Virtuelle Freunde wissen oft mehr über eine Person als der Nachbar von nebenan. Diese Erkenntnis wollen sich amerikanische Firmen zunutze machen, um mehr über ihre Bewerber zu erfahren. Da das soziale Netzwerk Facebook seinen Nutzern die Möglichkeit gibt, Teile ihrer Daten vor der Öffentlichkeit zu verstecken, fordern Personalabteilungen die virtuelle "Befreundung" mit dem Bewerber. Selbst Passwörter zu persönlichen Profilen würden zur Herausgabe erbeten.
Dies berichtet die "Süddeutsche Zeitung" in Berufung auf die Nachrichtenagentur "Associated Press" (AP). Besonders staatliche Stellen wie die Polizei erhofften sich durch den Einblick in das persönliche Profil Hinweise auf kriminelle Vergangenheit oder Zugehörigkeit zu Gangs. Im Falle eines New Yorker Statistikers ging die Interviewerin während seines Vorstellungsgespräches sogar soweit, ihn um Nutzernamen und Passwort seiner Facebookseite zu bitten. Daraufhin zog der Betroffene seine Bewerbung zurück.
Laut AP sind Personalbüros in den Vereinigten Staaten von Gesetzes wegen zu äußerster Vorsicht gezwungen. Entstünde auch nur der leiseste Eindruck, einem Kandidaten sei wegen persönlicher Merkmale der Job verweigert worden, drohten Diskriminierungsklagen in Millionenhöhe. Weder Fotos, noch Alter, Wohnort und Religion sind in Bewerbungen in den USA daher aufzufinden.
Für die Polizei von Spotsylvania, einem Bezirk in US-Bundesstaat Virginia, ist die Praxis, sich Zugriff zu Nutzerprofilen im Internet zu verschaffen, laut der Bostoner Zeitung "The Boston Globe" mittlerweile gang und gäbe. "Früher haben wir mit Freunden und Nachbarn gesprochen, oftmals bemerken wir jedoch, dass Bewerber mehr durch soziale Netzwerke interagieren als mit realen Personen", zitiert die Zeitung einen Kommissar des Bezirkes. Auch um der Gefahr der Unterwanderung zu entgehen, müssten zukünftige Polizisten daher bei einem Bewerbungsgespräch ihre Facebook-Seite öffnen.
Christlicher Personalleiter in Deutschland: Facebook bei Bewerbung überflüssig
Orin Kerr, Professor an der George Washington-Universität in der US-amerikanischen Hauptstadt, setzt die Forderung damit gleich, jemanden um seinen Haustürschlüssel zu bitten. Als "ungeheuerliche Verletzung der Privatsphäre" bezeichnet er die Vorfälle gegenüber AP. Dem Christen und Personalleiter der Firma "Burg-Wächter", einem Hersteller von Schlössern und andere Sicherheitsprodukten, Eckert Bühne, geht schon das Aufsuchen eines öffentlich zugänglichen Facebook-Profils eines Bewerbers zu weit. Er halte die Praxis für überflüssig und distanziere sich davon, sagte er gegenüber pro. Über die eigentliche Bewerbung und den vorherigen Arbeitgeber seien ausreichende Informationen in Erfahrung zu bringen.
Stefan Haltenhoff, Geschäftsführer der "Butting Personal-Service GmbH", sieht es dagegen auch in Deutschland als eine gängige Praxis an, durch Netzwerke wie Xing oder Facebook nähere Informationen über Bewerber einzuholen. Von Fällen, dass Unternehmen hierzulande dabei auch nach Passwörtern gefragt hätten, wisse er nichts. "Das ginge als Verletzung persönlichen Datenschutzes als mittlerer Skandal durch die Presse ", ist er sich sicher.
Facebook sieht sich derweil zu Maßnahmen gezwungen. Um das Vertrauen seiner Nutzer und damit das Geschäftsmodell des US-Unternehmens nicht zu gefährden, will Facebooks Datenbeauftragter Eric Egan juristisch gegen Arbeitgeber vorgehen, die keinen Abstand davon nehmen, auf private Internet-Konten zurückzugreifen, meldet die Nachrichtenagentur Reuters. (pro)