweilt sind." Dennoch weisen sie darauf hin: "Diese Studie kann nicht klären, ob es einen kausalen Zusammenhang zwischen Mediennutzung und Schulnoten oder persönlicher Zufriedenheit gibt. Und wenn es solche Zusammenhänge geben sollte, kann es sie in beide Richtungen geben."

R. Albert Mohler, Leiter des Theologischen Seminars der "Southern Baptist Church" in Louisville, Kentucky, kommentierte den Bericht im Magazin "Christian Post": "Es gibt kein Zurück mehr aus der digitalen Revolution. Es ist für die meisten Familien nicht realistisch, die elektronischen Medien einfach abzuschalten. Trotzdem ist dieser wichtige Bericht eine Warnung, dass die amerikanischen Jugendlichen in einem Ozean des Medienkonsums ertrinken. Es gibt viele  Gründe für Eltern, sich über die Gefahren klar zu sein. (…) Wie sieht der Einfluss aus, den die Medien-Sättigung auf die Seele hat? Das ist eine Frage, die sich Erwachsene in Amerika stellen müssen, ebenso wie Jugendliche."

Michael Rich, Kinderarzt eines Kinderkrankenhauses in Boston, und Leiter des Zentrums für "Medien und Kindergesundheit", sagte der "New York Times", man solle nicht mehr länger darüber streiten, ob Medien für Jugendliche schädlich seien oder nicht, sondern stattdessen einfach akzeptieren, dass sie Teil ihres Lebens geworden seien. "So wie die Luft, die sie atmen, das Wasser, das sie trinken und das Essen, das sie zu sich nehmen."

Mohler widerspricht dem jedoch in seiner Kolumne in der "Christian Post": "Diesen Rat können christliche Eltern nicht so befolgen." Diese Technologien haben ihren Platz, aber es ist Aufgabe von Eltern, Regeln aufzustellen, die ihre Kinder und Teenager davor beschützen, von der Technologie und einer Armee von digitalen Geräten beherrscht zu werden. Eltern müssen den Mut und die Weisheit finden, herauszufinden, wann es Zeit ist, abzuschalten." (pro)
http://www.kff.org/entmedia/upload/8010.pdf
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