FDP-Politiker: Christliches Leitbild grenzt aus

Das christliche-jüdische Leitbild Deutschlands steht der Integration im Weg, findet FDP-Generalsekretär Christian Lindner. Die Union widerspricht. In der Chefetage Deutschlands entbrennt ein "Kulturkampf".

Von PRO

"Die Formel vom christlich-jüdischen Leitbild kann kein integratives Leitbild sein", erklären Christian Lindner, Marco Buschmann, Stefan Ruppert, Serkan Tören und Johannes Vogel im Papier "Sechs Thesen für ein republikanisches Integrationsleitbild". Damit haben sie eine Debatte entzündet, die der "Spiegel" als "Kulturkampf" bezeichnet, stellt sie doch die Grundpfeiler der Bundesrepublik in Frage. Das Grundgesetz müsse auf einem Leitbild fußen, das unabhängig von Religion und persönlichen religiösen Überzeugungen sei, erklären die FDPler. Die Formel vom christlich-jüdischen Abendland sei zudem nicht ganz zutreffend. Auch das alte Ägypten und die griechische Antike seien prägend für die deutsche Identität gewesen.

Leistung statt Christentum

Mit ihrem Papier wollen die Autoren davor warnen, dass sich Menschen nichtchristlichen Glaubens in Deutschland ausgeschlossen fühlen könnten. "Die Begrenzung auf die christlich-jüdische Tradition kann als Ausgrenzungsformel verstanden werden", schreiben sie. Als wichtige Grundlagen für Integration nennen die Autoren Weltoffenheit, Toleranz und Leistung. "Insbesondere das Leistungsprinzip ist blind für Vorbehalte gegenüber Ethnien oder Religionen", schreiben sie. "Es schaut auf das, was einer kann, und nicht auf das, wo einer herkommt oder woran er glaubt." Bereits im Oktober hatte Lindner in einem Gastbeitrag in der "Frankfurter Allgemeinen Zeitung" eine Verquickung von Staat und Religion kritisiert.

Es überrascht wenig, dass Thesen wie diese innerhalb der Regierungskoalition auf Widerstand stoßen, zeigt sich die Union derzeit doch bemüht, das "C" im Namen wieder größer zu schreiben. "Wer den Bezug auf das christlich-jüdische Abendland als Ausgrenzungsformel schmäht, leugnet eine europäische Tradition von 1.600 Jahren und legt die Axt an die Basis der Menschenrechte", teilte der stellvertretende Vorsitzende der Unions-Bundestagsfraktion, Johannes Singhammer, am Donnerstag mit. Weiter heißt es: "Eine gezielte Geringschätzung der Fundamente unseres Zusammenlebens führt nicht zu mehr Orientierung, sondern zu Desintegration und mehr."

"Grundsätzliche Differenz zwischen den Parteien"

Laut "Spiegel" protestierte der CSU-Politiker Norbert Geis mit den Worten: "Unsere Kultur ist christlich-jüdisch geprägt: Selbst wenn ein politisches Papier sich davon distanziert, bleibt es trotzdem so." Dieses Leitbild wolle niemanden ausgrenzen, sondern lediglich zum Ausdruck bringen, woran sich die Mehrheit der Bevölkerung orientiere. CDU-Politiker Wolfgang Bosbach erklärte, niemand bestreite, dass der Islam in Deutschland zunehmend Geltung beanspruche, "aber wir haben keine muslimische Tradition" in Deutschland. Die FDP-Thesen zeigten, dass es "in dieser wichtigen Frage eine grundsätzliche Differenz zwischen den Parteien in der Koalition gibt".

Auch von journalistischer Seite wurde am Freitag Kritik laut. Der ehemalige "Cicero"-Redakteur, Chef des Debattenmagazins "The European" und gläubige Katholik, Alexander Görlach, schreibt in einem an Lindner gerichteten Kommentar: "Ihr Salon-Säkularismus ist abgeschmackt; trifft er doch die beiden großen Kirchen in einem Moment höchster Verunsicherung und größter Schwäche. Die einen haben anscheinend nur noch pädophiles Personal, die anderen haben keine Gläubigen mehr. Der gemeinhin propagierten Behauptung, Liberalismus bedeute für die FDP, dem Schwachen noch mal extra eins mitzugeben, geben Sie hier eine interessante Note." Weiter heißt es: "Dabei kann ein Blick zur Informationsgewinnung auf den Freiheitsbegriff des Neuen Testaments so unnütz eigentlich gar nicht sein." Görlach findet: "Wir können die Geschichte unseres Landes nicht wegen der Muslime, die seit vierzig Jahren bei uns leben, ändern. Sie fordern das. Wie sollen wir neue Mitbürger für unser Land, seine Tradition begeistern, wenn Vertreter der politischen Klasse, wie Sie, Herr Lindner, sie am liebsten in den Abfall leeren würden? Muslime leben hier, gehören zur Gegenwart dieses Landes. Wir werden in dem Maße im Zusammenleben wachsen, wie sie uns und wir sie verstehen lernen." (pro)

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