Evolutionstheorie und ihre Kritiker: „Kein Grund zur Sorge!“

H a m b u r g (PRO) - Der Evolutionsbiologe Ulrich Kutschera ist der Meinung, dass Biologen, die Kritik an der Evolutionstheorie üben, generell nicht in wissenschaftlichen Publikationen vertreten sein sollten. Auf die Warnung des Kasseler Wissenschaftlers vor einer "Infiltrierung" der Wissenschaft durch bibelgläubige Christen antwortete nun der Molekularbiologe Siegfried Scherer von der Technischen Universität München in der Zeitschrift GEO: "Kein Grund zur Sorge!"
Von PRO

In einem Interview mit Geo.de hatte der Evolutionsbiologe Kutschera die Evolutionskritiker im August mit Homöopathen, Astrologen und Wünschelrutengängern gleichgestellt und sie „Pseudowissenschaftler“ genannt. Der Kasseler Biologe wirft ihnen vor, naturwissenschaftliche Fakten zu verdrehen oder zu ignorieren sowie die Denk- und Arbeitsweisen der Naturwissenschaften abzulehnen.

Im Magazin „Reports“ (Ausgabe 26, NR 4. 2006) warnte Kutschera zudem „Wissenschaftler auf der ganzen Welt“, sie sollten wachsam sein, „damit eine weitere Unterwanderung und Infiltrierung der internationalen Literatur zu evolutionären Studien verhindert wird“. Theistische Ansichten hätten in der Naturwissenschaft keinen Platz. Kutschera beschwert sich darüber, dass Artikel von bekannten evolutionskritischen Autoren in wissenschaftlichen Zeitschriften veröffentlicht oder genannt werden, wie es etwa in der „Naturwissenschaftlichen Rundschau“, in der renommierten evolutionsbiologischen Zeitschrift „Trends in Ecology and Evolution“, in der Zeitschrift „Flora“ oder in den „Annual Reviews of Genetics“ geschehen war.

Die „Arbeitsgemeinschaft Evolutionsbiologie im Verband Biologie, Biowissenschaften & Biomedizin“, deren Sprecher Kutschera ist, berichtet auf ihrer Internetseite, dass an der Fachhochschule Gießen ein Informatik-Dozent Seminare anbietet, der offenbar Evolutionsgegner ist. „Kreationistisches Gedankengut wird auf subtile Weise den Studenten nahegebracht“, steht für die Evolutionsbiologen fest.

Scherer fordert unaufgeregte, sachliche Debatte: „Nix Bibel! Ich kann das!“

GEO.de gab dem Biologen Scherer vor kurzem die Möglichkeit, auf Kutscheras Angriffe zu antworten. Es bestehe für den Wissenschaftsstandort in Deutschland kein Grund zur Sorge, schreibt er. „Auch Kreationismus, ‚Intelligent Design‘ (ID) und die Evangelikalen kenne ich und weiß um ideologische Strömungen im amerikanischen Kreationismus, die kaum von Fachkenntnis getrübt sind. Ultrakrass. Aber dem begegnet man am besten sachlich und unaufgeregt.“ Diese Ansichten würden sich in Deutschland ohnehin nie durchsetzen und blieben seiner Meinung nach „Randerscheinung“. Doch Scherer fügte hinzu: „Die Leute sollen ihre Meinung doch auch frei äußern dürfen.“

Gleichzeitig versuchte der Biologe, mit einigen Missverständnissen aufzuräumen. Weder Kultusministerin Wolff, noch Ministerpräsident Althaus, noch seine Studiengemeinschaft „Wort und Wissen“ hätten im Sinn, im Unterricht an deutschen Schulen ein kreationistisches Weltbild und eine Schöpfung in sechs Tage zu propagieren. „Vermutlich nicht mal George Bush. Ich übrigens auch nicht.“

Außerdem finde er an der Evolutionsbiologie durchaus Gutes. Zu Charles Darwin, dem Begründer der Evolutionsbiologie, sagt er: „Der Mann war wirklich gut!“ Die Wissenschaftler von „Wort und Wissen“ lehnten eine „Mikroevolution“ im Sinne von Variation, Anpassung und Artbildung nicht ab. Sie sehen darin sogar „ein fundamentales Kennzeichen des Lebens“. „Ja, insofern ist Evolution eine Tatsache“, so Scherer. Das Problem bestehe allerdings in der Entstehung biologischer Information und der ersten Zelle. Auch dem so genannten Kreationismus stehe er kritisch gegenüber, betonte Scherer. Denn ihm sei bewusst, dass dieser auf Glauben beruhe. Doch genauso wie man an die Schöpfung glauben müsse, beruhe auch die Überzeugung von einer erwürfelten evolutionären Entstehung der ersten Zelle auf Glauben, so der Biologe.

Scherer plädierte außerdem für eine entspanntere Debatte um Evolution und ihre Kritik. „Die Evolutionstheorie ist dermaßen gut etabliert, dass vereinzelte Kritiker eigentlich das Salz in der Suppe sind. Das kratzt doch keinen ernsthaft, oder? Ich meine, ein bisschen sachliche, wissenschaftliche Stichelei, das muss schon sein. Keine Sorge, gute Theorien halten das locker aus.“ Er lud seinen Kritiker Kutschera, der es ablehnt, sich mit ihm zu treffen, erneut zu einer sachlichen Auseinandersetzung ein. „Und ich würde nur naturwissenschaftlich argumentieren – versprochen! Nix Bibel und so. Ich kann das.“ Die Auseinandersetzung um Schöpfungsglaube, ID, Kreationismus, wissenschaftliche Evolutionstheorie und naturalistische Weltbilder werde in den USA mit harten Bandagen geführt, so Scherer. „Vielleicht können wir hierzulande ein wenig entspannter mit der Sache umgehen?“

Den ganzen Beitrag Scherers lesen Sie hier.

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