Gebet auf Knopfdruck

Ein Berliner Künstler hat "den kleinsten Gebetsraum der Welt" erfunden. Im "Gebetomat" können Passanten Gebete aus aller Welt hören – auch das Vater Unser, muslimische Suren oder Gesänge tamilischer Pfingstler. Die Zellen touren derzeit durch Deutschland.

Von PRO

"Willkommen! Sie haben die Gelegenheit, unter zahlreichen Gebeten das für Sie passende zu wählen!" So werden Passanten in Berlin selten begrüßt. Noch seltener wohl durch eine Roboterstimme wie die des Gebetomaten, der derzeit zwischen Imbissbuden und Discountern in den Arminiusmarkthallen in Tiergarten steht. Im Innern des an einen Fotoautomaten erinnernden Geräts kann der Nutzer gegen Einwurf von 50 Cent fünf Minuten lang Gebete aus aller Welt hören – evangelische, katholische, muslimische, hinduistische, solche von Pfingstlern oder sogar von Scientology.

Erfinder des Gebetomaten ist der Regisseur und Künstler Oliver Sturm. Religiöses oder gar Missionarisches hatte er damit aber nicht im Sinn, erklärt er im Gespräch mit pro."Ich würde niemandem raten, den Automaten zur inneren Einkehr zu nutzen", sagt er. Auch er selbst sei "nicht im strengeren Sinne gläubig", auch wenn er lutherisch erzogen sei und jahrelang im Kirchenchor aktiv war. Er sei der christlichen Tradition und Ethik zwar zugeneigt, bezeichne sich aber eher als einen Menschen "mit pantheistischem Blick auf die Welt". Das erklärt zumindest die Vielfalt der Gebete im Gebetomat. Was aber wollte der Künstler mit seiner Arbeit bezwecken? "Mich hat die provokante Idee gereizt, Automatismus und Gebet miteinander zu verbinden und auch noch Geld dafür zu nehmen", sagt er.

Gebet gibt ein Stück Heimat

Derzeit gibt es drei Gebetomaten. Einer ist ab 21. Januar auf dem Festival "Frankfurter Positionen" zu sehen, ein weiterer lagert im Gebäude des Südwestfunk in Baden Baden. Seit 2008 reisen die Gebetomaten durch die Bundesrepublik. Sturm erinnert sich an witzige und kuriose Begebenheiten rund um seine eigenwillige Erfindung, etwa als der Gebetomat im SOS-Kinderdorf in Berlin-Moabit stand. "Die Kinder waren total begeistert und haben sich gerne die unterschiedlichen Gebete angehört", erinnert er sich, findet aber vor allem das Verhalten der internationalen Küchenhilfen im Nachhinein bemerkenswert: "Für die war der Gebetomat ein Stück zu Hause." So seien Mitarbeiter aus Sri Lanka in den Automaten gegangen, um tamilische Pfingstgebete aus ihrer Heimat zu hören.

Probleme hat die provokative Installation ihm bisher nur in Zusammenhang mit Scientology bereitet. So habe er etwa den Vorwurf gemacht bekommen, Gebete von Scientology gehörten nicht in den Automaten, weil die Sekte keine Religion sei. Darauf antwortet Sturm: "Der Gebetomat soll Gebete abbilden, nicht Religionen." Auch deshalb findet sich im Archiv des Geräts wohl auch eine Vater Unser-Version auf plattdeutsch oder das in charismatischen Gemeinden verbreitete Sprachengebet. Die Aufnahmen hat Sturm teilweise aus Archiven, größtenteils hat er sie aber selbst in unterschiedlichsten Gemeinden gemacht.

Gebetomaten in Tokio und Abu Dhabi

Für die Zukunft träumt Sturm davon, seinen "kleinsten Gebetsraum der Welt" in Japan und Abu Dhabi auszustellen. In Deutschland wird er unter anderem auf dem Evangelischen Kirchentag in Dresden zu sehen sein. "Der Automat hat auf jeden eine andere Wirkung: Für die einen ist er ein Spaß, für die anderen symbolisiert er Ruhe und wieder andere erinnern sich durch ihn an ihr zu Hause", sagt Sturm. In den Arminiusmarkthallen hat er eine noch ungeahntere Funktion bekommen und damit kurzfristig für Polizeipräsenz gesorgt. Eine Frau hatte Rauch aus dem Gerät kommen sehen und die Polizei informiert. Als der Beamte kam stellte er fest: Ein Jugendlicher hatte hinter zugezogenem Vorhang eine Zigarette geraucht. (pro)

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