Fast 2.000 Demonstranten gegen „indoktrinierende“ Sexualkunde in Hessen

Fast 2.000 Demonstranten haben am Sonntag bei der „Demo für alle“ in Wiesbaden gegen den neuen hessischen Lehrplan zur Sexualerziehung demonstriert. Gegen den Willen der Elternvertretung wird darin unter anderem „Akzeptanz“ für gleichgeschlechtliche Beziehungen gefordert.
Von PRO
Seit August gilt in Hessen ein neuer Lehrplan zur Sexualkunde. Er wurde gegen den Willen des Landeselternbeirats beschlossen

In Hessen ist im August ein neuer Lehrplan in Kraft getreten, der im Rahmen der Sexualerziehung an allgemeinbildenden und beruflichen Schulen die „Akzeptanz von Lesben, Schwulen, Bisexuellen, trans- und intersexuellen Menschen (LSBTI)“ als Unterrichtsziel vorsieht. Medienberichten zufolge hatte Kultusminister Ralph Alexander Lorz (CDU) den Plan trotz Unmut aus der Elternvertretung per Ministerentscheid durchgesetzt. Fächerübergreifend soll nun hessischen „Schülerinnen und Schülern ein offenes, diskriminierungsfreies und wertschätzendes Verständnis für die Verschiedenheit und Vielfalt der partnerschaftlichen Beziehungen, sexuellen Orientierungen und geschlechtlichen Identitäten in unserer Gesellschaft“ vermittelt werden. Der Landeselternbeirat hatte den Plan abgelehnt. Die Elternvertretung hielt den Begriff „Toleranz“ für geeigneter als die Bezeichnung „Akzeptanz“, die im Lehrplan verwendet wird.
Wörtlich heißt es in dem Bildungsplan: „Gegenstand der Sexualerziehung in Schulen soll die Vermittlung von Wissen über die Existenz unterschiedlicher Partnerschaftsformen und Verständnisse von Familie, sexueller Orientierung und geschlechtlichen Identitäten und deren Akzeptanz sein.“ In der Vorgängerversion von 2007 hieß es lediglich, es solle auch über andere Formen der Partnerschaft gelehrt werden, die „nicht über eine breite gesellschaftliche Akzeptanz verfügen und rechtlich geschützt sind“.

Beverfoerde: „Dieser Plan ist indoktrinierend“

Befürworter und Gegner des neuen Bildungsplans trafen am Sonntag bei Demonstrationen in Wiesbaden aufeinander. Gut 1.900 Gegner des Plans kamen unter dem Dach der „Demo für alle“ zusammen, die bereits in Baden-Württemberg mit mehreren Kundgebungen gegen „indoktrinierende Sexualerziehung“ protestiert hatte. Die Sprecherin des Aktionsbündnisses, Hedwig von Beverfoerde, nannte die Teilnehmerzahl einen großen Erfolg dafür, dass dies die erste Demonstration dieser Art in Hessen gewesen sei. „Wir haben klar alle Diffamierungen und Verleumdungen widerlegt, etwa die, dass wir Homosexuellen ihre Rechte wegnehmen wollen“, sagte von Beverfoerde gegenüber pro. „Wir haben ebenso deutlich erklärt, warum dieser Bildungsplan so nicht geht“, sagte sie. „Der Plan ist indoktrinierend und zwingt Kinder, sich schon im Alter von sechs bis zehn Jahren mit Themen auseinanderzusetzen, die ihr Schamgefühl verletzen.“
Der Fuldaer Bischof Heinz Josef Algermissen hatte im Vorfeld ein Grußwort an die Demonstranten geschickt: „Sie zeigen heute, dass Ihnen die Sexualerziehung von Kindern und Jugendlichen nicht gleichgültig ist, dass Sie Ihre Verantwortung als Christen wahrnehmen. Dafür möchte ich mich ausdrücklich bedanken“, schrieb er. Bereits im September hatten sich die Kirchen zum Lehrplan geäußert: Während die katholischen Bischöfe Hessens in einer Stellungnahme Bedenken anmeldeten, bekundete ein Sprecher der Evangelischen Kirche in Hessen und Nassau Zustimmung.
Den Bildungsplan-Gegnern standen gut 1.500 Gegendemonstranten gegenüber, ein Großaufgebot der Polizei trennte die beiden Kundgebungen voneinander. Die FAZ berichtet, der Linken-Abgeordnete und stellvertretende Landtagsabgeordnete Ulrich Wilken habe dabei gegen „Klerikalfaschisten“ und den „Pietcong“ gewettert – letzteres ist ein Schimpfwort für Pietisten.

Kelle über den Unterschied von Toleranz und Akzeptanz

Die ehemalige Bundesfamilienministerin Kristina Schröder (CDU) erklärte auf Twitter, die Gegendemo zur „Demo für alle“ zu unterstützen und schrieb: „So sehr ich Kritik an Gendertheorie in Lehrplänen verstehe, verstehe ich nicht, was gegen ‚Akzeptanz‘ von Homosexualität spricht.“ Die Autorin Birgit Kelle („Gender-Gaga“), die sich auch gegen den hessischen Lehrplan positioniert hatte, antwortete, um dies zu erklären, reiche Twitter nicht aus. Gegenüber pro führte sie anhand der Wortherkunft aus, worin der Unterschied für sie besteht: „Toleranz vom lateinischen ‚tolerare‘ bedeutet, eine andere Meinung zu dulden. Toleranz ist eine gute Sache, und Alltag im politischen Diskurs, weil sich dabei unterschiedliche Meinungen gegenüberstehen und dennoch ein friedliches und faires Miteinander gegeben ist.“
Akzeptanz hingegen stamme vom lateinischen Verb „accipere“, das „gutheißen“ oder „annehmen“ bedeute. „Akzeptanz geht einen Schritt weiter, sie fordert, dass ich meine Meinung ändere, die Gegenseite als richtig anerkenne. Anders als bei der Toleranz gibt es bei der Akzeptanz also nur eine Meinung. Übersetzt auf ein Parlament würde es bedeuten, dass es nur noch eine Partei gibt, weil man ja die Gegner zwingt, die eigene Meinung anzunehmen. Sowas lehnen wir in einer freien Demokratie doch zu Recht ab. Was soll also eingeforderte Akzeptanz bei einem höchst sensiblen Thema in unseren Schulen?“, sagte Kelle gegenüber pro.
In Hessen regiert eine schwarz-grüne Koalition unter Ministerpräsident Volker Bouffier (CDU), das für den Lehrplan zuständige Kultusministerium wird von der CDU geleitet. Die Zeitung Die Welt kommentierte den Bildungsplan Ende September deswegen so: „Den neuen Lehrplan können sich die Grünen als Erfolg auf die Fahnen schreiben, auch wenn ihn ein Christdemokrat durchgedrückt hat.“ (pro)Unmut über Lehrplan zur Sexualerziehung in Hessen (pro)
„Demo für alle“: Grüne twitterten gefälschtes Foto (pro)
Brandanschlag auf „Demo für alle“-Organisatorin (pro)

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