Ex-SED-Chef Gregor Gysi schwurbelt über den „Unrechtsstaat“

In Thüringen sondieren Grüne, SPD und Linke in Gesprächen, ob eine gemeinsame Regierung tragfähig sein kann. Ein Papier, in dem die drei Parteien die DDR einen „Unrechtsstaat“ nennen, hat nun Unmut geweckt. Ein Kommentar von Norbert Schäfer
Von PRO
Gregor Gysi war 1989 Mitglied des Arbeitsausschusses der SED

In einem Papier mit dem Titel „Die Würde des Menschen ist unantastbar – Zur Aufarbeitung der DDR-Geschichte“ heißt es: „Weil durch unfreie Wahlen bereits die strukturelle demokratische Legitimation staatlichen Handelns fehlte, weil jedes Recht und jede Gerechtigkeit in der DDR ein Ende haben konnte, wenn einer der kleinen oder großen Mächtigen es so wollte, weil jedes Recht und Gerechtigkeit für diejenigen verloren waren, die sich nicht systemkonform verhielten, war die DDR in der Konsequenz ein Unrechtsstaat.“ Über den Begriff Unrechtsstaat gibt es Aufregung. Warum nur hat sich ausgerechnet Gregor Gysi aufgeregt?
Gysi schwurbelt: „Wenn ich die DDR als Unrechtsstaat bezeichne, dann erkläre ich, dass die drei Westmächte das Recht hatten, die Bundesrepublik zu gründen, die Sowjetunion aber als Antwort nicht das Recht hatte, die DDR zu gründen.“
Die Ex-DDR-Bürgerrechtlerin Vera Lengsfeld sieht die Sache mit Gysi so: „Es ist komplett in Vergessenheit geraten, dass er der letzte SED-Chef war.“ Hier genau liegt der Hase im Pfeffer. Nein – „Unrechtsstaat“ mag der aktuelle Fraktionsvorsitzende der Linksfraktion im Bundestag, Ex-Parteivorsitzende der PDS und Ex-Parteivorsitzender der SED (Sozialistische Einheitspartei Deutschlands), Gregor Gysi, gar nicht hören. Die SED war in der DDR, jüngere Leser werden dies unter Umständen nicht wissen, die Partei im eingezäunten Ostteil unseres mittlerweile wiedervereinigten Landes, die einen Teil der Deutschen über Jahre im realexistierenden marxistischen Kot der ehemaligen Sowjetunion gehalten hat, nachdem zuvor unser Land aus dem nationalsozialistischen Schlamassel befreit worden war. Im westlichen, also dem demokratischen Teil, unterstützten die Westalliierten die Gründung der demokratischen BRD. Wollte Gysi das etwa sagen?
Weniger geht es um die Frage, wer das Recht hatte, den einen oder den anderen Staat zu gründen. Vielmehr geht es doch darum, wie in dem einen oder dem anderen Staat mit „dem Recht“ verfahren wurde. Wer sich über die Gepflogenheiten des Umgangs mit dem Recht in der ehemaligen DDR noch nicht ganz im Klaren ist, der möge sich einmal in ein Stasi-Gefängnis nach Berlin-Hohenschönhausen begeben oder nach Bautzen. Der möge sich die Berichte von politisch Verfolgten und Stasi-Opfern anhören. Wer danach immer noch der Meinung ist, die DDR sei kein „Unrechtsstaat“ gewesen, dem empfehle ich nach Nordkorea auszuwandern und sich am dortigen Rechtssystem zu erfreuen. Gregor Gysi schlägt mit seiner Äußerung all jenen kalt ins Gesicht, die unter der Knute von SED und Stasi litten. Den Opfern der DDR, der Stasi und der SED, deren Vorsitzender er einst war.
Auch daran sei erinnert im Jahr 25 nach dem Fall der Mauer. Gregor Gysi hat sich noch am 16. Dezember 1989 auf einem Sonderparteitag der SED-PDS für eine Zusammenarbeit beider deutscher Staaten bei voller Wahrung ihrer Souveränität ausgesprochen. Mit anderen Worten: Gysi wollte die Wiedervereinigung nicht. Er wollte einen vereinigten Rechtsstaat gemäß des Grundgesetzes nicht. Nun will er auch den „Unrechtsstaat“ nicht. Irgendwie konsequent. (pro)

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