Experiment gestartet: Drei Religionen – eine Schule

Sie wurde mit Spannung erwartet: Am heutigen Mittwoch startet im niedersächsischen Osnabrück die deutschlandweit erste Drei-Religionen-Schule ihren Unterricht. Die Grundschule will dem religiösen Leben von christlichen, muslimischen und jüdischen Kindern besonders viel Raum geben.
Von PRO

Die Kinder sollen jeweils ihre Religion mit typischen Ritualen und Feiern praktizieren und damit zur gegenseitigen Toleranz erzogen werden. Katholiken, Juden und Muslime sind in dem Projekt gleichberechtigte Kooperationspartner. Während die Befürworter hoffen, dass die neue Schule zur Toleranz erzieht, halten sie die Kritiker für überflüssig. An der Drei-Religionen-Schule werden zum Start 22 Kinder eingeschult. Es sind neun Katholiken, acht Muslime, zwei Protestanten, ein jüdisches Kind, ein serbisch-orthodoxes und ein Kind ohne Konfession.



Ehemalige katholische Bekenntnisschule

Das neue Konstrukt ist aus der ehemaligen Johannis-Schule hervorgegangen. Die katholische Bekenntnisschule durfte maximal 30 Prozent nichtkatholischer Schüler aufnehmen. Weil die Quote aufgrund sinkender Anmeldezahlen nicht zu halten gewesen wäre, trug das Bistum Osnabrück die Entscheidung für die Drei-Religionen-Schule mit. In Deutsch, Mathematik, Musik oder Sachkunde sollen die Kinder gemeinsam unterrichtet werden. Religionsunterricht gibt es für jede der drei Religionen separat. "Wir legen aber auch auf religiöse Alltagsriten Wert", erklärt Winfried Verburg, der Schulabteilungsleiter im katholischen Bistum Osnabrück, im Gespräch mit der Nachrichtenagentur dpa.

Die strategischen Entscheidungen der Schule trifft ein gleichberechtigt besetzter Beirat. Dabei ging und geht es um alltägliche Fragen des Schullebens. Als die Einschulungszeremonie beraten wurde, habe es den Vorschlag gegeben, Kerzen anzuzünden. "Die Muslime haben uns jedoch gesagt, das rituelle Entzünden von Kerzen kennen wir gar nicht. Nach ihrer Ansicht passte das nicht zum Islam", erzählt Verburg, dass die Muslime eine Änderung wünschten. Auch beim Feiertagskalender werde Rücksicht auf die einzelnen Religionen genommen: Während des islamischen Fastenmonats Ramadan wird es keine Klassenfeste geben. Zum jüdischen Feiertag Jom Kippur bleiben die jüdischen Kinder zu Hause.

Ein großes Hoffnungszeichen?


"Ich bin neugierig, ob das alles klappt", meint Sebastian Hobrack ebenfalls im Interview mit dpa. Der 40-Jährige wird dort jüdischen Religionsunterricht geben. Der Kerngedanke sei, die Religion der anderen als alltäglichen Teil des Schullebens zu erleben und so Toleranz zu lernen. "Wie das in der Praxis funktionieren soll, ist wohl noch keinem so richtig klar." Er sei fast schon ein bisschen skeptisch, ob das hochgesteckte Ziel erreicht werden könne.



Auf kommunalpolitischer Ebene hatte es um das Projekt große Debatten gegeben. Die SPD und Teile der Grünen-Fraktion der Stadtverordneten lehnten das Projekt ab. "Wir brauchen diese Schule nicht", sagte der SPD-Fraktionschef im Stadtrat, Frank Henning. Integration werde an staatlichen Grundschulen täglich geleistet, insbesondere an Schulen mit hohem Migrationsanteil. Schon die Schülerzahl zeige, dass das Konzept nicht besonders überzeugend sei, sagt Henning. Laut Henning trage ein Großteil der Schulkosten auch die Stadt, und nicht das Bistum.



Der Religionslehrer Sebastian Hobrack hingegen findet das Konzept, Christen, Muslime und Juden über ihre jeweilige Religion zu gegenseitiger Toleranz zu erziehen, visionär. "Wenn das klappt, ist das ein großes Hoffnungszeichen in der Geschichte der Religionen untereinander." Zu den gleichberechtigten Kooperationspartnern gehören die jüdische Gemeinde Osnabrück sowie die beiden islamischen Landesverbände Schura Niedersachsen und der DiTiB-Landesverband Niedersachsen und Bremen. (pro/ dpa)

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