Familienpolitik: Das große Verwirrspiel

Knapp 40 Prozent aller Familien würden derzeit für die Union stimmen, die meisten wünschen sich eine bessere Förderung durch die Politik, wissen aber gar nicht, was die einzelnen Parteien überhaupt durchsetzen wollen. Das hat eine Forsa-Studie im Auftrag der Zeitschriften Eltern und Eltern Family ergeben. Schuld an der Verwirrung vieler Eltern sei das Fehlen eines familienpolitischen Gesamtkonzeptes der Bundesregierung, erklärten die Auftraggeber der Erhebung am Dienstag in Berlin.

Von PRO

Das Wahlverhalten von Familien ähnelt stark dem der Gesamtbevölkerung. 39 Prozent würden CDU/CSU wählen, 24 Prozent die SPD. Die Linke würden sechs Prozent der Eltern wählen, die FDP lediglich 3 Prozent. Eine Überraschung gab es beim Ergebnis für Bündnis 90/Die Grünen: 22 Prozent würden sich für sie entscheiden, sieben Prozent mehr als der Durchschnitt der Gesamtbevölkerung. Dies ist laut Forsa-Chef Manfred Güllner vor allem dem Alter der Eltern geschuldet. Die meisten von ihnen befänden sich in einem mittleren Lebensalter und entsprächen damit weitgehend der Wählergruppe der Grünen. Vor allem Mütter erklärten, sie wollten für grün stimmen. Ein Zeichen für den Wandel der Partei, findet Güllner: „Die Grünen sind im Laufe der Zeit weiblicher geworden”, erklärte er bei der Vorstellung der Studie in Berlin. So liegen sie unter den Müttern bei 25 Prozent und damit sogar gleichauf mit der SPD.

Elternwillen ignoriert

Über familienpolitische Ziele der einzelnen Parteien wissen jedoch die wenigsten Eltern Bescheid. Knapp die Hälfte der Befragten gab an, nichts über die Inhalte zu wissen, nur jeder sechste erklärte, er kenne die Vorhaben der Volksvertreter. Als Grund gab ein Drittel an, das Thema interessiere es nicht, fast zwei Drittel fühlten sich schlecht durch die Parteien informiert. Die Chefredakteurin der Zeitschrift Eltern, Marie-Luise Lewicki, führte die Uninformiertheit vieler Eltern darauf zurück, dass es kein familienpolitisches Gesamtkonzept der Bundesregierung gebe. Wie ein „Flickenteppich” würden einzelne Vorhaben durchgesetzt, Väter und Mütter verlören zwischen Betreuungsgeld und Kita-Ausbau leicht den Überblick. So beantworteten 61 Prozent der Eltern die Frage, ob die Bundesregierung konkrete familienpolitische Ziele verfolge, mit: „Ich kann das eher nicht erkennen.” Ein Viertel aller Eltern beschwerte sich, es gebe nicht genügend Betreuungsplätze für unter 3-Jährige in Deutschland. Rund die Hälfte gab an, den Rechtsanspruch auf einen Platz notfalls gerichtlich einzuklagen. Von der Bildungspolitik wünschen sich Eltern vor allem eine Vereinheitlichung des Schulsystems in allen Bundesländern. „Hier ignoriert die Kultusministerkonferenz den Elternwillen”, sagte Lewicki.

Eltern in Deutschland wünschten sich laut Erhebung vor allem mehr Geld für eine frühe Förderung benachteiligter Kinder, gefolgt von einer kostenlosen Mitversicherung nicht berufstätiger Ehepartner. Einsparen würden sie am ehesten bei Gutverdienern: Etwa durch die Kürzung des Elterngeldes oder die Abschaffung des Kindergeldes bei Familien mit einem jährlichen Einkommen über 100.000 Euro brutto. Knapp die Hälfte sprach sich zudem für eine Rücknahme des Betreuungsgeldes aus. Jeweils knapp 90 Prozent der Eltern finden, der Staat sollte mehr Wert darauf legen, benachteiligte Familien zu unterstützen und Bedingungen schaffen, die dazu führen, dass mehr Kinder geboren werden. Das Ehegattensplitting befürworten 81 Prozent.

Mehrfachbelastung: Keine Besserung in Sicht

Die Vereinbarkeit von Familie und Beruf hat sich in den vergangenen vier Jahren trotz vielfältiger politischer Maßnahmen nicht verbessert, auch das ergab die Erhebung. Über die Hälfte der Befragten gab an, sie habe Probleme damit, beides unter einen Hut zu bringen, fast ebensoviele wie 2009. Betroffen sind vor allem die Mütter. 38 Prozent der Befragten wünschen sich ein Familienmodell, bei dem Mann und Frau ihre Arbeitszeit zu gleichen Teilen reduzieren und sich Haushalt und Kinderbetreuung teilen. Tatsächlich gelebt wird so nur in sechs Prozent der Haushalte von Familien. Über die Hälfte gab an, der Mann arbeite Vollzeit, die Frau Teilzeit und sie kümmere sich zudem vorrangig um Haushalt und Kinder. Klar wird aber auch: Das klassische Modell, bei dem der Mann arbeitet und die Frau zu Hause bleibt, hat ausgedient: Lediglich 14 Prozent der deutschen Familien leben so, noch weniger, sechs Prozent, wünschen es sich. Einen frühen Wiedereinstieg in den Beruf nach der Babypause befürworten die wenigsten Deutschen. Knapp die Hälfte würde erst nach drei Jahren oder später in den Beruf zurückkehren, ein Viertel nach einem halben Jahr und sieben Prozent früher. Eltern seien nicht konservativ, wohl aber realistisch, erklärte Lewicki dazu. Viele versuchten durch einen späten Wiedereintritt in den Beruf der Überforderung durch eine Mehrfachbelastung entgegenzutreten. Für die Studie wurden im Januar 1.000 Väter oder Mütter von Kindern unter 18 Jahren telefonisch befragt. (pro)

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