Gefallener Popengel?

Der Sänger Justin Bieber hat am Donnerstag auf Instagram drei Bibelzitate über Erlösung und Vergebung gepostet. Damit reagiert er auf ein diese Woche aufgetauchtes Video, in dem er rassistische Witze macht. Hadert Bieber etwa mit seinem christlichen Glauben? Ein Psychologe vermutet einen ganz anderen Grund für sein Tun.
Von PRO
Zwischen diesen beiden Bildern liegen fünf Jahre: Bieber (l.) 2009 als 15-Jähriger bei seinem Durchbruch und 2014 auf einem Polizeifoto nach seiner Verhaftung wegen Alkohols am Steuer
Teenie-Schwarm Justin Bieber bekannte sich am Anfang seiner Karrier wiederholt öffentlich zum christlichen Glauben. Der Sänger sagte gegenüber der Associated Press im November 2010: „Ich bin ein Christ, ich glaube an Gott. Ich glaube, dass Jesus ans Kreuz genagelt wurde und gestorben ist, um mich von meinen Sünden zu erlösen.“ Der damals 16-Jährige twitterte: „Ich bete vor jedem Auftritt und ich bin dankbar für jeden Segen, der mir zuteil wird.“ Auch seinen Körper zieren wetterfeste Jesusworte. So prangt auf Biebers Schulter der Psalmvers: „Dein Wort ist meines Fußes Leuchte und ein Licht auf meinem Weg.“ Ein Jesus-Portrait und betende Hände hat Bieber sich auf seine Wade tätowieren lassen, ebenso wie den hebräischen Schriftzug „Jeschua“, den er sich gemeinsam mit seinem Vater stechen ließ. Die Welt erfuhr von einigen der Tattoos ausgerechnet durch Polizeifotos. Der 20-Jährige hatte sich ein Autorennen in einem Wohngebiet von Miami Beach geliefert – unter Einfluss von Alkohol und Drogen. Im Stern stand zu lesen: „Suff, Drogen, Skandale – das kennt man von Sänger Justin Bieber. Doch Polizeifotos dokumentieren jetzt eine eher erstaunliche Neigung des Popstars: Seine Tattoos weisen ihn als Bibeljünger aus.“ Auch Bordell- und Strip-Club-Besuche sowie verwüstete Hotelzimmer werden dem Popstar nachgesagt.

„Gnade ist kein Raus-aus-dem-Gefängnis-Freischein“

Die sich häufenden Skandale lösen bei einigen Fans und Interessierten Verwunderung über das Verhalten des Sängers aus, teils sogar Sorge um ihn. Cathleen Falsani, Autorin des Buchs “Belieber! Fame, Faith and the Heart of Justin Bieber” (Ruhm, Glaube und das Herz von Justin Bieber), vermutet hinter Biebers Verhalten mehr als nur Jugend-Rebellion, sondern einen Beweis für eine tiefere Glaubenskrise. Falsani, die Bieber nicht persönlich kennt, meint in einem Interview mit dem Magazin The Daily Beast, der Sänger brauche eine lange Pause von der Öffentlichkeit und einen aufrichtigen Begleiter, etwa einen wahren Freund, Therapeuten oder geistlichen Leiter, „bei dem er sich an seine Weisheit und Obhut lehnen kann“. Sie fordert den Sänger auf: „Lass sie dich an Gottes Versprechen an uns alle erinnern“, und ergänzt: „Gnade ist kein Raus-aus-dem-Gefängnis-Freischein, aber sie deckt nicht nur eine Menge Sünden ab – sie deckt sie ganz ab. Auch wenn du eine Berühmtheit bist. […] Gnade ist das letzte Wort und daran sollten wir Justin erinnern.“ Darüber, ob die Exzesse des Stars mit seinem Glauben zusammenpassen, lässt sich streiten. Ob sein Glaube „echt“ ist, wissen nur er selbst und Gott. Dennoch fragen sich christliche Fans: Hat der Künstler seinen Glauben verloren? Borwin Bandelow, Facharzt für Neurologie und Psychiatrie und Autor des Buches „Celebrities — vom schwierigen Glück, berühmt zu werden“, verneint diese Frage. Er sagt gegenüber pro: „Es sieht nach außen hin aus, als ob die jungen Stars vom Glauben abgefallen sind, wenn sie unchristliche und kriminelle Dinge tun. Aber es ist gar nicht so.“ Seiner Theorie nach liegen bei Stars häufig narzisstische Persönlichkeitsstörungen vor, die zu einem großen Teil vererbt würden. Das seien aus Sicht der Psychologie andauernde und grundlegende Störungen des Selbstwertgefühls. Dabei lehnten Betroffene oft das eigene Selbst innerlich ab, während sie sich nach außen übertrieben selbstverliebt gäben. Menschen mit so einer Auffälligkeit strebten ständig nach Aufmerksamkeit, Anerkennung und überschätzten ihre eigenen Fähigkeiten. Ohne diese Eigenschaften hätten ehrgeizige Eltern keine Basis, ihre Kinder zu Berühmtheiten zu machen, meint Bandelow.

Endorphin-Mangel-Ausgleich um jeden Preis?

Weiter erklärt der Psychologe, dass es emotional instabilen Menschen an Endorphinen im Gehirn mangele, den Wohlfühlhormonen. Sie bemühten sich daher, diesen Mangel auszugleichen und ihren Endorphin-Spiegel nach oben zu treiben. Ein Weg sei, auf der Bühne zu stehen und von vielen Menschen Applaus zu bekommen. Das steigere die Glücksgefühle. Solche Menschen arbeiteten härter an ihrer Promi-Karriere als andere. Eine andere Möglichkeit, um den Endorphin-Pegel zu steigern, sei der Konsum von Drogen, Alkohol oder Nikotin, denn auch diese Mittel aktivierten die Endorphin-Rezeptoren. Auch „Sensation-Seeking“, das Suchen nach Abwechslung und neuen Erlebnissen, führe zu einer Endorphin-Ausschüttung. Um sich solche Spannungsreize zu verschaffen, führen einige Betroffene dann zu schnell Auto, wie Justin Bieber, äßen zu wenig, bis hin zur Magersucht, oder ritzten sich die Arme.

„Religion ist Opium des Volkes“

Bandelow geht davon aus, dass das Glücksgefühl, das Menschen spüren, wenn sie ihren Glauben gemeinsam ausleben, auf einen ähnlichen Effekt zurückgeht: „Wenn jemand einen sehr starken Glauben hat, dann erfährt er eine Endorphin-Ausschüttung.“ Bisher gebe es allerdings keine direkten Beweise für diese Theorie. Fest stehe aber, dass Gemeinschaftsgefühl, Musik, gemeinsames Singen oder selbst Spenden die Endorphin-Ausschüttung erhöhe. Der Philosoph Karl Marx habe also nicht falsch gelegen, als er im 19. Jahrhundert sagte, dass Religion das Opium des Volkes sei, meint Bandelow. Es sei nicht weiter verwunderlich, dass sich Menschen mit einem Defizit an Endorphinen intensiv mit unterschiedlichen Religionen beschäftigten, darunter auch Stars mit emotionalen Problemen. „Die Religiosität – und das ist das Komische – hindert auch Christen nicht daran, unchristliche Dinge zu tun, wie mit dem Auto rasen, Drogen nehmen oder Sex mit verschiedenen Partnern haben. Denn auch Sex erhöht die Endorphine“, erläutert Bandelow. Der Wissenschaftler hat sich ausführlich mit Biebers Familiengeschichte befasst und ist der Meinung, dass die Mutter des Sängers, Pattie Mallette, ihren Sohn im christlichen Glauben erzogen habe. Durch seine Recherchen schlussfolgert Bandelow: „Auch wenn ich sie nicht persönlich kenne: Aus der Sicht eines Psychiaters drängt sich mir die Annahme auf, dass sowohl Biebers Mutter als auch ihr Sohn Justin unter einer sogenannten Borderline-Störung leiden.“ Hinter diesem Begriff verbergen sich langfristige Probleme, die eigenen Gefühle zu steuern, sowie innere Anspannung. Das wirkt sich auf zwischenmenschliche Beziehungen aus: Diese können konfliktbeladen und instabil sein, die Patienten verletzen sich teils selbst, sind oft angespannt und ängstlich, fühlen sich innerlich leer und entwerten sich selbst. Wahr ist: Die 39-jährige Mallette war drogen- und magersüchtig, hat einen gescheiterten Selbstmordversuch hinter sich, verletzte sich selbst, wurde straffällig. Biebers Vater landete auch im Gefängnis und ist für seine Drogenvergangenheit bekannt. Weil Justin Bieber die Gene beider Eltern habe, sei er anfällig für eine Borderline-Störung, meint der Psychologe aus diesen Anhaltspunkten erkennen zu können. Im Februar ging das Gerücht durch die Medien, dass der kanadische Sänger auf der Suche nach einem Becken war, um sich von einem Pastor der Hillsong Church in New York City taufen zu lassen. Was in ihm wirklich vorgeht, wie oft und worüber er betet, weiß niemand. Dass Bieber dafür betet, sein Leben in den Griff zu bekommen, und vom lebendigen Gott Hilfe erwartet und Heilung erbittet, ist gut möglich. (pro)
https://www.pro-medienmagazin.de/kultur/musik/detailansicht/aktuell/justin-bieber-traenen-nach-kirchenbesuch-geruechte-um-sex-mit-fans-79690/
https://www.pro-medienmagazin.de/kultur/musik/detailansicht/aktuell/gangsterrap-fuer-gott-79794/
https://www.pro-medienmagazin.de/fernsehen/detailansicht/aktuell/lenkt-hillsongs-hipster-pastor-von-jesus-ab-88258/
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