Daniel Liechti, Vize-Präsident des evangelikalen Dachverbandes „Conseil National des Evangéliques de France“ in Frankreich, sieht die Anschläge in Paris als Ausdruck einer geistlichen Leere in Frankreich. „Die meisten Franzosen wollen mit Religion nichts am Hut haben“, sagte er im Gespräch mit pro. „Die Konsumgesellschaft kann das Vakuum, das dadurch entsteht, aber nicht ausfüllen.“ In den Vororten größerer Städte wachse eine ganze Generation junger Muslime heran, die in Frankreich geboren sei, die sich aber von der Gesellschaft nicht akzeptiert fühle.
„Viele sind arbeitslos und kämpfen mit Identitätsproblemen. Die Eltern haben sich hier angepasst, nichts eingefordert und hart gearbeitet. Sie selbst wollen nun als vollwertige Mitglieder der Gesellschaft anerkannt werden.“ Das Gefühl, keine Chance zu bekommen, münde oft in Rebellion. Der radikale Islam biete sich als Pseudo-Lösung an, denn in islamistischen Sekten gehöre man dazu, finde Sinn, ein Ziel und eine Rolle, in der man respektiert werde. „Noch bevor das passiert, müssen wir diese Menschen erreichen. Unsere Gemeinden müssen offener werden“, sagt Liechti. Gott habe es so geführt, dass viele Muslime nach Frankreich kommen. „Die Flüchtlinge sind überhaupt nicht das Problem. Das Problem haben wir hier! Tausende von jungen Franzosen, die Sympathie mit den Anschlägen gezeigt haben. Das sollte uns Angst machen.“ In Paris gebe es bereits einige christliche Gemeinden, die zu einem Großteil aus ehemaligen Muslimen bestünden sowie eine Teestube, die von einem christlichen Marokkaner geführt werde. „Da müssen wir noch mehr tun, wir brauchen einen breiteren Ansatz, in allen Gemeinden“, fordert Liechti.