Gegen alle Widerstände!



Gottesdienste unter freiem Himmel sind in China verboten. Den Glauben frei ausleben zu dürfen, ist ein Privileg, das weltweit nicht viele Menschen haben. Die Wochenzeitung "Die Zeit" portraitiert in ihrer aktuellen Ausgabe eine chinesische Untergrundkirche und deren Gläubige, die trotz aller Widerstände ihren Glauben bekennen und fleißig missionieren.
Von PRO

Ins Blickfeld der Regierung ist vor allem die Shouwang-Kirche geraten, die auf ihre Art und Weise den Aufstand gegen die staatliche Obrigkeit probt. Ihre Gottesdienste besuchen die Gemeindeglieder in dem Wissen, von der "Öffentlichen Sicherheit" festgenommen werden zu können – weil der Gottesdienst eigentlich nicht unter freiem Himmel stattfinden dürfte.



Besitz der Bibel ein schweres Vergehen



Die derzeitige Situation Chinas hat vor allem eine historische Komponente: Als die Kommunisten 1949 an die Macht kamen, ließen sie alle Glaubensrichtungen in staatlich überwachte Kirchen zusammenfließen. Ihre 20 Millionen Anhänger stehen seitdem unter der gnadenlosen Kontrolle von Staat und Partei. Ihre Pfarrer werden vom Staat bezahlt und entsprechend politisch beeinflusst. Diejenigen, die sich nicht dem staatlichen Druck unterwerfen wollten, trafen sich in Wohnzimmern, um die Bibel zu lesen – in Zeiten, in denen der Besitz der Bibel schon ein schweres Vergehen war.


Die Reformpolitik Ende der siebziger Jahre ließ viele Menschen wieder in die Kirche strömen: "Die Gefühle der Menschen waren so lange unterdrückt gewesen, und jetzt konnten sie sie endlich zeigen, es war eine psychische Befreiung und eine charismatische Bewegung", zitiert die "Zeit" Paul Liu. Der Wissenschaftler erforscht am Pu-Shi-Institut für Sozialwissenschaften das Thema Religion in China. Die Zahl der Hauskirchen – und damit auch ihr Selbstbewusstsein – sei in den neunziger Jahren vor allem durch evangelische Missionare gewachsen.


Der Staat steckt in einem Dilemma



Dieses Selbstbewusstsein nutzt die Shouwang-Kirche und hat ein Ultimatum an die Regierung gestellt. Falls die Gemeinde nicht den von ihr erworbenen Versammlungsort von der Regierung zur Verfügung gestellt bekomme, oder eine staatliche Garantie erhalte, wollen die Gläubige bis Weihnachten jeden Sonntag im Freien beten. Eine Bücherei, Veranstaltungen für Kinder und eine eigene Internetseite, sorgen ebenso dafür, gesehen und wahrgenommen zu werden. Die Kirche ist der Regierung "ein Dorn im Auge", will sich aber mit einem selbstbewussten Auftreten nicht unterkriegen lassen.


Den zahllosen evangelikalen Untergrundkirchen dürften vier Mal so viele Gläubige angehören, wie der staatlichen "Drei-Selbst-Kirche". "Manche bestehen aus einer Handvoll Bauern, die die Bibel nur rudimentär kennen; andere haben Tausende Mitglieder und ihr Oberhaupt hat im Ausland einen Doktortitel in Theologie erworben", schreibt "Zeit"-Autorin Angela Köckritz.
Menschen, die ihren Glauben öffentlichkeitswirksam leben, haben in der Vergangenheit nicht nur ihren Job, sondern auch Privilegien an ihrem Arbeitsplatz verloren. Doch durch seine zunehmende Toleranz stecke der Staat jetzt in einem Dilemma im Machtkampf mit einer "selbstbewussten Kirche".

"Die Regierung will die Existenz der Kirche nicht zugeben", so der Wissenschaftler Liu. In den vergangenen Jahren habe die Regierung bei den Untergrundkirchen beide Augen zugedrückt. Falls sie aber nun einer der Hauskirchen eine schriftliche Garantie zuspreche, bedeute das deren offizielle Anerkennung: Und wer eine der Kirchen anerkenne, müsse alle anerkennen. Dies hätte zur Folge, dass bald überall in Peking Kirchen oder Gotteshäuser stehen könnten. Durch die starke Verbindung des Christentums zum Westen, fürchte die Regierung zudem den Einfluss des Auslands, religiöse Infiltration und friedlichen Wandel.

Keine Märtyrer schaffen


Ein zu hartes Vorgehen gegen die Christen könnte zu einem Imageschaden für das wirtschaftlich florierende China führen. Statt Märtyrer zu schaffen, sollten die Gläubigen aber nur bewegungsunfähig gemacht werden. Dafür betreibt der Staat einen unglaublichen personellen Aufwand – alleine schon bei jedem Sonntagsgottesdienst der Shouwang-Kirche. Auch staatlicherseits ist ein interner Machtkampf entstanden. Das Religionsamt sieht die Untergrundkirchen als Konkurrenz der eigenen staatlichen Kirche, auf der anderen Seite möchte man die Behörden auch der lästigen Aufgabe der Christenüberwachung entledigen.



Einer der Gläubigen, der anonym bleiben möchte, hat eine Mission: "Die Kirche sei die Stadt auf dem Hügel, weithin sichtbar." Und ihre Zeit sei jetzt gekommen. Diesen Weg möchte die Shouwang-Kirche unduldsam und wenig kompromissbereit mit ihrem kämpferischen Pfarrer weitergehen. Der anonyme Gläubige erklärt: "Die Regierung weiß, sie kann vielleicht die Schlacht gegen Shouwang gewinnen, aber nicht den Krieg gegen die Hauskirchen. Den hat sie schon verloren. Sie wird sich bewegen müssen." (pro)

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