Gauck zu Flüchtlingspolitik: „Wir könnten mehr tun“
Vor Selbstgerechtigkeit im Umgang mit Flüchtlingen hat Bundespräsident Joachim Gauck am Montag in Berlin gewarnt. „Wir könnten mehr tun. Wir könnten manches besser tun“, sagte er bei einem Symposium zum Flüchtlingsschutz der Evangelischen Akademie.
Bundespräsident Joachim Gauck zeigte sich am Montag betroffen angesichts der Lage vieler Flüchtlinge an den Grenzen zu Europa
In den ersten fünf Monaten dieses Jahres seien in Deutschland mehr als doppelt so viele Anträge auf Asyl gestellt worden wie im selben Zeitraum des Vorjahres. „In absoluten Zahlen kommen in kein Land Europas mehr Asylbewerber“, sagte der Bundespräsident, und weiter: „Gemessen an der Bevölkerungszahl aber liegt Deutschland in Europa längst nicht an der Spitze, sondern auf Platz neun, deutlich hinter Schweden, auch hinter Österreich, Ungarn und Belgien. Blicken wir nur auf uns selbst, neigen wir nicht selten zur Selbstgerechtigkeit. Ziehen wir aber auch in Betracht, wie viele andere dieselben oder ähnliche Probleme lösen, werden wir zwangsläufig demütiger.“
Dennoch könne Politik sich nie allein am humanitär Gebotenen messen, sondern immer auch am politisch Machbaren. „Ich möchte es eigentlich anders“, bekannte Gauck. Nie werde man allen Bedrohten und Verfolgten Zuflucht und Zukunft bieten können. Vor dem Hintergrund der jüngst bei der Überfahrt nach Lampedusa verstorbenen Flüchtlinge erklärte er: „Ich kann mich daran nicht gewöhnen. Niemand in Europa sollte sich daran gewöhnen.“
Eine gemeinsame europäische Flüchtlingspolitik habe deshalb sicherzustellen, dass jeder Flüchtling von seinen Rechten Gebrauch machen könne: „Nicht zurückgewiesen zu werden ohne Anhörung der Fluchtgründe, gegebenenfalls auch Schutz vor Verfolgung zu erhalten. Auch die Hohe See ist kein rechtsfreier Raum, auch dort gelten die Menschenrechte.“ Verfahren für Flüchtlinge sollten gerechter und effektiver sein. „Zu einer effektiveren Flüchtlingspolitik gehört aber auch, dass wir diejenigen auf humane Weise zurückweisen, die nach den gültigen Kriterien keine Fluchtgründe haben, die zur Aufnahme in der Bundesrepublik berechtigen“, sagte Gauck.
Protest gegen deutsche Flüchtlingspolitik
Die Veranstaltung wurde immer wieder durch laute Zwischenrufe von Demonstranten gestört, die vor der Französischen Friedrichstadtkirche in Berlin für einen besseren Flüchtlingsschutz demonstrierten. Auch die Generalsekretärin der Menschenrechtsorganisation Amnesty International in Berlin, Selmin Caliskan, wandte sich gegen die Flüchtlingspolitik der Bundesregierung. Sie sprach von einer „aggressiven menschenverachtenden Politik der Abschottung, von der die ganze Europäische Union – also auch Deutschland – profitiert“.
Die strategischen Leitlinien der europäischen Innenpolitik, die die Staats- und Regierungschefs beim EU-Gipfel letzte Woche beschlossen haben, hielten an einem Status Quo fest und lenkten keinen Richtungswechsel ein. „Der politische Wille fehlt, Lampedusa scheint schon vergessen. Auch aus Deutschland vernimmt man keine Vorschläge für ein Ende der Abschottung“, sagte Caliskan. Sie forderte unter anderem eine gemeinsame europäische Strategie zur Seenotrettung von Flüchtlingen, sichere Zugangswege für Flüchtlinge nach Europa und mehr Freizügigkeit im Umgang mit Asylbewerbern in EU-Mitgliedsstaaten. (pro)
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