Familiensynode: „Das Schwierigste kommt noch“

Derzeit tagt im Vatikan die Familiensynode. Thomas Schirrmacher, Leiter der Theologischen Komission der Weltweiten Evangelischen Allianz, ist als einziger deutscher Protestant dabei und zieht für pro eine Zwischenbilanz.
Von PRO
Thomas Schirrmacher (re.) hat Papst Franziskus bereits persönlich getroffen. Derzeit nimmt er als protestantischer Gastdelegierter an der Familiensynode des Vatikan teil

pro: Sie hatten zunächst eine Lagerbildung befürchtet, wie ist nun die Stimmung auf der Synode?

Thomas Schirrmacher: Eine Lagerbildung im klassischen Sinne beobachte ich nicht, auch wenn es inhaltliche Positionen gibt, die sich unversöhnlich gegenüberstehen, etwa bei der Zulassung wiederverheirateter Geschiedener zur Kommunion. Auch Homosexualität und Gender-Mainstreaming sind Reizthemen. Die Gender-Ideologie beispielsweise wird wieder und wieder verurteilt, es wird aber differenziert. Dass man sein Geschlecht nach Lust und Laune wechseln kann, wird abgelehnt. Es wird aber etwa anerkannt, dass es seltene biologische Fälle von Intersexualität gibt und dass die Gesellschaft Geschlechterbilder formen kann, etwa wenn in Afrika eine Frau ohne Kinder nichts gilt.

Wie offen werden solche heiklen Themen auf der Synode diskutiert?

Der Papst will ausdrücklich, dass jeder offen sagt, was er denkt. Es hat eine Woche gedauert, bis sich die Delegierten auch wirklich trauen, das umzusetzen. Es kommen schwierige Fragen auf den Tisch, über die wirklich offen und ehrlich Meinungen ausgetauscht werden. Das war unter Papst Benedikt nicht der Fall, und auf Franziskus’ Synode 2013 hat sich keiner so recht getraut, von der neuen Redefreiheit Gebrauch zu machen. Bei unterschiedlichen Meinungen gibt es kein Kopfschütteln, sondern ein intensives Zuhören, um den anderen zu verstehen.

Haben Sie dafür ein Beispiel?

Wenn sich etwa Menschen scheiden lassen, dann wieder heiraten, auch Kinder haben, und diese Kinder und Jugendlichen nicht zur Kirche kommen, weil Ihre Eltern nicht willkommen sind – dann ist das eine Situation, die von allen als schmerzhaft empfunden wird, ob sie nun Geschiedene zur Kommunion zulassen wollen oder nicht. Keiner tut dies ab und sagt, „Tja, sowas kommt halt vor“. Jeder sieht ein, dass es hier Lösungswege geben muss.

Inwieweit können Sie als Repräsentant der Evangelikalen Ihre Ideen einbringen?

Stärker als auf jeder anderen Konferenz, die ich bisher erlebt habe. Die Vertreter anderer Konfessionen sind hier nicht nur dekoratives Beiwerk, sondern werden wirklich angehört, nach ihrer Meinung gefragt und wertgeschätzt. Ich bin als Gastdelegierter hier, aber voll integriert. Ein Außenstehender würde nicht darauf kommen, dass ich nicht katholisch bin.

Welches Fazit erwarten Sie von der Synode?

Der erste Teil der Synode hat sich mit der Beschreibung der Situation beschäftigt, der zweite mit der kirchlichen Lehre dazu. Erst im dritten Teil werden wir abschließend über die pastorale Anwendung des Besprochenen diskutieren, und da liegt der Hund begraben. Ich gehe davon aus, dass uns die schwierigsten Auseinandersetzungen noch bevorstehen.

Vielen Dank für das Gespräch.

Die Fragen stellte Moritz Breckner. (pro)
https://www.pro-medienmagazin.de/gesellschaft/kirche/detailansicht/aktuell/als-evangelikaler-auf-der-vatikan-synode-93561/
https://www.pro-medienmagazin.de/gesellschaft/kirche/detailansicht/aktuell/vor-familiensynode-priester-im-vatikan-outet-sich-93548/
https://www.pro-medienmagazin.de/gesellschaft/kirche/detailansicht/aktuell/rick-warren-appelliert-beim-papst-fuer-traditionelle-ehe-90171/
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