Friedrich: Sehnsucht nach Analogem

Die Digitalisierung der Gesellschaft erhöht die Sehnsucht nach der analogen Welt, findet Innenminister Hans-Peter Friedrich. Er nehme bei den Menschen einen stärkeren Wunsch nach Familie und die Rückbesinnung auf Religiöses wahr. Das sagte er am Mittwoch beim "Demokratie-Kongress" der Konrad-Adenauer-Stiftung in Berlin – ihm widersprach ein wahrer Digitalvisionär.

Von PRO

Thema des Kongresses war "Digitale (Un)Kultur und Demokratie". Friedrich forderte eine "Wiederentdeckung des sozialen Miteinanders" im Ort. Erhebungen hätten gezeigt, dass die Menschen sich gerade im Zeitalter des Digitalen auf Religion und Familie besönnen. Der Minister stellte fest, im Zeitalter der Digitalisierung sei der biblische Nächste "vielmehr derjenige, mit dem man täglich chattet, als derjenige, der nebenan oder in der gleichen Straße wohnt". Friedrich warnte vor extremistischen Kräften, die im Netz für sich werben. "Salafisten haben auf ihren Propagandaseiten von vornherein das Ziel, junge Leute für ihre Ideen zu gewinnen, geschlossene Weltbilder anzubieten", sagte er. Auch rechtsradikale Kräfte propagierten die Radikalisierung. Friedrich kündigte die Öffnung eines Zentrums an, das rechtsradikale Kräfte im Netz beobachtet. Eines, das sich mit islamistischen Aktivitäten beschäftigt, besteht bereits seit den Anschlägen vom 11. September 2001.

Für Politiker biete das Internet aber auch die Chance, "die Befindlichkeit in der Bevölkerung stärker zu erspüren". Zugleich müsse der Frage nachgegangen werden, wie "wir über das Internet die Bürgerbeteiligung sicherstellen" könnten. "Wenn wir verhindern wollen, dass nur eine kleine Minderheit sich einbringt, dann müssen wir uns an die Arbeit machen, dafür zu sorgen, dass auch die große Masse der Bevölkerung die Chance bekommt, sich zu beteiligen", sagte Friedrich.

Jarvis: "Wir werden alle digital"

Der Journalistik-Professor und Autor des Buches "What would Google do?" (Was würde Google tun?), Jeff Jarvis, widersprach Friedrich. Analoges und Digitales seien keineswegs konträr: "Das Analoge wird digital, wir werden alle digital", sagte Jarvis, der als Visionär auf dem Gebiet der Neuen Medien gilt. Seine Rede nutzte er, um ein Plädoyer für Eigenverantwortung und gegen Netzregulierungen zu halten. Jarvis forderte: Die Möglichkeit, Informationen öffentlich zu machen, müsse geschützt werden. Als Beispiel nannte er die Möglichkeit, bei Google sein Haus oder Personen zu verpixeln. "Wenn Google dazu gezwungen werden kann, Menschen oder Häuser zu verpixeln, was bedeutet das für den Journalismus?", fragte er. Könne es künftig möglich sein, dass Reporter Häuser oder öffentliche Plätze nicht mehr zeigen dürften? Wie wäre es, wenn Privatmenschen künftig Rechte für Fotografien erfragen müssten? "Ich sehe da ein Problem", sagte Jarvis.

Das Netz habe Gutenbergs Buchpresse in die Hände aller gelegt. "Wissen ist heute mehr ein Prozess als ein Produkt", sagte er. Die Schwarmintelligenz im Internet sei ein Erfolgskonzept, nehme man etwa das Beispiel "Wikipedia". Jarvis selbst hatte einst offen in einem Blog über seine Prostatakrebs-Erkrankung geschrieben – mit dem Effekt, dass sich zahlreiche Männer einer Vorsorgeuntersuchung unterzogen hätten. Öffentlichkeit sei nichts, vor dem sich die Menschen fürchten müssten. Vielmehr sei sie natürlich und keineswegs ein Gegensatz zum Privaten. "Wir sind sozial", sagte Jarvis. Das zeige der Erfolg von "Facebook". Die Angst vor Informationsmissbrauch im sozialen Netzwerk kann Jarvis nicht nachvollziehen. "Das Internet ist der schlechteste Platz, um Geheimnisse aufzubewahren", stellte er fest. Aber warum solle dies auch jemand freiwillig tun? Einem Journalisten würde man ja auch keine Geheimnisse anvertrauen. Jarvis rief dazu auf, die Möglichkeit des Internets zu nutzen – und zwar ohne öffentliche Regulierung. "Wer wird das Netz beherrschen?", fragte er und antwortete selbst: "Keine Firmen, keine Regierungen – sondern wir selbst." Nicht das Internet bedürfe der Regulierung, sondern der Mensch. "Das gibt es aber bereits, es nennt sich Gesetz", schloss Jarvis. (pro)

Helfen Sie PRO mit einer Spende
Bei PRO sind alle Artikel frei zugänglich und kostenlos - und das soll auch so bleiben. PRO finanziert sich durch freiwillige Spenden. Unterstützen Sie jetzt PRO mit Ihrer Spende.

Ihre Nachricht an die Redaktion

Sie haben Fragen, Kritik, Lob oder Anregungen? Dann schreiben Sie gerne eine Nachricht direkt an die PRO-Redaktion.

Offline, Inhalt evtl. nicht aktuell

PRO-App installieren
und nichts mehr verpassen

So geht's:

1.  Auf „Teilen“ tippen
2. „Zum Home-Bildschirm“ wählen