Auch fünf Jahre nach dem Bekanntwerden der Missbrauchsfälle in den Kirchen ist keine ausreichende Aufarbeitung geschehen. Das haben Opfer am Montag in Berlin beklagt. Auch heute noch litten tausende Kinder in Deutschland unter sexueller Gewalt.
Von PRO
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Auch heute noch sind tausende Kinder in Deutschland von Missbrauch betroffen
Matthias Katsch, Anselm Kohn und Adrian Koerfer wünschen sich vor allem zwei Dinge: Eine umfassende und unabhängige Aufarbeitung des Missbrauchs von Kindern durch Geistliche und Lehrer. Und eine angemessene Entschädigungszahlung durch die entsprechenden Institutionen. Alle drei Männer haben als Kind sexuelle Gewalt erfahren. Matthias Katsch am katholischen Canisius-Kolleg, Anselm Kohn in der evangelischen Nordkirche und Adrian Koerfer in der reformpädagogischen Odenwaldschule. Vor fünf Jahren wurden ihre Schicksale und die tausender weiterer Betroffener bekannt. Am Montag sagte Koerfer bei einer Pressekonferenz in Berlin über die Aufarbeitung seitdem: „Wir sind nicht sehr weit gekommen.“
Und das, obwohl die mediale Aufmerksamkeit die Kirchen und andere Institutionen dazu gezwungen hat, sich mit dem systematischen Verbrechen in den eigenen Reihen auseinanderzusetzen. Das aber geschehe nur halbherzig, sagte Anselm Kohn: „Es wird nur zugegeben, was schon bekannt ist.“ Ein Problem sieht er vor allem darin, dass es bis heute keine unabhängige Kommission gibt, die sich mit den Fälle befasst. Stattdessen seien die „Täterinstitutionen“ selbst damit betraut und deshalb „Richter, Anwalt und sogar psychosozialer Betreuer in einem“, klagte Kohn. „Grenzüberschreitend und unprofessionell“ sei das.
„Vollkommen unbefriedigend“
Katsch forderte gemeinsam mit seinen Mitstreitern eine unabhängige Kommission zur Aufarbeitung sexuellen Missbrauchs. Außerdem forderte er Entschädigungszahlungen von 60.000 bis 65.000 Euro für die Opfer systematischer Vertuschung von Verbrechen. Die Untergrenze einer finanziellen Entschädigung liegt für ihn bei 20.000 Euro. Derzeit können Opfer von Missbrauch sogenannte Anerkennungszahlungen beantragen. Diese liegen bei maximal 5.000 Euro.
„Vollkommen unbefriedigend“ nannte Pater Klaus Mertes diese Summen. Mertes ist ehemaliger Leiter des Canisius Kolleg und war maßgeblich an der Aufdeckung der Missbrauchsfälle in der katholischen Kirche beteiligt. Er kritisierte, dass auch heute innerhalb der Kirche der Schutz der Täter oft vor dem Schutz der Opfer komme. Den systematischen Gründen für Missbrauch werde zu wenig nachgegangen. Mertes sagte außerdem, die Verfahren in Rom dauerten zu lange, es gebe keine konkreten Ansprechpartner für Betroffene und keine Kontrolle dessen, wie die Kirche Aufarbeitung betreibe.
Proteste gegen Sexualpädagogik „wenig hilfreich“
Am kommenden Freitag ist die Missbrauchsaufarbeitung auch Thema im Deutschen Bundestag. Der unabhängige Beauftragte der Bundesregierung für Fragen sexuellen Missbrauchs, Johannes-Wilhelm Rörig, erklärte, er wünsche sich, dass die Koalition die Kosten für eine Kommission fest im Haushalt 2016 einplane. „Weiterhin sind in Deutschland viele tausende Mädchen und Jungen sexualisierter Gewalt schutzlos ausgeliefert.“ Die Gefahren seien durch digitale Medien noch erhöht worden. Die Sozialpädagogin Sabine Andresen forderte sexualpädagogische Konzepte für Kitas und Schulen. Die teilweise aggressiven Proteste gegenüber einer „Sexualpädagogik der Vielfalt“ seien in diesem Zusammenhang wenig hilfreich. (pro)
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