„Frankreich ist uns bloß zehn Jahre voraus“

Der Mord an dem Geschichtslehrer Samuel Paty steht am Anfang einer neuen Reihe islamistischer Attentate in Frankreich. Wäre eine solche Tat auch in Deutschland denkbar? Lehrer und Experten sind sich bei der Antwort einig.
Von PRO
Auch deutsche Lehrer sehen in ihren Schulen (Symbolbild) eine Tendenz zum Islamismus

Der Mord an Samuel Paty hat Lehrer auch in Deutschland besonders erschüttert. Der französische Pädagoge wollte über Demokratie und Meinungsfreiheit reden. Dazu zeigte er im Unterricht die Mohammed-Karikaturen der Satirezeitschrift „Charlie Hebdo“. Am Ende war er tot, enthauptet von einem 18-jährigen islamistischen Gewalttäter. Wäre so ein Attentat auch in Deutschland möglich?

„In dem Ausmaß wie in Frankreich kennen wir das Problem des Islamismus nicht, aber in der Tendenz ist es auch hier vorhanden“, sagt Niko Lamprecht, Schulleiter an einem Oberstufengymnasium in Hessen. Gerade aus dem Ethik- oder Geschichtsunterricht kenne er „Widerstände“ von muslimischen Schülern. Wenn Schüler anhand eines Pro- und Contra-Aufsatzes die ethische und gesellschaftliche Dimension um die „Charlie Hebdo“-Karikaturen erörtern sollten, heiße es dann etwa „Ich kann das nicht schreiben, weil mir das meine Religion nicht erlaubt“, berichtet der Geschichtslehrer.

Als Lehrkraft nicht zurückweichen

Auch kämen alle paar Monate muslimische Schülerinnen zu ihm, die nicht am Schwimmunterricht teilnehmen wollten und dies mit ihrer Religion begründen. Verweise er da auf die Schulpflicht, baue sich schnell Druck auf, sagt der Pädagoge. „Wir gelten dann als intolerant oder rassistisch, da darf man dann als Lehrkraft und als Schulleiter nicht zurückweichen“, sagt Lamprecht. Solche Vorkommnisse hätten sich an seiner Schule jeweils schnell erledigt, was aber nicht an allen Schulen in Hessen gelinge.

Aus Berliner Schulen wurde in den vergangenen Tagen bekannt, dass sich etliche muslimische Schüler einer Schweigeminute für Paty verweigert hatten. Peter Stolz, Landesvorsitzender des Berliner Geschichtslehrerverbandes, beklagt ebenfalls, dass von seiten der islamischen Community Druck auf Lehrkräfte ausgeübt werde, bestimmte Diskussionen zu meiden.

Entsprechende Hinweise gebe es von Mitgliedern seines Verbands „erfahrungsgesättigt über Jahrzehnte“, sagt Stolz. Wolle etwa eine Schulklasse in Kreuzberg eine liberale Moschee besuchen, gebe es immer Schüler, vor allem aus türkisch-konservativen Familien, die nicht mitkommen wollten. Da Eltern fürchteten, „dass ihre Kinder vom rechten Weg abkommen könnten“.

Erziehung im Auftrag des Grundgesetzes

Zudem gebe es nicht immer eine klare Haltung der Lehrer: Dass das islamische Rechtssystem der Scharia Frauen benachteilige und nicht mit der freiheitlich-demokratischen Rechtsordnung in Einklang zu bringen sei, sei zwar vielen Lehrkräften klar. Konkret falle es ihnen aber oft schwer, gegen die Scharia zu argumentieren, da viele Schüler sofort die vom Grundgesetz garantierte Religionsfreiheit einforderten. „Wir müssen unseren Auftrag ernst nehmen und erziehen im Auftrag des Grundgesetzes“, sagt Stolz.

Es brauche deshalb verpflichtende Fortbildungen für Lehrer zu Islam und Islamismus. Für dringend notwendig hält Stolz dies auch mit Blick auf das Alltagsgeschehen auf den Schulhöfen. „Ich habe es erlebt, dass muslimische Mädchen eingeschüchtert werden von muslimischen Jungen. Da heißt es dann: ‚Senke Deinen Blick, Schwester‘ oder: ‚Bei der Diskussion um Gleichberechtigung hältst du die Klappe!‘

Da lebten junge Männer patriarchale Machtstrukturen im Namen des Islam aus. Dies als Extremismus zu erkennen, sei eine große Herausforderung für Lehrer. Organisationen wie Milli Görüs oder die Muslimbruderschaft versuchten, die islamistische Ideologie in staatliche Schulen zu tragen, sagt Heiko Heinisch, Islamismus-Experte und Mitglied des wissenschaftlichen Beirats der neu geschaffenen Dokumentationsstelle für politischen Islam in Österreich.

Einzelne Schüler werden gezielt terrorisiert

Milli Görüs, aus der Türkei gesteuert und vom Verfassungsschutz beobachtet, unterhalte islamische Privatschulen. Dort würden muslimische Kinder indoktriniert und eingeschworen auf die Formel: ‚Wir Muslime gegen den Rest der Welt‘. Diese Kinder wiederum trügen die islamistische Ideologie in die öffentlichen Schulen und terrorisierten gezielt einzelne Schüler und Schülerinnen. „Diese Jugendlichen verfügen dort über eine große Autorität, weil sie immer mit dem Islam argumentieren“, sagt Heinisch.

Um dem Islamismus an Schulen beizukommen, müssten entsprechende Peergroups zerschlagen und einzelne Schüler, wenn nötig, versetzen werden. „Frankreich ist uns bloß zehn Jahre voraus“, sagt Ahmad Mansour, Islamismusexperte und Psychologe aus Berlin. Seine Organisation Mind Prevention bietet Workshops für Schüler und Lehrer gegen Islamismus an. Er erlebe häufig verunsicherte und überforderte Lehrer, die nicht wüssten, wie man frühzeitig eine islamische Radikalisierung erkennt oder wie sich patriarchale Strukturen im Klassenzimmer äußern. „Ich setzte mich seit Jahren dafür ein, Lehrer schon in der Ausbildung in der Hinsicht fortzubilden, nicht erst, wenn Probleme aufgetreten sind“, sagt Mansour. In der Schule entscheide sich schließlich „unsere Zukunft“.

Von: epd

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