Gaza-Krieg: „Das Handy ist mein wichtigster Begleiter“
Im Nahost-Konflikt ist das Smartphone für einen Großteil der Bevölkerung zum Lebensmittelpunkt geworden. In der Süddeutschen Zeitung berichten fünf junge Israelis und Palästinenser über den „Krieg in der Hosentasche“.
Von PRO
Foto: pro
Das Smartphone ist für viele junge Israelis und Palästinenser unentbehrlich und versorgt sie mit den neuesten Informationen zum Nahost-Konflikt
Er schaue kein Fernsehen mehr und Nachrichten lese er nur noch bei Facebook, sagt der 26-jährige Hussam, ein Zahnarzt aus Bethlehem. Ohne Handy habe er früher kaum etwas vom Krieg mitbekommen. „Jetzt bin ich live dabei, empfange Eilnachrichten“, sagt er. Durch die sozialen Netzwerke sei ihm außerdem bewusst geworden, dass sich viele Juden für den Krieg schämten und nur in Frieden leben wollten. In Hussams WhatsApp-Gruppe tauschten sich die Mitglieder nur noch über den Krieg aus. Hussam bedauert, dass sich viele seiner Landsleute mit der Situation abgefunden hätten und die politische Situation ausblendeten. Aber auch hier sei Facebook vorteilhaft: „Da bekommen auch diejenigen Updates, die gar keine Nachrichten lesen wollen.“
Auch die Israelin Yael, 31 Jahre alt und Architektur-Studentin aus Tel Aviv, berichtet, dass sich derzeit jedes Gespräch um den Krieg drehe. „Keine Minute, in der mein Handy nicht klingelt, jedes Piepsen eine weitere Nachricht vom Krieg“, sagt sie. Jede dieser Nachrichten deprimiere sie. Yael ist überzeugt, dass die Auseinandersetzungen „wieder zu nichts führen“ werden. „Ich habe die Hoffnung verloren, dass sich was ändert“, sagt sie.Yoav erzählt, nach jedem Alarm schreibe er per Smartphone mit seinem Bruder und seiner Schwester und frage, ob alles in Ordnung sei. Der 27-Jährige ist Student der Verhaltenswissenschaften in Tel Aviv. „Ich bin schon fast abhängig von meinem Smartphone“, sagt er. Nachrichten lese er meistens über Facebook. „Auf den Nachrichtenseiten stört mich, dass sich alle Ressorts nur noch mit dem Krieg befassen“, erklärt er. Zudem erfahre man zu wenig von der anderen Seite und wie es den Menschen in Gaza gehe. Auch vom Rest der Welt fühlt sich Yoav durch die seiner Wahrnehmung nach einseitige Nachrichtenlage abgeschnitten.
Erste Informationsquelle: Twitter
Sarah, 18 Jahre alt, studiert Ingenieurswissenschaften in Gaza. Sie wohnt noch bei ihren Eltern. Aus dem Haus gehen darf Sarah kaum, das sei zu gefährlich. Aus Angst vor den Explosionen schlafe sie nachts kaum noch. Wenn sie wach liegt, sei ihr Handy die einzige Lichtquelle. Strom gebe es nachts meistens nicht. Sie informiert sich über Facebook und Twitter über die aktuelle Lage im Gazastreifen. Ein Ereignis habe sie besonders schockiert. Auf Facebook entdeckte sie Fotos von Jungen, die am Strand von einer israelischen Rakete getötet wurden. Einen Monat zuvor hätte Sarah mit ihren Freunden und genau diesen Jungen als Statisten ein Spaß-Video am selben Strand gedreht. „Als ich das sah, habe ich zum ersten Mal so richtig vor Angst und Wut und Verzweiflung geweint“, erinnert sie sich.
Wenn Walaa, 21 Jahre und Englisch-Studentin aus Gaza, morgens vom Knall einer Explosion geweckt wird, schaut sie zuerst auf Twitter nach, was passiert ist. Vor kurzem sei ihre Freundin dort als Opfer eines israelischen Angriffs gemeldet worden. Das habe sich glücklicherweise als Falschmeldung herausgestellt. Weil der Strom immer wieder ausfällt, sei das Handy ihr „wichtigster Begleiter“. Sie wisse sonst oft nicht, was in Gaza vor sich gehe. Ähnlich wie bei Sarah lassen auch Walaas Eltern ihre Tochter kaum auf die Straße gehen. „Deshalb verbringe ich meine Tage auf Twitter und Facebook“, sagt die Studentin. Bei dem Besuch eines Krankenhauses habe sie festgestellt, dass eine Facebook-Mitteilung der israelischen Armee, die die Versorgung der Verletzen in Gaza versicherte, nicht der Wahrheit entsprach. „Im Gegenteil: Es gibt nicht genug Platz für die Verwundeten, die Ärzte sind überfordert“, sagte Walaa. Daraus schloss sie, dass „über soziale Medien viel Propaganda verbreitet wird.“ (pro)
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