Experten: Videospiele bringen Familien zusammen

Dass Computerspiele hauptsächlich die Domäne übergewichtiger Jungen in einsamen Kinderzimmern ist, stimmt schon länger nicht mehr. Ein Boom von neuen Bewegungsspielen bringt die Familien zusammen, und besonders Frauen ziehen in Sachen Computerspiele mittlerweile fast gleich auf mit den Männern, zeigen Studien.
Von PRO

Die Videospielbranche hat im vergangenen Jahr alle Rekorde gebrochen, berichtet die britische „Entertainment and Leisure Software Publishers Association“ (ELSPA). In Großbritannien kletterten die Verkäufe von Computerspielen 2008 auf ein Allzeit-Rekordhoch. Die britischen Konsumenten investierten laut dem Internetportal „Pressetext“ rund 4,4 Milliarden Euro in Videospiele und Konsolen – trotz Wirtschaftskrise und Rezession. Die Videospielverkäufe legten insgesamt um 23 Prozent gegenüber dem Vorjahr zu und verdoppelten sich innerhalb der vergangenen fünf Jahre. Ein ähnliches Bild zeigt sich in den USA: Laut jüngsten Zahlen der Marktforscher von „NPD Group“ legten die Videospielverkäufe dort allein im November um zehn Prozent gegenüber dem Vorjahr zu.

Das starke Wachstum der Gamesbranche sei vor allem auf den „Casual-Gaming“-Trend zurückzuführen, sagt Michael Rawlinson von der ELSPA. „Videospielen bringt immer mehr Familien zueinander – insbesondere die Einführung so vieler familienbasierter Konsolentitel“, so Rawlinson. Diese Spiele hätten den Markt für jene geöffnet, die vorher nicht einmal daran gedacht hätten, ein Videospiel zu nutzen.

Auch in Deutschland entwickelte sich das Videospielsegment 2008 durchwegs positiv. Allein im dritten Quartal wurden laut dem Marktforschungsinstitut „Media Control“ 131 Millionen Euro mit Computerspielen umgesetzt – ein Zuwachs von 17,5 Prozent gegenüber dem Vergleichszeitraum des Vorjahres.

Trotz der Wirtschaftskrise und seit Monaten prognostizieren Wachstumsflauten in der Medien- und Entertainmentindustrie bleibt der Spielemarkt bislang unbehelligt. Die Musikindustrie hingegen kämpft schon seit einiger Zeit mit Einbrüchen.

Das Computerspiel ist im Wohnzimmer angekommen

Es sind vor allem neue Spielekonzepte und Konsolen wie die erfolgreiche „Wii“ von Nintendo, die neue Interessenten aus fast allen Altersgruppen angezogen haben. Der Spieler wird dabei vor allem körperlich aktiv, zum Einsatz kommen nicht mehr nur Maus und Tastatur. Das Videospiel wanderte heraus aus dem Kinderzimmer hinein ins Wohnzimmer, wo die ganze Familie mit- und gegeneinander spielt. Die „Wii fit“ regt den Nutzer zudem seit rund einem Jahr sogar dazu an, mit einer speziellen Konsole die Fitness gezielt zu trainieren. Beim Karaoke-Spiel „SingStar“ von Sony singt der Spieler bekannte Lieder nach, „Guitar Hero“ verlangt ihm Gitarrenkünste ab.

Das Klischee vom dicklichen Jungen als typischen Computerzocker muss immer mehr revidiert werden, zeigte eine Studie unter der Leitung des Wissenschaftlers Scott Caplan von der Universität Delaware. Zwar verzeichnen so genannte „Multiplayer Games“ wie „World of Warcraft“ oder „EverQuest“ insgesamt noch immer mehr männliche Nutzer. Doch verbringen Frauen im Schnitt mittlerweile sogar täglich mehr Zeit mit Videospielen als Männer.

Die Studie räumt generell mit Klischees zum Thema Gaming auf. So zeigte sich im Zuge der Untersuchung auch, dass Videospiel-Nutzer keineswegs übergewichtig, sondern gesünder als der Durchschnitt seien und dass das Gaming zunehmend zu einer sozialen Aktivität werde. Wenngleich die männlichen Nutzer noch in der Überzahl seien, so mache der Frauenanteil im Bereich Videogames inzwischen schon 40 Prozent aus. In der Gruppe der Intensiv-Spieler habe das weibliche Geschlecht laut der US-Studie bereits die Führungsrolle übernommen.

Weg vom Fernseher, hin zur Spielekonsole

„In vielen Fällen spiegeln Stereotypen eine kulturelle Zeitverzögerung wider, wie ich es nennen würde“, sagte Caplan laut einem Bericht der BBC. Sein Forscherteam hatte 2.400 Nutzer des Spiels „EverQuest II“ untersucht. Was heute vielfach über Männer, Frauen und Videospiele gedacht werde, das sei höchstens vor zehn bis 15 Jahren noch zutreffend gewesen, als es hauptsächlich Konsolen- oder Einzelspiele gegeben habe. „Jetzt sehen wir, dass Games sozial werden und die Onlinespiele zu richtigen Communitys geworden sind“, so Caplan.

Dmitri Williams, Forscher der Universität von Südkalifornien und Koautor der Studie, sieht einen Grund für den wachsenden Erfolg der Videospiele darin, dass sie die Menschen weg vom Fernseher bringen. „Beim Fernsehen bekommt man einen endlosen Strom von Werbung vorgesetzt, die einem sagt, dass man Sachen kaufen und konsumieren soll. (…) Es könnte sein, dass Spiele zu einem viel aktiveren Lebensstil inspirieren, anstatt dass man nur vor einem Fernseher sitzt.“

Die Studie legte zudem nahe, dass Frauen und Männer aus unterschiedlichen Gründen Videospiele spielen: Männer, weil sie gewinnen wollen, und Frauen aus sozialen Gründen. Viele Frauen spielen Computerspiele zusammen mit ihrem Partner und sehen das Spielen als soziale Aktivität. Dies, so die Forscher, treffe mittlerweile auch auf den Umgang mit Computer und Internet allgemein zu. (PRO)

Helfen Sie PRO mit einer Spende
Bei PRO sind alle Artikel frei zugänglich und kostenlos - und das soll auch so bleiben. PRO finanziert sich durch freiwillige Spenden. Unterstützen Sie jetzt PRO mit Ihrer Spende.

Ihre Nachricht an die Redaktion

Sie haben Fragen, Kritik, Lob oder Anregungen? Dann schreiben Sie gerne eine Nachricht direkt an die PRO-Redaktion.

Offline, Inhalt evtl. nicht aktuell

PRO-App installieren
und nichts mehr verpassen

So geht's:

1.  Auf „Teilen“ tippen
2. „Zum Home-Bildschirm“ wählen