Seit Wochen demonstrieren in der chinesischen Sonderverwaltungszone Hongkong Hunderttausende für die juristische Unabhängigkeit der ehemaligen britischen Kronkolonie von der kommunistischen Regierung in Peking. Weil der Vatikan bislang zu den Protesten geschwiegen hat, erntet er nun Kritik vom ehemaligen Bischof von Hongkong, Joseph Zen.
Der Gegner des kommuistischen Regimes in Peking wirft seiner Kirche vor, Glaubensgeschwister verraten zu haben. In einem Interview der italienischen Tageszeitung La Repubblica, das die Welt am Dienstag auf ihrer Website veröffentlicht hat, sagte Zen: „Der Heilige Stuhl hat jene verraten, die gläubig sind und Unterstützung gebraucht hätten und im Gegenzug nichts von Peking bekommen.“ Zen nimmt mit seiner Kritik Bezug auf eine Vereinbarung zwischen dem Vatikan und der chinesischen Regierung vom Juni dieses Jahres. Darin werden die Gläubigen in dem kommunistischen Land aufgefordert, der offiziellen Kirche beizutreten. Die ist in den Augen Zens jedoch eine „abtrünnige Kirche“.
Das Verhältnis zwischen der Katholischen Kirche und China hatte sich erst im vergangenen Jahr nach einem jahrelangen Streit verbessert. Im September 2018 hatten der Vatikan und China ein vorläufiges Abkommen zur Ernennung von Bischöfen in dem Land geschlossen. Das eröffnet, dass Bischöfe in China sowohl von Rom als auch von Peking anerkannt werden. Die Ernennung von Bischöfen ist sonst ausschließlich dem Papst vorbehalten. Weil Gemeinden in China von staatlichen Stellen überwacht werden, hat sich neben der offiziellen Kirche auch eine Untergrundkirche entwickelt. Darauf nimmt Zen in seiner Kritik am Vatikan Bezug. „Die Vereinbarung war ein Fehler, sie hat die Untergrundkirche in China verraten“, sagte Zen in dem Interview. Der Vatikan schweige, während die ganze Welt auf Hongkong schaue.
Von: Norbert Schäfer