Freikirchen: Besorgt über Friedenspolitik der Bundesregierung

Die Vereinigung Evangelischer Freikirchen (VEF) und die Arbeitsgemeinschaft Mennonitischer Gemeinden (AMG) in Deutschland haben am heutigen Dienstag in einem offenen Brief an die Bundesregierung ihre Besorgnis über die deutsche Friedens- und Rüstungspolitik zum Ausdruck gebracht: In Deutschland erscheine das Kalkül eines militärischen Eingreifens in der Bewertung internationaler Konfliktfelder immer selbstverständlicher.
Von PRO

Zudem beklagen die Freikirchen, "dass sowohl die gesetzlich festgelegte restriktive Rüstungspolitik aufgeweicht zu werden droht als auch die nötige Transparenz bei den diesbezüglichen Entscheidungen der Bundesregierung fehlt". Darüber hinaus führten die Kooperationsvereinbarungen zwischen der Bundeswehr und den Kultusministerien einiger Bundesländer zu einer einseitigen politischen Schulbildung im Hinblick auf den Einsatz militärischer Gewalt, heißt es in dem Schreiben, das an die Bundeskanzlerin sowie jeweils an den Außen-, Verteidigungs- und Entwicklungshilfeminister gerichtet ist.

Hörsting: "Auf die Notwendigkeit einer Friedensethik hinweisen"

"Wir wollen einen Akzent setzen und auf die Notwendigkeit einer Friedensethik hinweisen", begründet der Präsident der VEF und Präses des Bundes Freier evangelischer Gemeinden, Ansgar Hörsting, den Brief gegenüber pro. "Durch die Abschaffung der Wehrpflicht haben wir  im Hauruck-Verfahren eine Berufsarmee bekommen. Während früher jeder junge Mann sich mit gewissensbildenden Fragen auseinandersetzen musste, fallen diese Überlegungen heute häufig weg. Die Notwendigkeit, über Gewalt und Krieg nachzudenken, wird verlagert. Ich bedaure, dass diese Diskussion bei der Aussetzung der Wehrpflicht nicht gründlicher geführt wurde." Er halte auch nichts davon, wenn die Bundeswehr ohne kritische Auseinandersetzung Schulunterricht gestaltet. "Wenn ich einen 15-jährigen Sohn hätte, wäre es mir nicht recht, wenn im Unterricht Werbefilme der Bundeswehr laufen."

Gewaltfreiheit erscheint zweitrangig

In dem von Hörsting und dem Vorsitzenden der AMG, Frieder Boller, unterzeichneten Schreiben wird bedauert, dass "die Impulse der ost- und westdeutschen Friedens- und Freiheitsbewegungen vergangener Jahre nur eine geringe politische Aufnahme erfahren haben". Statt Wege der Gewaltfreiheit zu beschreiten, habe Deutschland begonnen, sich an Kriegshandlungen zu beteiligen. Überlegungen zu einer gewaltfreien, nachhaltigen Konfliktbearbeitung und -lösung erschienen als zweitrangig. Stattdessen erhielten "Strategien zur eigenen Wohlstandssicherung unter Anwendung von Gewalt und die Einbindung ziviler Organisationen in ein militärgestütztes System ‚vernetzter Sicherheit’" Vorrang.

Ebenso massive Bedenken äußern die Freikirchen gegenüber dem deutschen Waffenhandel. "Waffenlieferungen in Krisengebiete, und auch Waffenlieferungen und Lizenzvergaben, durch die in Kauf genommen wird, dass Waffen in Krisengebiete gelangen, dürfen nicht sein", heißt es in dem Schreiben. "Wir unterstreichen den Anspruch des Grundgesetzes mit seinen diesbezüglichen Richtlinien, die es zu achten und anzuwenden gilt. Ein Paradigmenwechsel deutscher Politik ist unseres Erachtens rechtswidrig." Ebenso müsse das Parlament rechtzeitig in die jeweiligen Entscheidungsprozesse einbezogen werden.

Erziehung zum Frieden

"Die Kooperationsvereinbarungen zwischen der Bundeswehr und den Kultusministerien einiger Bundesländer, Unterricht durch die Bundeswehr gestalten zu lassen, können wir nicht gutheißen", mahnen die Freikirchen schließlich. Im Rahmen der politischen Schulbildung solle so die Akzeptanz einer Sicherheitspolitik erreicht werden, "die den Einsatz militärischer Gewalt selbstverständlich vorsieht". Dieses könne und werde zur Folge haben, dass sich bei Schülern und Schülerinnen der Eindruck festigt, Gewalt sei grundsätzlich, also auch für die eigenen alltäglichen Streitigkeiten, ein angemessenes Mittel. Man sehe jedoch die dringende Notwendigkeit, dass "unsere Kinder und auch wir als Gesellschaft" nicht zum Krieg, sondern zum Frieden erzogen werden müssten.

Die Freikirchen nennen in ihrem Brief die Motivation ihres Schreibens: "Wir glauben, dass Friede nicht eine Utopie ist, sondern ein gangbarer Weg, auf dem zu gehen wir aufgefordert sind. Wir glauben an Jesus Christus, der uns als Friedensstifter auf diesem Weg voran geht – an ihm orientieren wir uns."

Wie die VEF mitteilt, ist dem Schreiben eine intensive innerkirchliche Debatte der Freikirchen vorausgegangen. Die Vereinigung wurde 1926 gegründet. Sie ist der älteste ökumenische Zusammenschluss in Deutschland. Derzeit gehören der VEF zehn Kirchen und Gemeindebünde als Mitglieder und vier als Gastmitglieder an. DieVereinigung sieht ihr Ziel darin, gemeinsame Aufgaben zu fördern, zwischenkirchliche Beziehungen zu vertiefen und gemeinsam freikirchliche Belange nach außen zu vertreten. Die VEF vertritt etwa 260.000 evangelische Christen in Deutschland. (pro)

Helfen Sie PRO mit einer Spende
Bei PRO sind alle Artikel frei zugänglich und kostenlos - und das soll auch so bleiben. PRO finanziert sich durch freiwillige Spenden. Unterstützen Sie jetzt PRO mit Ihrer Spende.

Ihre Nachricht an die Redaktion

Sie haben Fragen, Kritik, Lob oder Anregungen? Dann schreiben Sie gerne eine Nachricht direkt an die PRO-Redaktion.

Offline, Inhalt evtl. nicht aktuell

PRO-App installieren
und nichts mehr verpassen

So geht's:

1.  Auf „Teilen“ tippen
2. „Zum Home-Bildschirm“ wählen