„Auch in Europa gibt es eine subtile Form von Christenverfolgung“, sagte Kardinal Müller in einem Interview des Onlinemagazins firstlife. „Wenn man jemanden wegen seines Glaubens lächerlich macht, ist das eine Form des Angriffs auf die Religionsfreiheit.“ Viele Menschen riefen nach Toleranz, nutzten sie aber nur als Waffe gegen andere.
Weiter beklagte der Geistliche, Christen würden „vielfach systematisch über die Medien angeprangert“. Andauernd werde schlecht über Kirche und ihre Geistlichen berichtet. Das lasse außer Acht, dass es viele Priester und Laien gebe, die jedes Jahr für ihren Glauben stürben. „Als Katholiken dürfen wir uns nicht nur beschweren, wenn Christen verfolgt werden. Wir müssen uns für alle einsetzen, wenn sie wegen ihres Glaubens diskriminiert werden.“ Der Geistliche war von 2012 bis 2017 Präfekt der Kongregation für die Glaubenslehre, gewissermaßen also Cheftheologe der Katholischen Kirche.
„Entsetzliche Trivialisierung“
Anders sieht es Heiner Bielefeldt, der bis 2016 Sonderberichterstatter der Vereinten Nationen für Religions- und Weltanschauungsfreiheit war. Zwar stellt der Menschenrechtsexperte gegenüber pro auch ein „gelegentlich etwas ruppiges Klima in unserer Gesellschaft“ fest, „in der man sich über Geschmacklosigkeiten ärgern“ könne.
Die Wortwahl des Kardinals kritisierte Bielefeldt jedoch scharf: „Die Äußerungen von Kardinal Müller sind eine entsetzliche Trivialisierung echter Verletzung der Religionsfreiheit, wie man sie in vielen Ländern der Welt erlebt.“
Bielefeldt berichtete von einem Vortrag eines tschechischen Priesters vor einigen Jahren in Rom. In der Zeit des Kommunismus habe der Priester seine eigene Priesterweihe selbst gegenüber seinen Eltern verheimlichen müssen, um für sie nicht noch zusätzliche Risiken zu schaffen. Der tschechische Priester habe sich in seinem Vortrag stark dagegen ausgesprochen, die heutige Situation von Christen in Europa mit Christenverfolgung zu vergleichen.
Von: Nicolai Franz