Experten fordern Anti-Cybermobbing-Gesetz

Ein Gesetz gegen Mobbing im Netz hat das "Bündnis gegen Cybermobbing" am Dienstag in Berlin gefordert. Das Internet sei zum Tatort geworden, erklärte der Vorstandsvorsitzende des Vereins, Uwe Leest. Jüngst war in den USA ein Cybermobber zu 30 Tagen Gefängnis verurteilt worden. Sein Opfer hatte sich umgebracht.

Von PRO

30 Tage Gefängnis, drei Jahre Bewährung und 11.000 Dollar Strafe – dazu verurteilten Richter in den USA nun einen Cybermobber. Der in Indien geborene und in den USA aufgewachsene Student hatte sich nach Angaben der "Süddeutschen Zeitung" mit seinem Opfer ein Zimmer an der staatlichen "Rutgers Universität" in New Jersey geteilt. Als sein Kommilitone im September 2010 Besuch von einem anderen Mann empfing, schaltete der Verurteilte seine Webcam an, bevor er den Raum verließ. Er filmte seinen Mitbewohner dabei, wie er den Besucher küsste. Anschließend ermunterte er über soziale Medien andere Studenten, sich den Film auf seinem Computer anzusehen. Das bloßgestellte Opfer sprang zwei Tage später von einer Brücke in den Hudson River. Seinen Selbstmord hatte der 18-Jährige auf seiner Facebook-Seite angekündigt.

Das "Bündnis gegen Cybermobbing" will solche Fälle in Deutschland verhindern. Der Vorstandsvorsitzende Uwe Leest fordert deshalb ein Gesetz gegen Cybermobbing in der Bundesrepublik. Im Staat New Jersey gibt es ein solches bereits, daher konnte der Täter dort verurteilt werden. Das Internet sei mittlerweile zum Tatort geworden, sagte Leest am Dienstag in Berlin. Eine Verurteilung zu 30 Tagen Gefängnis wie im Fall des amerikanischen Cybermobbers hält er für zu gering. "Das klingt für mich, als würde es als Kavaliersdelikt behandelt", sagt er. Gesa Stückmann, Rechtsanwältin des Bündnisses gegen Cybermobbing, sieht eine Gesetzeslücke im deutschen Recht.

Zusammenhang zwischen Mobbing und sexueller Belästigung

Leest erklärte, die Problematik sei umso schwerwiegender, da der Einfluss sozialer Netzwerke wachse. Gerade junge Menschen würden dabei aber immer häufiger von ihren Eltern alleine gelassen, auch, weil sie in der Regel mehr Erfahrung mit dem Netz hätten als Mutter und Vater. "Die Kinder leben in dieser Welt und wenn sie das nicht tun, dann sind sie draußen", sagte Leest. Drei Viertel der über 12-Jährigen hätten derzeit eine Identität in mindestens einem Sozialen Netzwerk. Mobbing im Netz führe zwar nicht zwangsläufig zum Selbstmord wie im amerikanischen Fall, könne bei jungen Menschen aber Angst und psychiatrische Störungen auslösen. "Eltern sollten sich für das, was ihre Kinder im Internet tun, interessieren", rief Leest deshalb auf. Im Netz bietet das "Bündnis gegen Cybermobbing" nicht nur eine Hilfe-Hotline für Eltern und Kinder an, sondern auch eine Suchfunktion, die anzeigt, wo sich im Umfeld der Betroffenen Polizeidienststellen, Psychiater oder Rechtsanwälte befinden, die sich mit dem Thema Internetrecht und Mobbing beschäftigen.

Dass Cybermobbing zu Selbstmord führt, ist nach wie vor die Ausnahme. Dennoch scheint das Phänomen mittlerweile alltäglich zu sein – und teils dramatische Folgen zu haben. So zitiert die Tageszeitung "Die Welt" etwa aus einer Studie der "Techniker Krankenkasse", derzufolge mehr als jeder dritte Jugendliche bereits im Internet beleidigt, ausgeschlossen oder schikaniert wurde. Forscher der Universität Bremen haben zudem einen Zusammenhang zwischen Cybermobbing und sexuellen Übergriffen im Netz festgestellt. Ein Kind, das online gemobbt wird, sei einem vierfach höheren Risiko ausgesetzt, von Erwachsenen im Internet regelmäßig sexuell belästigt zu werden. "Wir wissen, dass sich gemobbte Kinder einsamer fühlen, unbeliebter sind, weniger Freunde haben und von gemeinsamen Aktivitäten unter Gleichaltrigen häufiger ausgeschlossen werden. Diese Kinder suchen dann Zuneigung und Anerkennung und scheinen anfälliger für Annäherungsversuche von Erwachsenen zu sein", erklärt der Erziehungswissenschaftler Sebastian Wachs das Phänomen. Weiter sagt er: "In unserer Studie haben wir festgestellt, dass jedes fünfte Kind schon mal im Internet sexuell belästigt wurde. Jedes 15. Kind erfährt dieses Leiden regelmäßig."(pro)

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