Gendern verbieten?

Markus Söder will das Gendern in Bayern verbieten. Die PRO-Redaktion diskutiert: Ist das notwendig oder übertrieben?
Von PRO
Bayerns Ministerpräsident Markus Söder (CSU)

Pro: Behörden müssen verständlich formulieren

von Nicolai Franz

Sprache verändert sich. Tag für Tag. Dazu muss man noch nicht einmal die Luther-1912-Übersetzung der Bibel zücken, wo man über den geläufigen Gebrauch von „Weib“ für „Frau“ staunen kann (516 Mal). In der Regel dauert es Jahre oder Jahrzehnte, bis sich die Bedeutung eines Wortes ändert. Zum Beispiel beim Adjektiv „toll“: Früher bedeutete es „verrückt“ oder „verwirrt“, heute bedeutet „toll“ etwas Gutes. Es sei denn, man hat eine Tollkirsche gegessen.

Beim Gendern ist es aber anders. Hier hat sich die Sprache nicht allmählich gewandelt, nachdem immer mehr Menschen eben so gesprochen und geschrieben haben. Stattdessen hat eine Gruppe von Menschen die gegenwärtige Sprache, insbesondere das generische Maskulinum, für ungerecht erklärt. 

Also hat sie bestimmte Gender-Formen entwickelt – die übrigens auch von einer Mehrheit der Frauen abgelehnt werden. Die populärste ist der Asterisk, also das Gender-Sternchen: Aus „Freunden“ wird „Freund*innen“. Es gibt aber auch noch die Formulierungen „Freund:innen“ oder „Freund_innen“. 

Der Rat für deutsche Rechtschreibung hat diesen Sonderzeichen im Sommer eine Absage erteilt: „Ihre Setzung kann in verschiedenen Fällen zu grammatischen Folgeproblemen führen, die noch nicht geklärt sind, z.B. in syntaktischen Zusammenhängen zur Mehrfachnennung von Artikeln oder Pronomen (der*die Präsident*in).“

Natürlich kann jeder (womit „alle“ gemeint sind) so sprechen und schreiben, wie er will: Deutsch, Englisch, mit oder ohne Rechtschreibfehlern, in VERSALIEN oder mit absichtlich falscher sChReIbWeIsE, zum Beispiel um sich über etwas zu mokieren.

Aber staatliche Behörden und Schulen müssen sich nun mal an allgemeingültige Normen halten. Dafür ist der Rechtschreibrat maßgeblich zuständig. Alleine das wäre ein Grund, um Verantwortliche in staatlichen Stellen auf korrekte Rechtschreibung hinzuweisen.

Ein weiterer Punkt ist einer, der in der Diskussion meist unter den Tisch fällt: die Verständlichkeit. Gender-Konstruktionen machen Texte sprachlich ärmer – und gleichzeitig komplexer. Texte müssen aber verständlich sein. Auch für die Leser, die keine Geisteswissenschaften studiert haben. Gender-Konstruktionen fehlt häufig die Stringenz (wo ist eigentlich der Arzt bei „Ärzt*in“?) oder die sprachliche Präzision. Faktisch falsch wäre es zum Beispiel, von „unbekannten Täter*innen“ zu schreiben, wenn die Täter ausschließlich weiblich wären – oder männlich. 

Auch deswegen ist das Genderverbot in öffentlichen Stellen richtig.

Kontra: Jeder gendere nach seiner Fasson

von Anna Lutz

Fünfzig Prozent der Deutschen finden das Gendern von Sprache unwichtig. Markus Söder ist es dennoch wichtig genug, ein bayernweites Verbot anzukündigen. Binnen-I, Unterstrich und Gendersternchen werden also vielleicht bald in Behörden und Schulen im Freistaat verboten sein. Wer gendern will, der muss das künftig mit der längeren Variante einer zusätzlichen Nennung der weiblichen Form tun: Bürgerinnen und Bürger. Oder eben beim Generischen Maskulinum bleiben und es ganz lassen.

Ein Großteil der Deutschen lehnt Gendersprache ab. Das gilt auch für die Bayern und das ist Söder wohl bewusst. Dass die Mehrheitsmeinung aber nicht immer das größtmögliche Wohl des Volkes bedeutet, ist ein Grund dafür, dass es hierzulande auf Bundesebene keine Plebiszite, also Volksentscheide, gibt.

Sprache ist da ein gutes Beispiel: Es gilt als erwiesen, dass Frauen sich durch die Verwendung der ausschließlich männlichen Form seltener oder gar nicht angesprochen fühlen. Sie sind sprachlich unsichtbar und damit oft auch in der gesellschaftlichen Realität. Wer vom Arzt oder Astronauten spricht, der hat eben ein bestimmtes Bild im Kopf: das eines Mannes. Sprache schafft Wirklichkeit, das wissen wir nicht erst seit George Orwell. 

Womit eigentlich nur eine Frage offenbleibt: Sollte es nicht eher Ziel der Politik sein, Geschlechtergerechtigkeit zu fördern, anstatt sie durch überflüssige Verbote zu erschweren? 

Nicht jeder mag sich auf neuartige Formen wie Sternchen und großgeschriebenem I mitten im Wort einlassen wollen. Geschenkt. Denn das muss niemand. Möge doch jeder gendern, wie es ihm oder ihr beliebt. Oder es gar ganz lassen, wenn es so gar nicht über den Füller kommen mag. Lehrern ist dennoch zuzumuten, verschiedene Formen des Genderns in Diktaten als richtig anzuerkennen, Behörden umso mehr. 

Offenheit nutzt dem Miteinander der Geschlechter mehr als starre Sprachregeln und Gesetze, das sollten gerade die Gegner des Genderns anerkennen. Es geht hier nicht um grammatikalische Perfektion und Einheitlichkeit, Ausnahmen und unterschiedliche zulässige Schreibweisen kennt unsere Grammatik schon jetzt. Und im Falle von Behörden geht es nicht mal um gute Lesbarkeit, das sollte jedem klar sein, der schon mal eine Steuererklärung gemacht hat. Es geht um Gerechtigkeit in der Sprache. Da können wir uns wohl etwas Flexibilität leisten, ohne fürchten zu müssen, im Chaos zu versinken.  

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