„Fromm ist nicht gleich fundamentalistisch”

Fundamentalisten verdunkeln die helle Seite des Glaubens. Das hat die Beauftragte für Weltanschauungsfragen in der Württembergischen Landeskirche, Annette Kick, am Freitag auf dem evangelischen Kirchentag in Hamburg erklärt. Sie warnte auch vor Vorurteilen: Evangelikale seien nicht automatisch Fundamentalisten, sagte sie.

Von PRO

Fundamentalisten prägten die öffentliche Wahrnehmung des Christentums, sagte Kick. Damit machten sie aus einer „Froh-Botschaft” eine „Droh-Botschaft”. Menschen, die aus fundamentalistischen Gruppen ausstiegen hätten oft ein gestörtes Gottesverhältnis. „Je mehr solche Positionen die Wahrnehmung der Öffentlichkeit bestimmen, desto schneller wird die Entchristlichung stattfinden”, ist sie überzeugt.

Fundamentalisten als evangelikal zu bezeichnen, werde den Unterschieden in den verschiedenen Strömungen nicht gerecht. Nicht alles, was fromm sei, sei gleich fundamentalistisch. Fundamentalismus sei vielmehr eine Ausprägung des Evangelikalismus. „Der Hauptstrom der Evangelikalen ist noch nicht fundamentalistisch”, sagte sie. Bei ihnen stehe der Glaube an Jesus im Mittelpunkt, nicht die buchstabengetreue Lesart der Bibel. Als „Mainstream-Evangelikale” bezeichnete sie etwa den Gnadauer Verband und „große Teile der Evangelischen Allianz”. Etwa ein Drittel der Gemeindeneugründungen seit den 70er Jahren habe fundamentalistische Ansätze. Neucharismatische Kirchen teilten fast alle ein fundamentalistische Bibelverständnis.

„Rigide Sexualmoral und patriarchale Familienordnung”

Grundsätzlich sei der Glaube für Fundamentalisten ein Gegenkonzept zu den Verunsicherungen der Moderne. Oft sei er verbunden mit einer „rigiden Sexualmoral und patriarchaler Familienordnung”. Die Bibel werde als Sachbuch wahrgenommen. „Deshalb will der Kreationismus nicht den Schöpfungsglauben thematisieren, sondern als Wissenschaft wahrgenommen werden.” Weiter sagte Kick: „Der Fundamentalismus braucht den Gegner, er lebt vom Abgrenzen.” Dialog sei nicht erwünscht, „weder nach außen noch nach innen”. Gemeinden seien meist autoritär geführt und das Glaubensleben durch ein Endzeitdenken geprägt: Katastrophen würden zum Beispiel als Bestätigung der eigenen Weltsicht gedeutet. „Der lebendige Gott verschwindet hinter sogenannten objektiven biblischen Wahrheiten.” Deshalb rief sie Christen dazu auf, im Gegensatz zu Fundamentalisten, nicht gegen die heutige Welt zu leben, sondern mit und mitten in ihr.

Friedmann Eißler von der Evangelischen Zentralstelle für Weltanschauungsfragen grenzte den christlichen Fundamentalismus gegen den islamischen ab. Auch diese extreme Glaubensform versuche, das Leben in Gut und Böse zu reduzieren und kämpfe für eine antisäkulare Gegenmoderne. Eigen für den Islamismus sei, dass die vermeintlich wahre Religion dem Westen gegenüber stehe. Der Glaube zeige sich in seiner Ablehnung der Moderne sehr selektiv, so sei das Barttragen nach dem Vorbild Mohammeds zum Teil Pflicht, „aber Handys oder Autos sind ok”, sagte Eißler. Dem Islamismus gehe es um die politische Transformation der Gesellschaft. „Er ist Fundamentalismus in politischer Aktion.” (pro)

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